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Kasachstanische Herrschaftsstrategien und rentenbegünstigte Machtkonsolidierung

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Zusammenfassung

In der 1997 veröffentlichten nationalstaatlichen Zukunftsvision ‚Kasachstan 2030‘ argumentiert Nazarbaev, dass für die Errichtung eines professionellen Staates verschiedene und an die entwicklungspolitischen Prioritäten angepasste politische Strategien entwickelt werden müssen. Diese sollen vor allem an Kriterien wie Nachhaltigkeit und Effizienz ausgerichtet sein (Nazarbaev 1997).

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Notes

  1. 1.

    Die Priorität der innenpolitischen Stabilität wird in einem Atemzug mit der Konsolidierung der Gesellschaft genannt und in erster Linie auch in diesem Kontext verstanden. Es geht hierin um die Überwindung der Multiethnizität sowie Multireligiosität; ein Erbe, das Kasachstan aus Sowjetzeiten mit sich trägt. Die nationalstaatliche Identität steht also im Vordergrund. Politische Stabilität verstanden im Sinne der Arbeit wird vielmehr im Kontext der Priorität ‚professionelles Staatswesen‘ thematisiert.

  2. 2.

    Die gesamte Strategie sowie auch folgende Entwicklungsstrategien intendieren eine machtssichernde Leseart. In allen Strategien wird auf der Basis der sicherheitspolitischen Notwendigkeit und zur Wahrung der innenpolitischen Stabilität auf die Unabdingbarkeit einer starken Führung und einer einzelnen Kontrollinstanz, die alle Ministerien, regionalen Verwaltungen etc. beaufsichtigt verwiesen.

  3. 3.

    Ašimbaev verwendet zur Unterscheidung der einzelnen politischen Generationen ebenfalls einen Begriff der sich etymologisch an den Namen des staatlichen Stipendiums anlehnt. So bezeichnet er einen Teil der jungen Generation als Bolašakovzev, allerdings ist dieser Begriff bei ihm nicht wertneutral, vielmehr sind die so genannten Bolašak-Absolventen für ihn Bestandteil der „presidentskij resurs“, also der ‚menschlichen‘ Ressourcen des Präsidenten, über die er innerhalb neopatrimonialer Strukturen verfügen kann (Ašimbaev 2011).

  4. 4.

    Die Begriffe stehen für die Proteges der einzelnen einflussreichen Personen der gegenwärtigen Machtelite; im Einzelnen verwiesen wird somit auf Günstlinge des Premierministers Karim Masimov, des Chefs des staatlichen Wohlfahrtsfonds Samruk-Kazyna, Kairat Kelimbetov sowie Proteges der Kulibaev-Gruppe. Die Bezeichnungen sind im Originalzitat in Anführungsstriche gesetzt.

  5. 5.

    Die Partei Alga! Wird 2004 unter dem Namen Volkspartei Demokratische Wahl Kasachstan (Narodnaja Partija Demokratičeskij vybor Kasachstana – NP DVK) gegründet. Im darauf folgenden Jahr ändert die Partei ihren Namen zunächst in Algha! DVK und dann in Algha!. Allerdings ist sie seit 2005 nicht mehr offiziell registriert. Vladimir Kozlov ist Gründungsmitglied der NP DVK und seit 2005 Vorsitzender von Algha!.

  6. 6.

    Ebenso als einflussreiches und langjähriges Mitglied der alten Garde kann Kanat Saudabaev gewertet werden. Auch er gehört zu den politischen Aktivisten der ersten Stunde, die sich vornehmlich aus den Reihen der Parteigenossen von Nazarbaev rekrutieren. Als bevollmächtigter Vertreter der KSSR in der Sowjetunion beziehungsweise Russland begleitet er aktiv den Unabhängigkeitsprozess Kasachstans von 1991–1992. Danach ist auch er im Rahmen des diplomatischen Dienstes, als Büroleiter des Premierministers oder als Außenminister immer im Einflussbereich des Präsidenten. Er gehört ebenso wie Abykaev und Nazarbaev der Älteren Horde an und stammt aus der Region Almaty (vgl. Appendix 1).

  7. 7.

    Auch Tokaev gehört zu den einflussreichsten Vertretern der kasachstanischen Machtelite seit Beginn der Unabhängigkeit. Bereits in der Sowjetunion gehört er zur diplomatischen Elite. Seine Tätigkeit als hochrangiger Mitarbeiter in den sowjetischen Botschaften in Singapur und China in der Perestrojka-Phase ebnen ihm den Weg ins kasachstanische Außenministerium, dessen Vorsitz er von 1994–1999 und von 2002–2007 übernimmt (Ashimbaev 2008, vgl. auch Appendix). Im Sommer 2010 veröffentlicht er ein Buch, das seine Loyalität gegenüber dem Präsidenten signifikant verdeutlicht beziehungsweise verdeutlichen soll. Das Buch „On delaet Istoriju“ (Übersetzung der Autorin: Er schreibt Geschichte) beinhaltet eine Reihe von Essays, die vor allem eines sind: eine Hymne auf den ersten Präsidenten, Nursultan Nazarbaev (Liter 2010).

  8. 8.

    Laut Marat Yermukanov ist Masimov eher als Marionette (docile doer) zu bezeichnen, der kein eigenes Programm mitbringt, sondern lediglich als verlängerter Arm des Präsidenten fungiert. Darüber hinaus sei die Ernennung des noch weitgehend Unbekannten selbst für den engsten Kreis um Nazarbaev eine Überraschung gewesen; als Nachfolger Achmetovs sind bis dato eher Adilbek Džaksybekov (zum damaligen Zeitpunkt Leiter der Präsidialverwaltung), Aleksandr Pavlov (Stellv. Vorsitzender der Partei Nur Otan) oder auch erneut Imangali Tasmagambetov (Akim von Almaty) gehandelt worden (Yermukanov 2007).

  9. 9.

