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Leben und Werk von Karl Marx im historischen Kontext

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Part of the book series: Studienskripten zur Soziologie ((SSZS))

Zusammenfassung

„Gewiß ist Marx anderes und mehr als gelehrter Nationalökonom und Soziologe, ist Philosoph und Prophet, Revolutionär und Begründer der sozialistischen Arbeiterbewegung, ist, wie in diesem Jahrhundert nur Bismarck noch, eine zentrale Gestalt der deutschen Geschichte“ – so würdigte der Historiker Thomas Nipperdey die Lebensleistung von Karl Marx. Und sein englischer Kollege Eric Hobsbawm ist der Ansicht: „In den vergangenen 130 Jahren waren Marx und der Marxismus ein Leitmotiv im intellektuellen Konzert der modernen Welt und besaßen durch ihre Fähigkeit, soziale Kräfte zu mobilisieren, eine wesentliche und zu manchen Zeiten entscheidende Präsenz in der Geschichte des 20. Jahrhunderts“. Doch wer war dieser Mensch, dessen bärtiges Konterfei (nebst Engels, Lenin und je nach Gusto Trotzki, Stalin, Mao-Tse-Tung) als Ikone idealisiert und geradezu religiös verehrt wurde? Das Bild von Marx als Inbegriff staatssozialistischer Wahrheit und Autorität mag nicht recht passen auf jenen Mann, der noch als Vierzigjähriger mit einem Saufkumpan betrunken durch London zog und sich einen Spaß daraus machte, die Laternen auf seinem Weg zu demolieren.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. hierzu etwa Hosfeld (2011, S. 118): „Marx’ Biographie fällt mit der größten Umwälzung zusammen, die die Menschheit seit dem Neolithikum erlebt hat, und er war von dem Ausmaß und der Geschwindigkeit der industriellen Revolution, die in kürzester Zeit eine ganze Welt auf den Kopf stellte, überwältigt, weit mehr als alle anderen Theoretiker vor ihm. Adam Smith’ ‚Wealth of Nations‘ erschien 1776, noch vor Beginn der industriellen Revolution, David Ricardos ‚Principles of Political Economy and Taxation‘ 1817, als sie noch in den Kinderschuhen steckte. Marx, dessen Kapital auch ein intensive Auseinandersetzung mit den beiden großen Klassikern der Wirtschaftswissenschaften war, sollte zum eigentlichen Theoretiker dieser säkularen Umwälzung werden.“

  2. 2.

    Als begleitende Lektüre für dieses Kapitel wird u. a. Dahrendorf (2000) sowie Oertzen (1991) empfohlen.

  3. 3.

    Vgl. die differente Namensnennung z. B. bei Mehring (1964), Wheen (2001) versus Hosfeld (2011).

  4. 4.

    Trier war während der Napoleonischen Eroberungen vorübergehend unter französischer Verwaltung. Damit genoss auch der Vater von Karl Marx vorübergehend die beruflichen Freiheiten und religiöse Toleranz, die die Französische Revolution jüdischen Staatsbürgern gewährte. Als nach Napoleons Niederlage der Wiener Kongress ab 1815 Trier wieder Preußen zuschlug, bedeutete dies den Wiederausschluss von Juden aus allen öffentlichen Ämtern und gelehrten Berufen. Die Konversion von Heinrich Marx zum Christentum dürfte eine direkte Folge der konservativen Restauration in Europa gewesen sein. Bezeichnend ist jedoch, dass der Übertritt zum Protestantismus, nicht zum Katholizismus erfolgte. Letzterer war in Trier (jedoch nicht in Preußen) dominant. Marx „entstammte“ somit „einer jüdischen Bürgerfamilie aus einer überwiegend katholischen Stadt in einem Land, dessen Staatsreligion der evangelische Protestantismus war“ (Wheen 2001, S. 18).

  5. 5.

    Es handelte sich um das Jesuitengymnasium in Trier, das in der preußischen Zeit Friedrich-Wilhelms-Gymnasium hieß (vgl. Blumenberg 1990, S. 17).

  6. 6.

    Zur Erinnerung: Im Jahr 1832 fand das Hambacher Fest statt, auf dem u. a. die Pressefreiheit und das Ende der obrigkeitsstaatlichen Zensur gefordert wurden. Als Reaktion darauf wurde u. a. das Trierer Gymnasium durchsucht und dessen Direktor (mit dem der Vater von Karl Marx gut bekannt war) unter Polizeiaufsicht gestellt (vgl. Wheen 2001, S. 24 f.).

  7. 7.

    Vgl. näheres Eßbach (1988).

  8. 8.

