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Der kasachstanische Schneeleopard

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Autoritäre Herrschaftsstrategien
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Zusammenfassung

Diese metaphernreiche und heilsversprechende Zukunftsvision stellt seit nunmehr 14 Jahren die strategische Grundlage für die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Kasachstans dar.

In der Arbeit wird zwischen kasachstanisch (Staatsgebilde, Staatsbürger etc.) und kasachisch (ethnienbezogen) unterschieden.

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Notes

  1. 1.

    Das Wort existiert im Englischen so nicht und muss als Übersetzungsfehler gewertet werden. Im russischen Originaltext der Agenda ‚Kasachstan 2030‘ (Dolgosročnaja strategija razvitija Kazachstana – Kazachstan 2030) steht an dessen Stelle das Wort ‚ėlitarnost`‘, das übersetzt werden kann mit dem Neologismus ‚Elitarität‘. Da dies kein geläufiger deutscher Begriff ist, bieten sich Synonyme wie ‚elitäres Dasein‘, ‚elitäres Wesen‘, ‚Exklusivität‘, ‚Hochrangigkeit‘ oder ‚Ausgesuchtheit‘ an. Er soll in erster Linie die nationale Berufenheit zu regionaler Besonderheit symbolisieren. Im Kontext der Arbeit wird der Begriff ‚elitäres Dasein‘ bevorzugt. Der russische Originaltext ist unter anderem auf der Internetseite der kasachstanischen Botschaft oder auf der offiziellen Internetseite des kasachischen Präsidenten abrufbar.

  2. 2.

    Noch ein technischer Hinweis zur Zitierweise der Jahresansprachen und Entwicklungsstrategien: Die Jahresansprachen werden vom Präsidenten bis einschließlich 2009 auf Russisch gehalten, seitdem auf kasachisch. Auf der offiziellen Internetseite der Kasachstanischen Botschaft in Berlin sind alle Jahresansprachen seit 1997 in englischer Sprache und ab 2003 in deutscher Sprache veröffentlicht. Danach richten sich auch die in der Arbeit zitierten Textpassagen aus den Jahresbotschaften. Übersetzungsfehler in den Dokumenten werden eins zu eins übertragen und, soweit nicht für die Argumentation der Arbeit notwendig, auch nicht kommentiert.

  3. 3.

    Im Jahr 2007 erklärte Nazarbaev diese Strategie für abgeschlossen; Kasachstan sei nun kein Entwicklungsland mehr. Die neue Strategie, die Kasachstan zu einem der wettbewerbsfähigsten Staaten der Welt machen soll, wird unter anderem innenpolitisch unter dem transitionsrethorischen Motto ‚Stärkung des Parlamentarismus‘ verkauft (siehe Strategie ‚Kasachstan bis 2010‘ (Jahresbotschaft 2003) sowie ‚Kasachstan 2002-2015‘ (Jahresbotschaft 2001), ‚30 Richtlinien für Innen- und Außenpolitik‘ (Jahresbotschaft 2007) ‚Wohlfahrt der Bürger von Kasachstan‘ (Jahresbotschaft 2008) etc.; alle Strategien sind auf Englisch auf der Website des Präsidenten abrufbar.

  4. 4.

    Herrschaft wird in dieser Arbeit im Werberschen Sinne als Chance definiert, für spezifische Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden (Weber 1920).

  5. 5.

    Ausführlicher zu diesem Zusammenspiel siehe Masanov (1998), Collins (2002), Cummings (2005), Satpaev (2007), Dave (2007), Eschment (2007), Matveeva (2009).

  6. 6.

    Als erste, entscheidende Abkehr von der politischen Liberalisierung der Anfangsjahre kann die Verfassungsänderung von 1995 genannt werden. Im Zuge derer wurde die parlamentarische Demokratie in eine Präsidialrepublik umgewandelt und durch eine Revidierung der Gewaltenteilung dem Präsidenten praktisch unbeschränkte Vollmachten zugestanden. Nachfolgende Verfassungsreformen haben diese machtmonopolisierende Tendenz weiter verstärkt und ein autoritäres Präsidialregime geschaffen. 2001 kann eine zweite Zäsur gesetzt werden, als sich innerhalb der oligarchisch strukturierten Elite oppositionelle Bewegungen gründeten – in den Folgejahren konnte eine Gleichschaltung der politischen Landschaft beobachtet werden, die mit den Parlamentschaftswahlen 2007 sowie der Ernennung Nazarbaevs zum ‚Führer der Nation‘ im Juni 2010 ihren vorerst letzten Höhepunkt hatte.

  7. 7.

    Gerade 2010 werden eine Reihe neuer Strategien formuliert: das staatliche Programm zur Förderung der industriell-innovativen Entwicklung der Republik Kasachstans von 2010-2014; diese Strategie ist beispielsweise in das Programm ‚Novaja Industrializacija 2003-2015‘ von 2003 eingebettet, welches wiederum eine Konkretisierung der wirtschaftlichen Entwicklungspriorität aus der Agenda – Kasachstan 2030 ist. Darüber hinaus wird 2010 die so genannte ‚Business Road Map 2020‘ (Doročnaja Karta Buzinesa 2020) oder auch das wirtschaftlich orientierte Programm ‚ Vielzahl an Entwicklungsstrategien und –programmen im Bereich der Sozialpolitik. Diese sollen an dieser Stelle aber nicht vorweg genommen werden, sondern werden ausführlich in Kapitel V.5 diskutiert.