    In diese Reihe können auch Nurlan Bal’gimabev und Bulat Utemburatov eingeordnet werden (siehe auch Olcott 2002 und Schatz 2004). Beide stammen ebenfalls aus der westlichen Region Kasachstans und sind langjährige Vertraute des Präsidenten. Bal’gimbaev gilt als einflussreicher Neftjanik, der neben seinem langjährigen Vorsitz von Kazakhoil auch immer wieder in politischen Ämtern vertreten ist; Utemburatov ist ausschließlich Politiker und seit Beginn der 1990er Jahre an der Seite des Präsidenten (vgl. Appendix 1 sowie Kapitel IV). Darüber hinaus gilt er laut der Forbesliste als persönlicher Finanzverwalter der Präsidenten und gehört zu den reichsten Menschen Kasachstans (Forbes Liste 2008).

  10. 10.

    Im Fortlauf dieses Kapitels wird im Rahmen der Pazifizierungsstrategie knapp auf die Funktionen seiner Schwester und seines Schwagers eingegangen.

  11. 11.

    Ausführlich zur Stellung des Amtes des Akim im Mächteverhältnis zwischen Zentrum und Peripherie siehe Junisbai (2010).

  12. 12.

    Tasmagambetov verfasst in der Zeit zwischen 1995 und 1999 mehrere politische und wissenschaftliche Arbeiten, die sich vorrangig mit der sozioökonomischen Entwicklung des Landes befassen. Darunter sind auch einen Vielzahl an Schriften, die die Entwicklung im Bildungs- und Gesundheitssektor im Blick haben und fern der Interpretation, die aus den absoluten Zahlen des Staatsbudgets der Jahre 1995–1999 auf der theoretische strategische Ebene nahe legen. Im nachstehende Kapitel zur Pazifizierungsstrategie wird näher auf die hier angedeutete Diskrepanz zwischen theoretischer Beschäftigung und tatsächlich stattfindender Sozialpolitik eingegangen; an dieser Stelle sollen nur kurz einige Werke aufgezählt werden: “Education reform – strategic course of renovation of Kazakhstan society” (1995, 1997); “Health and public health of Kazakhstan: 1965–1995” (1996); “Politics of social dependency and crisis of the state”, “Nature and typology of social policy” (1997); “The results of reforming of social sphere in 1996 and basic priorities and objectives of the Ministry of Education and Culture of the Republic of Kazakhstan in 1997” (1997) – näheres siehe Internetseite der Stadt Astana.

  13. 13.

    Laut Olcott muss die Regierungsumbildung unter Tokaev in der Zeit von 1999–2002 in erster Linie als Wiederherstellung stabiler personeller Herrschaftsverbindungen gewertet werden. Dies leitet sie vor allem aus der Entlassung einer Reihe von so genannten Jungtürken beziehungsweise jungen Unternehmern, die sie aber nicht weiter benennt, her (Olcott 2002). In der während dieser Arbeit entwickelten Systematik ist die von Olcott benannte Gruppe innerhalb der Generation Perestrojka wiederzufinden. Ein Blick auf die Zusammenstellung der Ministerämter zeigt, dass Olcott mit ihrer Einschätzung – zumindest für die ersten Reihen – etwas weit greift. In dieser Interpretation kann vorzugsweise die Absetzung des Premierministers Nurlan Bal’gimbaev, ein ausgewiesener Neftjanik, durch Tokaev gelesen werden, darüber hinaus handelt es sich aber eher um eine Umstrukturierung der personellen Besetzungen von Mitgliedern der Generation Apparatčik. So bleiben strategisch bedeutende Ministerien wie das Ministerium für Energie und mineralische Ressourcen oder das Ministerium für Industrie und Handel unter der Kontrolle von Vladimir Školnik, eines langjährigen Vertrauten des Präsidenten. Ebenso sind die Leitung der Präsidialverwaltung (Sarybaj Kalmurzaev) und der Vorsitz des KGBs (Alnur Musaev) mit langjährigen Getreuen des Präsidenten besetzt. Die einzige Entlassung, die tatsächlich als Degradierung zu verstehen ist, ist die von Sauat Mynbaev (Generation Perestrojka) vom Finanzminister zum Agrarminister (siehe Appendix 2). Allerdings ist die Amtszeit Tokaevs von den politischen Unruhen der jungen wirtschaftlichen Machtelite geprägt, die in den Jahren zuvor in die Reihen der Macht kooptiert wird. Eine Neubesetzung von Tokaev, die dieser Entwicklung und auch der Einschätzung Olcotts entspricht, ist die Besetzung von Oraž Žandosov als rechte Hand des Premierministers. Die Rolle von Žandosov wird im Rahmen der Repressionsstrategien noch behandelt werden.

  14. 14.

    Interview mit Mitarbeitern der Friedrich-Ebert-Stiftung Almaty, März 2011.

  15. 15.

    Übersetzung der Autorin; im englischen Original heißt es „jockeying for position“ (Brauer 2010).

  16. 16.

    Zur Identifikation der kasachstanischen Machtelite verwendet Cummings den Reputationsansatz, den sie wiederum durch Expertenbefragungen verifiziert. Ihre Ergebnisse basieren zum einen auf repräsentativen Umfragen in der kasachstanischen Bevölkerung, die vom kasachstanischen Institut für Strategische Studien durchgeführt werden.

  17. 17.

    In der Auflistung von Junisbai fehlt wiederum ein Großteil der hier diskutierten Personen, trotz dessen sie ihnen eine hohe politische Bedeutung zumisst. Da ihr Analysefokus aber auf den so genannten FIGs liegt, schließt sie aufgrund empirischer Lücken zur wirtschaftlichen Vernetzung Imangali Tasmagambetov, Marat Tažin, Adilbek Džaksybekov, Kasym-Žomart Tokaev und Nurlan Bal’gimbaev aus ihrer Analyse aus (Junisbai 2010).

  18. 18.