    Dass Karl Marx mit der langjährigen Haushälterin Helene Demuth, die nahezu als Mitglied der Familie Marx gelten konnte, während einer mehrmonatigen Abwesenheit seiner Ehefrau einen unehelichen Sohn zeugte, gilt inzwischen als historisch verbürgt. Henry Frederick Demuth, genannt „Freddy“, wurde am 23. Juni 1851 geboren und hat vermutlich zeitlebens nicht erfahren, wer sein Vater war. Das Kind wurde zu Pflegeeltern gegeben, und inoffiziell galt Friedrich Engels als ‚Verantwortlicher‘ für die Schwangerschaft. Auch in der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung wurde die Existenz eines unehelichen Sohnes von Marx lange Zeit verleugnet. Sowohl Jenny als auch die Töchter von Marx scheinen jedoch die Wahrheit zumindest geahnt zu haben. Einen Überblick über die Geschichte der Marx-Forschung zu diesem Thema gibt u. a. Wheen (2001, S. 206 ff.).

  9. 9.

    Über das sowohl romantische wie dramatische Leben der Familie Marx gibt es eine Fülle von Literatur. Gut lesbare sowie informative Biographien der wohl wichtigsten Frauen an der Seite von Karl Marx, nämlich seiner Ehefrau Jenny sowie seiner jüngsten Tochter Eleanor, genannt „Tussy“, sind z. B. Dornemann (1980), Giroud (1997), Peters (1984), Weissweiler (2002).

  10. 10.

    Zu den Ideen des sog. „Frühsozialismus“ vgl. ausführlich Kool und Krause (1967), Weber (1989).

  11. 11.

    Siehe Diskussionseinschub Marx und Bakunin am Ende dieses Kapitels.

  12. 12.

    Dawid Borissowitsch Rjasanow war von 1920 bis 1930 Leiter des Marx-Engels-Instituts in Moskau und maßgeblich an der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) beteiligt. 1931 wurde er nach Konflikten mit Stalin aus der Partei ausgeschlossen und nach Saratow verbannt; 1938 fiel er dem stalinistischen Terror zum Opfer (im Zuge der sog. ‚Moskauer Prozesse‘ 1936–1938). Durch die Veröffentlichung der sog. ‚Pariser Manuskripte‘ (in Deutschland erstmals 1932) wurde die zuvor stark ökonomisch-materialistisch geprägte Marx-Auffassung, wie sie sich über die Interpretationen von Engels, Kautsky, Bernstein, Luxemburg und Lenin durchgesetzt hatte, wesentlich bereichert um den umfassenderen geistesgeschichtlichen Horizont des ‚jungen Marx‘.

  13. 13.

    Gründungsmitglieder waren Karl Marx, Friedrich Engels, Jenny Marx (als einzige Frau), Edgar von Westphalen, Ferdinand Freiligrath, Joseph Weydemeyer, Moses Hess, Hermann Kriege, Wilhelm Weitling, Ernst Dronke, Louis Heilberg, Georg Weerth, Sebastian Seiler, Philippe Gigot, Wilhelm Wolff, Ferdinand Wolff, Karl Wallau und Stephan Born(vgl. Wheen 2001, S. 127).

  14. 14.

    Die unteren Schichten bestanden damals v. a. aus Bauern und Tagelöhnern. Die industrielle Revolution steckte noch in den Kinderschuhen. Ein ‚Industrieproletariat‘ gab es zu diesem Zeitpunkt allenfalls in England, jedoch noch kaum auf dem Kontinent.

  15. 15.

    Zwei von fünf Kindern der Familie Marx starben; ein weiteres wurde tot geboren.

  16. 16.

    Seit 1849 litt Karl Marx unter Krankheiten der Leber sowie der Galle, die häufig von Kopfschmerzen, Augenentzündungen, Rheumatismus und Schlaflosigkeit begleitet wurden. Seine Gewohnheit, die Nächte durchzuarbeiten, d. h. „tagsüber zu studieren und nachts zu schreiben“, war seiner Gesundheit ebenfalls nicht förderlich (vgl. Blumenberg 1990, S. 105 f.).

  17. 17.

    Als es im Jahr 1862 mit den Familienfinanzen in besonders dramatischer Weise bergab ging, bewarb sich Marx das erste und einzige Mal in seinem Leben um eine bezahlte Beschäftigung als Büroangestellter bei einer Eisenbahngesellschaft. Er wurde jedoch aufgrund seiner nahezu unleserlichen Handschrift abgewiesen (vgl. Wheen 2001, S. 303). In der darauf folgenden Zeit verbesserte sich die finanzielle Situation der Familie wieder aufgrund diverser kleinerer und größerer Erbschaften.

  18. 18.

    Vgl. zur langen und komplizierten Entstehungsgeschichte des Kapitals Rosdolsky (1968); Wygodski (1967).

  19. 19.

    Bekannt ist etwa die Einschätzung von Wilhelm Liebknecht, einem der Gründerväter der deutschen Sozialdemokratie, Mitglied des Bundes der Kommunisten und persönlicher Freund von Karl Marx. Er bekannte, dass er noch nie in seinem Leben so enttäuscht gewesen sei von der Lektüre eines Buches wie im Fall der Kritik der politischen Ökonomie(vgl. Hosberg 2011, S. 92).