    Seit Kims Verkauf von elf Prozent der Anteilspakete verfügt Samruk-Kazyna über 26 Prozent der Anteile; im Besitz von Vladimir Kim verbleiben seither nur noch 28 Prozent. Der Anteilskauf durch den Staat kann im Rahmen des bereits diskutierten Renationalisierungstrends gewertet werden. Während die Einflussnahme über die teilweise Besetzung des Direktoriums durch Vertraute und Familienangehörige des Präsidenten gesichert ist, versucht der Staat nun auch auf diesem Wege wieder Einfluss zu bekommen. Kleine Randnotiz: Im Zuge mehrerer Teilprivatisierungen verkauft der kasachstanische Staat im Zeitraum von 1992 bis 2002 das gesamte Unternehmen (siehe Internetseite der internationalen Kooperation).

  19. 19.

    Zwischenüberschrift in Anlehnung an den Buchtitel von Edward Schatz „Modern Clan Politics. The Power of ‚Blood‘ in Kazakhstan“ (Schatz 2004).

  20. 20.

    Nazarbaev ist das älteste der vier Kinder (Aitkin 2009).

  21. 21.

    Die Zeitschrift bezieht sich damit auf eine Umfrage, die nach den einflussreichsten, vermögendsten und charmentesten Geschäftsfrauen Kasachstans fragte.

  22. 22.

    Im Jahr 2010 haben Nurali und Dariga ihre Anteile an Sofia Sarsenova verkauft. Diese verfügt seitdem über 70 Prozent der Firmenanteile, siehe Angaben der Nurbank zu den Anteilseignern.

  23. 23.

    Kajrat Satybaldy heißt eigentlich mit Familiennamen ebenfalls Nazarbaev; allerdings lässt der diesen seit einigen Jahren weg und verwendet seinen Vatersnamen als Familiennamen.

  24. 24.

    Diese Verwandtschaftsthese ist inzwischen jedoch widerlegt worden. Eine Verwandtschaft zwischen den beiden Präsidenten kann nicht nachgewiesen werden; vielmehr hat wohl die Tatsache, dass die Mutter des kirgischen Präsidenten eine ethnische Kasachin aus der Region Almaty ist, zu dieser Annahme verleitet (Khamidov 2005).

  25. 25.

    Im Rahmen der kirgisischen Parlamentschaftswahlen im Mai 2005 treten sowohl Ajdar Akaev als auch seine Schwester Bermet Akaeva als Regionalvertreter zur Parlamentswahl an. Das Ergebnis der von vorne herein durch einen ausgeprägten Nepotismus gekennzeichneten Wahlen führt zum nachhaltigen Machtverlust der Familie Akaev, da sie im Zuge der Tulpenrevolution ins Exil flüchten muss.

  26. 26.

    Siehe offizielle Internetseite der Joint Stock Company National Company Kazakhstan Temir Žoly.

  27. 27.

    Die mittlere Tochter des Präsidenten hat anders als ihre ältere Schwester traditionellerweise den Namen ihres Mannes angenommen.

  28. 28.

    Die Auflistung der von Kulibaev kontrollierten Unternehmen stellt nur eine Auswahl dar, tatsächlich kommen noch Unternehmen im Mediensektor sowie im Lebensmittel- und Transportsektor hinzu. Eine genauere Auflistung findet sich bei Junisbai (2010) und Ostrowski (2009) sowie unter Berücksichtigung der zeitlichen Entwicklung bei Schatz (2004) und Schmitz (2003).

  29. 29.

    Interview mit Gaziz Myltykbaev, entscheidungsbefugter Mitarbeiter von CMAR (heute Kaznex) im November 2005 in Almaty.

  30. 30.

    Zur herrschaftsstrategischen Komponente der Privatisierungswellen siehe Ostrowski (2009).

  31. 31.

    Die Rolle der PSAs wird ausführlich bei Luong/Weinthal (2010) diskutiert.

  32. 32.

    Cummings kommentiert auf der quantitativen Ebene ein Übergewicht an politischen Akteuren aus dem Bereich Finanz- und Wirtschaftsmanagement sowie aus dem Bereich der Sicherheitsdienste. So sind von 296 analysierten Politikern in Almaty 44 Unternehmer, 66 Verwaltungsmitarbeiter, 52 aus Sicherheitsorganen und 44 entstammen aus mafiösen Verbindungen; ein ähnliches Bild zeichnet sich auch bei der in Astana untersuchten Gruppe (Tabelle 6 bei Cummings 2005, 52).

  33. 33.

    Weiterführend zur Frage der Professionalisierung von Machteliten siehe Katja Fettelschoß; diese setzt sich in ihrer Dissertation ausführlich mit dem Prozess der Professionalisierung postsozialitischer Machteliten am Beispiel der mittel- und osteuropäischen Ministerien auseinander (Fettelschoß 2009).

  34. 34.

    Der Privatisierungsprozess ist in zwei Gesetze eingebettet: Gesetz ‚Über Petroleum‘ (28. Juni 1995) und Gesetz ‚Über Baugrund und deren Verwendung‘ (27. Januar 1996). Die Regelungen zur Besteuerung der ausländischen Ölfirmen sind darüber hinaus im Steuergesetz von 2001 sowie in überarbeiteter Version von 2005 festgeschrieben.

  35. 35.

    Interview mit Gaziz Myltykbaev, entscheidungsbefugter Mitarbeiter von CMAR (heute Kaznex) im November 2005 in Almaty.

  36. 36.

    Pauline Luong und Erika Weinthal entwickeln im Kontext von Rentierstaatlichkeit ein Modell, das vier verschiedene Formen der Eigentumsregelung des Ressourcensektors analysiert: a) State Ownership with Control (S 1); b) State Ownership without Control (S2), c) Private Domestic Ownership (P1) und d) Private Foreign Ownership (P2). Kasachstan vollzieht somit in den 1990 er Jahren eine Entwicklung vom sowjetische vererbten Modell S1 über den anfänglich favorisierte Arrangement P1 hin zu einem Modell ohne staatliche Kontrolle und keiner nationalen Eignermehrheit (P2). Seit der Weltwirtschaftskrise ist ein rückläufiger Prozess konstatierbar, der wohl am Ehesten in Modell eingeordnet werden kann (Luong/Weinthal 2010). Ausführlicher zu den Verstaatlichungstendenzen der Ölindustrie unter dem Deckmantel privater Anteilseignerschaft siehe auch (Brauer 2008) sowie (Cutler 2010).

  37. 37.

    Ausführlicher zu der Verbindung von Eigentumsstrukturen im Ressourcensektor und dem nationalen Steuersystem siehe Luong/Weinthal (2010).

  38. 38.

    Dieses Vertrauen ist laut Ostrowski durch seinen Vorgänger Kadir Baikenov (siehe Appendix 1), der den Privatisierungsprozess in Frage stellt, erschüttert worden (Ostrowski 2009).

  39. 39.

    Allerdings kann Nazarbaev mit dieser Entscheidung nicht lange dem öffentlichen Druck standhalten und ermöglicht Balgimbaev die Rückkehr auf seinen vorherigen Posten als Präsident von Kazakhoil.

  40. 40.

    Die vermeintliche Degradierung Mynbaevs zum Agrarminister wird jedoch durch seine, wenn auch kurzweilige Tätigkeit als stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung wieder relativiert. Auch der weitere Karriereweg zeugt vom Einfluss der Kulibaev-Gruppe und einem Arbeitsverhältnis zwischen Mynbaev und dem Präsidenten, das auf Loyalität beruht (vgl. Abb. V.1 sowie Appendix 1 und 2).

  41. 41.

    Der Fall Abljazov wird ausführlicher im Rahmen der Repressionsstrategie diskutiert.

  42. 42.

    Im Zuge der Gebietsreform 1997 mit der Region Qaraghandy zusammengelegt.

  43. 43.

    Im Zuge der Gebietsreform 1997 mit der Region Ostkasachstan zusammengelegt.

  44. 44.

    Dieses Selbstverständnis wird auch im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vom damaligen Präsidentschaftskandidaten Alichan Bajmenov deutlich im Rahmen der informellen Wahlkampfveranstaltungen, organisiert von Nurbulat Masanov, im November 2005 vorgetragen.

  45. 45.

    Sergej Duvanov, der im Zuge der politischen Unruhen als Journalist verhaftet und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, bezeichnet diesen Oppositionellen-Typus als rein opportunistisch. Interview mit Sergej Duvanov im November 2005 in Almaty. Eine ähnliche Einschätzung der Gegenelite gibt auch Erkin Tukumov, in dem er die Reformbewegung als Altruisten bezeichnet, die zwar eine Neuverteilung der Macht fordern, jedoch das Präsidentenamt als Garant für Stabilität und Ordnung beibehalten wollen. Interview mit Erkin Tukumov im November 2005 in Almaty.

  46. 46.

    Positionen der ehemaligen Vertreter der politischen Machtelite zum Zeitpunkt der Parteigründung und kurz davor (vgl. Tab. V.2 sowie Appendix 1 und 2).

  47. 47.

    Somit wird Premierminister Tokaev zum Außenminister ernannt; sein Vorgänger, Erlan Idrisov wird kurzeitig dessen Stellvertreter und wechselt dann zurück in den diplomatischen Dienst; der ehemalige Finanzminister Esenbaev wird Minister für Wirtschaft und Budgetplanung; sein Vorgänger wiederum, Žaksybek Kulekeev wird nach einer kurzen Pause als Leiter des nationalen Rechnungskomitees Minister für Bildung und Wissenschaft. Dieser Um- und Neubesetzungen geht – wie oben geschildert – die Welle der Entlassungen im Zuge der DVK im November 2001 voraus. Innerhalb dieser Entlassungswelle werden der Minister für Arbeit und Soziales, Alichan Bajmenov, der erste stellvertretende Premierminister, Oraz Žandosov, sowie die stellv. Verteidigungsministerin, Žannat Ertlesova, und einen Monat später auch der Verteidigungsminister, Sat Topkakbaev, entlassen (vgl. Appendix 1 und 2).

  48. 48.

    Die oppositionelle Partei Ak Žol, die zunächst die treibende Kraft der innenpolitischen Unruhen von 2001 bis 2005 ist, zerstört ihre Wirkungskraft – wie so oft in postsowjetischen Transformationssystemen – aus sich selbst heraus. Teilweise bedingt durch das geschickte Taktieren der herrschenden Elite, einschließlich des Verbots der DVK, spaltet sich die Bewegung kurz vor den strategisch so bedeutenden Präsidentschaftswahlen im Dezember 2005, in Ak Žol und Naghyz Ak Žol. Während die Gründungspartei um Alichan Bajmenov durch diese Spaltung und darauf folgende Allianzen mit dem propräsidentiellen Lager in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet, versteht sich die Splittergruppe, gegründet von – erneut – Oraz Žandosov, Bulat Abilov und Altynbek Sarsenbaev (ermordet im Februar 2006) weiterhin als radikale Opposition (Bowyer 2008).

  49. 49.

    Die einzelnen beruflichen Etappen von 1995 bis 2011 sind in Appendix 1 festgehalten.

  50. 50.

    Ein ausführliches Programm, das der Arbeit von Ak Žol im Rahmen der Kommission zugrunde liegt, ist auf der offiziellen Internetseite der Partei veröffentlicht.

  51. 51.

    So wird die Bevölkerung aufgefordert, ihre Ansichten und Ideen zum Reformvorhaben in die Meinungsboxen, die in öffentlichen Gebäuden aufgestellt sind, zu werfen. Die Autorin hat die Medienberichterstattung im Zuge einer Forschungsreise im März 2007 verfolgt.

  52. 52.

    Neben den Debatten im Rahmen der Kommission findet eine Reihe von Diskussionsrunden, unter anderem an der Akademie der Wissenschaften in Almaty statt, in denen ausgewählte Vertreter der wissenschaftlichen Elite die Initiative des Präsidenten diskutieren. Die Autorin hat mit Hilfe der FES Almaty an einer solchen Veranstaltung im März 2007 teilgenommen und inoffizielle Gespräche mit einzelnen Teilnehmern geführt. Dabei ist deutlich geworden, dass trotz zuvor gehaltener Lobreden auf das präsidiale Reformvorhaben, einige (wenige) Teilnehmer die herrschaftsstrategische Intention der Verfassungsänderung wahrnehmen und kritisieren. Die Gesprächspartner wollten jedoch anonym bleiben.