  20. 20.

    Marx war in den 1850er Jahren davon überzeugt, dass die kapitalistische Weltwirtschaft bald in die Krise geraten müsse und es daher zu einem neuen revolutionären Umbruch kommen werde. Dieser würde dann die Bewegung und historische Entwicklung weiterführen, die 1848/1849 unvollendet blieb. So sah er die Weltwirtschaftskrise von 1857 zwar richtig voraus, diese erfüllte seine Hoffnungen in politischer Hinsicht jedoch in keiner Weise.

  21. 21.

    Lassalle, der im Mai 1863 zum ersten Präsidenten des neu gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) gewählt wurde, war 1861 bereits ein bekannter Führer der allmählich erstarkenden Arbeiterbewegung und mit Marx seit den revolutionären Zeiten 1848 befreundet.

  22. 22.

    Marx und Lassalle hatten auch diverse inhaltliche Widersprüche. So dürften etwa die geheimen Unterredungen von Lassalle mit dem preußischen Regierungschef Bismarck im Jahr 1863 kaum die Zustimmung von Marx gehabt haben. Laut Hosfeld (2011, S. 100) empfand Bismarck „Lassalle als einen der ‚geistreichsten und liebenswürdigsten Menschen‘, mit denen er je verkehrt habe. Schließlich hatten sie im liberalen Bürgertum den gleichen Feind. Lassalle erklärte Bismarck, die Arbeiter seien trotz ihrer eigentlich republikanischen Gesinnung durchaus bereit, in der Krone den natürlichen Träger der sozialen Diktatur zu sehen, im Gegensatz zum Egoismus der bürgerlichen Gesellschaft – wenn sich die Krone aus einem Königtum der bevorrechtigten Stände in ein soziales und revolutionäres Volkskönigtum umwandle.“ In der Folgezeit hegten Marx und Engels ein erhebliches Misstrauen gegenüber der deutschen Sozialdemokratie. „Uneingeschränkt ins Reich der Legende gehört jedenfalls die Auffassung, daß Marx und Engels die wirklichen Führer der Sozialdemokratie gewesen seien und ihre Politik bestimmt hätten“ (Blumenberg 1990, S. 126).

  23. 23.

    Auch seine Ehefrau sowie seine drei Töchter wären von einem Rückzug nach Deutschland kaum begeistert gewesen. Jenny, Laura und Eleanor fühlten sich eher als Engländerinnen denn als Deutsche und waren im Zweifelsfall eher der französischen als der germanischen Kultur zugeneigt, wie sich später auch an der Wahl ihrer Ehemänner sowie Liebhaber deutlich zeigte.

  24. 24.

    Geplant waren zwei weitere Bände über den „Cirkulationsprozeß des Kapitals“ (Band 2, MEW 24) und den „Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion“ (Band 3, MEW 25). Beide Bände hat Marx zu Lebzeiten nicht mehr fertig gestellt. Engels hat sie posthum aus Manuskripten von Marx zusammengestellt und veröffentlicht.

  25. 25.

    Vgl. zu den historischen Ereignissen ausführlich das klassische zeitgenössische Werk von Prosper Olivier Lissagaray „Geschichte der Kommune 1871“. Der Kommunarde Lissagaray wäre beinahe zum Schwiegersohn von Karl Marx geworden. Marx untersagte allerdings (erfolgreich) die Liaison zwischen seiner jüngsten Tochter ‚Tussy‘ und dem deutlich älteren französischen Sozialisten.

  26. 26.

    Vgl. hierzu auch den Text Die angeblichen Spaltungen der Internationale, MEW 18 sowie Mehring 1964, S. 435 ff. und Wheen 2001, S. 401 ff.

  27. 27.

    Im Vorwort zur Veröffentlichung 1891 erläuterte Engels, dass er den Text leicht überarbeitet und „einige persönlich scharfe Ausdrücke und Urteile“ weggelassen habe. Die „stellenweise heftige Sprache“ aus dem Jahr 1875 sei u. a. dadurch provoziert gewesen, dass „wir damals, kaum zwei Jahre nach dem Haager Kongreß der Internationale, im heftigsten Kampf mit Bakunin und seinen Anarchisten [lagen], die uns für alles verantwortlich machten, was in Deutschland in der Arbeiterbewegung geschah; wir mussten also erwarten, dass man uns auch die geheime Vaterschaft dieses Programms zuschob“ – das man daher umso heftiger kritisieren musste (MEW 22, S. 91).

  28. 28.

    Freilich gab es auch immer wieder Versuche, die beiden Strömungen zu versöhnen, vgl. beispielhaft Guérin (1992).

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Artus, I. (2014). Leben und Werk von Karl Marx im historischen Kontext. In: Marx für SozialwissenschaftlerInnen. Studienskripten zur Soziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18865-2_2

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