  53. 53.

    Die Einleitung entstammt aus einem Beitrag, veröffentlicht in der Zeitung Kazakhstan Today im November 2007. Dieser Beitrag ist ein Pamphlet für die demokratisch rechtschaffende Arbeit des Präsidenten und der Partei Nur Otan.

  54. 54.

    Mit dem neuen Wahlgesetz werden Wahlbündnisse verboten; somit ist jede Partei auf sich gestellt. Die Präsidentenpartei Nur Otan hat die potentiell negativen Auswirkungen der zukünftige Regelung bereits im Vorfeld 2006 umgangen, indem sie mit den propräsidentiellen Parteien Asar und der Agrarpartei fusioniert.

  55. 55.

    Siehe auch Gesetz Nr. 267 vom 2. Juli 1998 ‚Über die Bekämpfung der Korruption‘ (online abrufbar auf der Internetseite von Transparency Kazakhstan).

  56. 56.

    Am 14. April 2005 erlässt Präsident Nazarbaev ein Dekret über die Maßnahmen zur Stärkung der Korruptionsbekämpfung, auf dessen Basis wiederum das zweite staatliche Anti-Korruptionsprogramm 2006–2010 verabschiedet wird.

  57. 57.

    Interview mit der Beraterin von Alichan Bajmenov, Žanna Nauryzbaeva, im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im November 2005 in Almaty.

  58. 58.

    Interview mit Anton Artemov von der Soros-Foundation Kazakhstan im November 2005 in Almaty. Darüber hinaus fließen in diese Bewertung die Eindrücke eines Rundtisches mit ein, an dem die Autorin ebenfalls im November 2005 in Almaty teilgenommen hat. Auf diesem Treffen diskutierten Vertreter regionaler NGOs und Verwaltungen über mehr Transparenz der lokalen Haushalte.

  59. 59.

    Alnur Musaev ist über mehrere Jahre hinweg Leiter des Geheimdienstes und enger Verbündeter von Rachat Aliev. Darüber hinaus ist Musaev ein Vertreter der ehemaligen KGB-Elite, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den Staatsdienst wechseln (vgl. Appendix 1).

  60. 60.

    Kažegeldin ist neben der Reformierung des Wirtschaftssystems auch für eine Vielzahl von strukturellen Reformen zuständig (zum Beispiel die Verringerung der Anzahl der Ministerien von 20 auf 14 sowie die Verringerung der staatlichen Komitees von zwölf auf zwei im März 1997), die die Arbeit des Staatsapparates effektiver gestalten sollen (Cummings 2002).

  61. 61.

    Es wurde bereits in Kapitel 4 darauf hingewiesen, dass er damit den späteren Premierminister, Danial Achmetov, von der Funktion des Akim verdrängte. Die Ernennung zum Akim der Region Pavlodar muss vor dem Hintergrund der dort befindlichen Ölraffinerie nicht zwangsläufig als Abstieg gewertet hin, denn, wenngleich es formal ein Karriereeinschnitt bedeutet, bietet die Leitung der Regionalverwaltung einer ölreichen Region durchaus Einflussmöglichkeiten.

  62. 62.

    Kažegeldin wird von Nurlan Balgimbaev im Amt abgelöst, der – wie bereits in Kapitel V.2 erwähnt – Gegner der Privatisierungspolitik und kurz vor seiner Ernennung zum Premierminister Vorsitzender von Kazakhoil ist. Als er diesen Posten für das Regierungsamt verlässt, übernimmt sein Schwiegersohn, Baltabaek Kuandykov, den Vorsitz des Ölunternehmens (vgl. Appendix 1).

  63. 63.

    Von Gumppenberg berichtet von der Perfidität des staatlichen Vorgehens; so werden vereinzelte Mitglieder sogar in ihren Wohnungen eingemauert, damit sie nicht zu Wahlkampfveranstaltungen gehen können (von Gumppenberg 2002).

  64. 64.

    In der Zwischenzeit ist er hauptsächlich auf wirtschaftlicher Ebene engagiert. So ist er Mitglied im Direktorium der kasachstanischen Fluggesellschaft Ėir Žoly sowie im Direktorium der Temirbank vertreten.

  65. 65.

    Nurkadilov und Sarsenbaev wechseln circa 2004 in die Gegenelite (vgl. Appendix 1). Im November 2005 begeht Nurkadilov angeblich Selbstmord; Sarsenbaev wird im Februar 2006 zusammen mit seinen zwei Leibwächtern brutal niedergeschossen; die Leichen werden in seinem Auto gefunden.

  66. 66.

    Laut Olcott sind Mitte der 1990er Jahre rund 75 Prozent der Medien in privater Hand (Olcott 2002).

  67. 67.

    Der Index für Pressefreiheit wird von der Organisation Reporter ohne Grenzen herausgegeben. Demnach ist Kasachstan mit Indizierungsbeginn 2002 durchgehend auf den hinteren Plätzen angesiedelt: 2000 Platz 116 (von 139); 2003 Platz 138 (von 166), 2004 Platz 131 (von 166), 2005 Platz 119 (von 167), 2006 Platz 128 (von 168), 2007 Platz 125 (von 169), 2008 Platz 125 (von 173), 2009 und 2010 Platz 162 (von 178), Näheres siehe offizielle Internetseite von Reporter ohne Grenzen.

  68. 68.

    Interview mit Oksana Makušina im November 2005 in Almaty.

  69. 69.

    2001 eröffnete die US-Regierung ein Korruptionsverfahren gegen James Giffen, einen amerikanischen Geschäftsmann, der beschuldigt wurde mehrere Millionen US Dollar Bestechungsgeld an den kasachstanischen Präsidenten und hochrangige Regierungsvertreter gezahlt zu haben (siehe ausführlich zum Kazakhgate oder auch Fall Giffen bei EurasiaNet 2007, LeVine 2010).

  70. 70.

    Taldykorgan ist ungefähr 350 km von Almaty entfernt, gehört aber noch zur regionalen Verwaltungseinheit Almaty. Mit der Auslagerung des Verfahrens wird vor allem die Anwesenheit von Freunden und Vertretern der Gegenelite bezweckt.

  71. 71.

    Seine Freiheitsstrafe verbüßte er bis zu seiner vorzeitigen Entlassung in der Strafkolonie Zarečnoe, in der Nähe von Almaty.

  72. 72.

    Interview mit Sergej Duvanov im November 2005 in Almaty.

  73. 73.

    Die Wochenzeitung wird in den letzten Jahren aufgrund von regelmäßigen Schließungen inklusive Lizenzentzug mehrmals umbenannt. Frühere Namen sind unter anderem: SolDat und Juma-Times (Olcott 2002).

  74. 74.

    Die Zusammenstellung der Repressionserscheinungen basiert auf dem Interviews mit Oksana Makušina im November 2005 in Almaty.

  75. 75.

    Auch Muftah erliegt den tödlichen Folgen eines Autounfalls kurz nachdem er Altynbek Sarsenbaev und Zamanbek Nurkadilov, zwei ehemalige Mitglieder der politischen Machtelite und seit 2003 Mitglieder der Gegenelite. Beide sterben im Umfeld der Präsidentschaftswahlen 2005.

  76. 76.

    Wörtliche Übersetzung durch die Autorin.

  77. 77.

    Die Autorin bezieht sich hierbei auf Interviews, die im Rahmen von ihr geleiteter studentischer Exkursionen nach Belarus 2006 und 2008 geführt wurden. Darüber hinaus kann das Bild auch durch Interviews mit Journalisten in Aserbaidschan im März 2006 bestätigt werden.

  78. 78.

    Interview mit Sergej Duvanov; Interview mit Oksana Makušina, jeweils im November 2005 in Almaty.

  79. 79.

    Verkürzte Übersetzung der Autorin.

  80. 80.

    Siehe SIPRI (2010).

  81. 81.

    Auf der Basis dieses in der Verfassung niedergeschriebenen sozialpolitischen Anspruches wird die Sozialpolitik in der Sowjetunion im Kontext des Wohlfahrtsstaat-Ansatzes analysiert (Aidukaite 2004, Cerami 2006, Schmid 2006).

  82. 82.

    Dazu zählen auch staatlich organisierte, kontrollierte und subventionierte Freizeit- und Erholungsangebote.

  83. 83.

    Darunter wird vor allem das ideologisch basierte Konzept der Vollbeschäftigung gefasst. Sozialpolitik sollte im Wesentlichen zur Entfaltung der wirtschaftlichen Produktivkräfte beitragen (Schmidt 2005).

  84. 84.

    Ähnliche Bezeichnungen finden sich bei Titmus und Aidukiate, die im Kontext des sowjetischen Wohlfahrtssystems entweder vom ‚leninist welfare state‘ (Titmus 1963) oder ‚authoritarian welfare state‘ (Aidukaite 2004) sprechen.

  85. 85.

    Der Begriff wurde in den 1960er Jahren von Josef Novak (1969) geprägt.

  86. 86.

    Diese machtstrategischen Überlegungen sind bereits Bestandteil der kommunistischen Bewegung im ausklingenden Zarenreich um die Jahrhundertwende: Mit ihren sozialpolitischen Forderungen versuchen kommunistische Politiker die Bindung des Proletariats an die sozialistische Idee voranzutreiben (Beyme 1986).

  87. 87.

    Diese Transformationsprobleme sind kein Einzelphänomen, sondern sind in allen sozialistischen Transformationsländern anzutreffen, siehe dazu Lawrence (2004).

  88. 88.

    Diese entwicklungspolitische Verbindung wird auch im Rahmen eines anonym veröffentlichten Beitrags bei EurasiaNet.org hergestellt. Hier behauptet der Autor, dass das Ansteigen der machtpolitischen Querelen ein Zeichen für die Stabilisierung der Wirtschaft ist. Im Zuge der verbesserten ökonomischen Lage würde sich die Elite stärker auf das politische Feld konzentrieren und um Einfluss ringen (EurasiaNet 2002).

  89. 89.

    So arbeitet er für das Fallbeispiel DDR heraus, dass beispielsweise die Klassenkampffunktion vor allem in den Jahren der Sowjetisch-besetzten-Zone (SBZ) sowie in den ersten Jahren der Eigenstaatlichkeit bis 1960 unter dem Motto „Schaffung der Grundlagen des Sozialismus“ eine erhebliche Rolle gespielt hat. In der darauffolgenden Zeit verschiebt sich die Gewichtung hin zur Ökonomiefunktion und eine gezielte Politik der Preissubventionen als Instrument zur Stabilisierung der Herrschaft sind strategischer Bestandteil von Sozialpolitik (Schmidt 2005, 27).

  90. 90.

    So muss die Verdrängung der russischen Sprache als Bildungssprache unabdingbar in den Kontext der kasachischen Identitätsfrage eingeordnet werden (Fierman 2006).

  91. 91.

    Technische Anmerkung der Autorin: Die Daten zu den Staatsausgaben werden für den Zeitraum 1991–2000 größtenteils als Anteil vom BIP wiedergegeben. Dies ist unumgänglich, da für diesen Zeitraum keine absoluten Zahlen öffentlich zugänglich sind. Für die dann folgenden Jahre kann jedoch auf absolute Zahlen zurückgegriffen werden; die angegebenen Prozentzahlen sind von der Autorin gemessen an den gesamtstaatlichen Ausgaben berechnet worden (vgl auch Methoden der Datenerhebung in Kapitel III).

  92. 92.

    Der in der Abbildung verwendete Begriff “social service” umfasst sowohl Leistungen der Sozialversicherungssysteme als auch die reinen bedarfsorientierten Sozialhilfen, auf die jeder Staatsbürger Anrecht hat.

  93. 93.

    Emily Andrews nennt als Grund für das verhältnismäßig geringe Protestlevel die parallele Legitimierung der Reformen über die Jahresbotschaften (Andrews 2001). In der Tat scheinen derlei ‚vertrauensbildende‘ Maßnahmen des Präsidenten, die den Eindruck einer entwicklungspolitischen nationalen Vision erwecken, um ein Vielfaches legitimatorischer zu wirken als vergleichsweise die Monetarisierungspolitik des russischen Präsidenten Putin 2005. Hier provozierten die radikalen Einschnitte massive Straßenproteste von Rentnern und anderen betroffenen Gruppen (Fruchtmann 2006). Das herrschaftsdestabilisierende Potential ist im russischen Kontext demnach direkt deutlich geworden.

  94. 94.

    An dieser Stelle findet sich nur eine Auswahl der Reformen und Gesetze; ausführlicher dazu siehe UNDP/ILO 2003.

  95. 95.

    Auch in Aserbaidschan wird eine so genannte „Targeted social assistence“ eingeführt, siehe auch: Fan/Habibov 2008.

  96. 96.

    Dieses Modell zur Reformierung des Pensionssystems ist von der Weltbank konzipiert. Ausführlicher zum Chilenischem Modell siehe Barrientos 1998; Raczynski 1994 und 1997.

  97. 97.

    Trotz der Ineffizienz blieben die Rentensysteme während der ersten Unabhängigkeitsjahre in den meisten GUS-Ländern unangetastet (Fajth 1999). Als Grund dafür können zum einen das oftmals fehlende wirtschafts- und finanzpolitische Potential, zum anderen aber auch die breite politische Unbeliebtheit der Rentenreformen und das bereits erwähnte wahltaktische Kalkül gegenüber den Rentnern angeführt werden (siehe Proteste der Rentner in Russland im Zuge der Putin’schen Monetarisierungspolitik, Fruchtmann 2004). Dringende Entscheidungen über eine Verbesserung oder sogar Abschaffung des postsowjetischen Versicherungssystems und die Einführung eines pflichtmäßigen Rentensparsystems werden weitestgehend vertagt (Matthes 2004).

  98. 98.

    Hier ein kleines Zahlenbeispiel: Die arbeitslosen, obdachlosen und/oder drogenabhängigen Spender erhalten für ihr Blut von der regionalen Blutbank weniger als einen US Dollar; die Ärzte und Krankenschwestern wiederum verlangen von den Eltern circa zehn US Dollar. Da die Transfusionen in den meisten Fällen unnötig sind, müssen sie nicht abgerechnet werden, so dass die Differenz in die schwarzen Kassen der Beteiligten fließt. Das Ausmaß der Korruption und Illegalität potenziert sich noch dadurch, dass oftmals mehrere (unnötige) Bluttransfusionen bei Kindern angeordnet werden, für die einzeln gezahlt werden muss. Darüber hinaus wird diese Praktik auf äußerst perfide Art nur bei kranken Kindern angewendet, da die besorgten Eltern uneingeschränkter zahlungswillig sind. Setzt man dem Profitpotential die monatliche staatliche Entschädigung in Höhe von 70 US Dollar entgegen, so erscheint es marginal.

  99. 99.

    Viele Kinder bekommen nicht nur eine, sondern gleich mehrere Transfusionen, die jeweils einzeln bezahlt werden müssen. Im Zuge dieser Transfusionen werden circa 120 Kinder infiziert, von denen zehn Kinder sterben. Ausführlicher zum HIV-Skandal und dem damit zusammenhängenden Gerichtsverfahren siehe RFE/RL (2007) sowie International Herald Tribune (2007).

  100. 100.

    Auch wenn in diesem Kapitel nicht von vorrangigem Interesse, so soll doch eine Skizze der personellen Konsequenzen aus neopatrimonialer Analyseperspektive gegeben werden: Der damalige Gesundheitsminister, Erbolat Dosaev, wird durch Anatolij Dernovoj ersetzt, der seit 1996 Leiter des Medizinischen Zentrums der Präsidialverwaltung und somit ein enger Vertrauter des Präsidenten ist. Der Akim der Region Südkasachstan wird durch Umirzak Šukeev ausgewechselt. Dieser gehört ebenso zum engeren Kreis um Nazarbaev: direkt vor der Übernahme des Gouverneuramtes ist er zwei Jahre Akim der Hauptstadt Astana, während er 1998 beispielsweise stellv. Leiter der Präsidialverwaltung war. Seit März 2009, und somit in direktem Anschluss an seine Tätigkeit als Akim der Region Südkasachstan hat er die Position des so genannten ersten stellv. Premierministers inne (vgl. Appendix 1).

  101. 101.

    An dieser Stelle muss auf die Unterschiedlichkeit der empirischen Daten verwiesen werden. Allein die offiziellen Daten von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die hier verwendeten Daten von UN-Institutionen offenbaren erhebliche Unterschiede, die teilweise zu anderen Ergebnisse in der Bewertung führen würden. So geht die WHO im „Health Profile“ zu Kasachstan von einem prozentualen Anteil der Gesamtausgaben im Gesundheitssektor gemessen am BIP von beispielsweise 4,6 für das Jahr 1995 aus, wohingegen das UNDP für Kasachstan nur 3,0 Prozent errechnet (WHO Kazakhstan Health Profile 2010, UNDP/UNFPA 2005, siehe auch Abb. V.8). In den folgenden Jahren verstetigt sich die Diskrepanz, so dass beispielsweise für das Jahr 2004 die WHO 3,8 Prozent, das UNDP für Kasachstan jedoch nur 2,4 Prozent angibt. Aufgrund der Einheitlichkeit mit den Daten zu den anderen hier analysierten Feldern der Sozialpolitik, werden die Daten, die sich auf Staatsausgaben beziehen von den UN-Institutionen als Ausgangspunkt für die Argumentation herangezogen und mit den eigenen Berechnungen anhand der absoluten Zahlen vergleichen.

  102. 102.

    Private Anbieter im Bereich der Gesundheitsversorg sind bereits seit 1991 amtlich zugelassen. Ihnen gehören mehrheitlich Apotheken und private Arztpraxen. Darüber hinaus wächst aber auch die Anzahl von Privatkliniken (Nuttall 2008) Der Großteil der medizinischen Infrastruktur bleibt jedoch vorerst in staatlicher Hand, wobei dies die Versorgung in ländlichen Gegenden ausschließt; hier wird vornehmlich durch das traditionelle Amt der HeilerInnen medizinische Versorgung gewährleistet (Müller 2003). Allerdings ist der Trend zum Ausgliedern der medizinischen Verwaltung in die Hände privater Unternehmen zu beobachten.

  103. 103.

    Das Programm in Höhe von $ US 300 Millionen wird mit einem Anteil von $ US 178 Millionen zu 70 % vom kasachstanischen Staat getragen, die Weltbank bestreitet den Rest in Höhe von $ US 118 Millionen (Nuttall 2008).

  104. 104.

    Diese Reform ist ein gemeinsames Projekt der Republik Kasachstan und der International Bank for Reconstruction and Development (IBRD). Detaillierter zu den Kernelementen des Reformprojektes siehe Loan Agreement (2008).

  105. 105.

    In Zusammenarbeit mit der WHO existieren ähnliche co-finanzierte Entwicklungsprogramme: ‚Agreement for collaboration for 2008–2013’ sowie – spezifiziert und aktuellpolitisch – das ‚Biennal Collaborative Agreement between the Ministry of Health of Kazakhstan and the Regional Office for Europe of the World Health Organization 2010–2011’.

  106. 106.

    Das zentrale Anliegen von Silova geht über diese Punkte hinaus. So versucht sie auf der Basis dieser transformationsbedingten Situation des Bildungssektors das Hinwenden zu einem komplexen System privater Nachhilfe, die zum einen die Defizite des staatlichen Schulsystems ausgleicht und zum anderen auf höhere private Bildungseinrichtungen vorbereitet beziehungsweise dort fortführend teilweise von den Universitäten selbst angeboten wird (Silova 2009).

  107. 107.

    Vergleichsweise dazu: die ressourcenarmen postsowjetischen Staaten wie die Ukraine (4,2 %) oder Belarus (6 %) können einen höheren Anteil an Staatsausgaben (% vom BIP) im Bildungssektor verzeichnen (UNDP Kazakhstan 2005).

  108. 108.

    Diese Fonds haben den Zweck Schulkleidung, Schulbücher, Schulverpflegung, aber auch der den Aufenthalt in Zeltlagern und sowjetisch vererbten Sanatorien zu finanzieren (UNDP Kazakhstan 2004).

  109. 109.

    Korruption im Bildungssektor ist ein tiefgreifendes Problem. Vor allem Bestechungsgelder für Examina sind landesweit fast schon obligatorisch und variieren zwischen US $40–250 pro Prüfung; darüber hinaus ist aber auch das Lehrpersonal selbst von der existentiellen Notwendigkeit Bestechungsgelder zu zahlen betroffen. So wurde 2008 beispielsweise ein Schuldirektor angeklagt, US $ 1000 im Zuge eines von ihm geleiteten Bewerbungsverfahren genommen zu haben (Lillis 2008).

  110. 110.

    Kasachstan ratifizierte 1997 das Lissabonner Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region und ist seitdem bestrebt, über das Angleichen der nationalen Bildungsstrukturen international wettbewerbsfähig zu sein.

  111. 111.

    Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren allerdings ein wenig verlangsamt. Laut Angaben der UNOG im Kontext des staatlichen Programms ‚100 Schulen – 100 Krankenhäuser‘ sind im Sommer 2009 nur noch ein Prozent aller Bildungseinrichtungen in privater Hand (UNOG 2009).

  112. 112.

    Der Präsident ist sich diesem Umstand durchaus bewusst und fordert unter anderem in seiner Jahresbotschaft 2001 und der Entwicklungsstrategie 2003–2015, dass der Lehrerberuf wieder gesellschaftliche Anerkennung finden muss. Jedoch bleibt es für die nächsten Jahre bei diesen populistischen Losungen.

  113. 113.

    Die internationale Konkurrenzfähigkeit ist ein zentrales Anliegen des kasachstanischen Präsidenten. So ist inzwischen die Dreisprachigkeit ‚Kasachisch, Russisch und Englisch‘ für alle Kinder der Sekundarstufe verpflichtend (Interview mit Birgit Brauer im Februar 2011).

  114. 114.

    Interview mit Birgit Brauer im Februar 2011.

  115. 115.

    Dieses patronagebasierte System einer effektiven Elitenrekrutierung fehlt vielen postsowjetischen Systemen, die eine hohe Zahl von so genannten ‚Nicht-Rückkehrenden‘ zu verzeichnen haben; allerdings fehlen hier auch staatlich finanzierte Programme. Auslandstipendien werden hier oftmals über westliche Programme finanziert (wie z.B. DAAD). Siehe ausführlicher zu dieser Thematik (allerdings für den arabischen Kontext) Zintl (2009).

  116. 116.

    Interview mit Birgit Brauer im Februar 2011.

  117. 117.

    Gründe für den Entzug der Lizenz sind laut Angaben des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft zum einen die Nichteinhaltung von internationalen Standards bei den Examina sowie hygienische und sicherheitstechnische Mängel. KIMEP hat die Lehrlizenz seit 1992. Näheres auf der offiziellen Internetseite Universität.

  118. 118.

    Im Rahmen dieser kurzfristigen und populistischen Erhöhungen wird auch die Gruppe der Rentner sowie die Gruppen der Staatsbeamten mit höheren Bezügen bedacht.

  119. 119.

    Alle vier Reforminitiativen werden in der staatlichen Entwicklungsstrategie ‚Kasachstan 2010‘ zunächst nach durch eine kurze Bedarfsanalyse eingeführt sowie im Sinne einer ökonomische orientierten SWOT-Analyse aufgeschlüsselt. Darauf aufbauend erfolgt eine Auflistung der geplanten Maßnahmen.

  120. 120.

    Ausführlicher zum Wohnungsbau siehe Daly (2008) sowie Bissenova (2009).

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Franke-Schwenk, A. (2012). Kasachstanische Herrschaftsstrategien und rentenbegünstigte Machtkonsolidierung. In: Autoritäre Herrschaftsstrategien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18746-4_5

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