  8. 8.

    Der Präsident beabsichtigt auch im Jahr 2016 wieder zu kandidieren. Die nächsten zehn Jahre stellen eine außerordentlich wichtige Periode im Entstehungsprozess und in der Entwicklung eines unabhängigen Kasachstans dar. Deshalb werden wir unsere Zukunft gemeinsam und unter der Führung von Nursultan Nazarbaev gestalten [Übersetzung der Autorin].

  9. 9.

    Von 2004 bis zur internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 konnte Kasachstan dank massiver Zuflüsse externer Renten in den Rohstoff- und Immobiliensektor sowie hoher Erlöse aus dem Rohstoffexport und eines florierenden Binnenhandels einen enormen Aufschwung verzeichnen. Dieser erhöhte Zufluss an externen Einnahmen lässt sich besonders auf die Reform des Steuerschlüssels für ausländische Ölfirmen im Jahr 2004 zurückführen. So hat die Einführung der Ausfuhrsteuer auf Rohöl die staatlichen Einnahmen im Bereich der Ölrenten zwischen 65 und 85 Prozent erhöht (US Department of Energy 2005). Das Wachstum setzt sich dank hoher Energiepreise auch noch im ersten Halbjahr 2008 fort, so dass sich die negative Wende zwar abzeichnet, die kasachstanische Wirtschaft aber erst Ende 2008, Anfang 2009 trifft; das Anziehen der Weltmarktpreise für Rohstoffe lässt aber bereits auf ein erneutes positives Wachstum hoffen und auch die internationale wirtschaftliche Bedeutung hat durch die Krise nicht gelitten. Dank der erwirtschafteten Öleinnahmen der letzten zehn Jahre, die teilweise im Nationalen Ölfonds aufgefangen wurden, haben die Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise – kurzfristig gesehen – Kasachstan weniger hart getroffen als andere GUS-Staaten. So konnten sämtliche Antikrisenmaßnahmen – vor allem für den Finanzsektor – aus dem Nationalen Ölfonds bestritten werden. Aufgrund weiterhin steigender Wachstumsraten im Ressourcensektor und Bergbau wird diese Geldquelle auch in den nächsten Jahren als effektives finanzielles Antikriseninstrument dienen können; eine Möglichkeit, den ressourcenarme Länder nicht besitzen. Besonders deutlich wird dieser finanzielle, ressourcenbedingte Segen durch einen Blick auf in Anspruch genommene internationale Hilfe. Während die postsowjetischen Staaten ohne Ressourcenvorkommen auf finanzielle Hilfen des Internationalen Währungsfonds angewiesen sind, ist Kasachstan in der Lage, seine Wirtschaft ohne derartige Finanzimpulse zu stabilisieren (Bissenova 2009).

  10. 10.

    Für Kasachstan sind 99 der im Periodensystem bekannten Elemente in Kasachstan nachgewiesen (siehe Darstellungen auf der offiziellen Website des kasachstanischen Parlaments).

  11. 11.

    Im internationalen Vergleich liegt Kasachstan damit im Mittelfeld: Russland hat beispielsweise eine doppelt so hohe Schätzung für Ölreserven (74.3 tausend Millionen Barrels), und auch die Prognose für die traditionellen Ölstaaten wie Iran (137,6 tausend Millionen Barrels), Saudi-Arabien (264,1 tausend Millionen Barrels) und Venezuela (172,3 tausend Millionen Barrels) liegen weitaus höher (BP Statistical Review 2010).

  12. 12.

    Der Großteil der Ölreserven befindet sich im Westen des Landes. Hier lagern die fünf größten ‚onshore‘ Ölfelder Tengiz, Karačaganak, Aqtobe, Mangghystau und Uzen. Daneben existieren noch weitere ‚offshore‘ Felder, namentlich Kašagan und Kurmangazy.

  13. 13.

    Die so genannte Erdölrente ist jener Anteil am Verkaufspreis, der die Produktionskosten plus einen durchschnittlichen Gewinn überschreitet (Beck 2009).

  14. 14.

    Zum damaligen Zeitpunkt fielen unter diese Klassifikation vor allem arabische (z.B. Saudi-Arabien, Iran, Irak, Syrien) und afrikanische (Algerien, Angola, Marokko, Gabun, Kongo), aber auch lateinamerikanische Staaten wie beispielsweise Bolivien, Ecuador und Venezuela. Die ressourcenreichen Staaten hinter dem Eisernen Vorhang finden vorerst keine Berücksichtigung innerhalb der Klassifikation der Weltbank. Als ‚minerals‘ beziehungsweise natürliche Ressourcen werden in diesem Zusammenhang neben Erdöl und Erdgas auch Kupfer, Zink, Eisenerz, Blei, Braunkohle und Phosphorit definiert (Nankani 1979).

  15. 15.

    Leider ist es der Autorin nicht gelungen, verlässliche Aussagen darüber zusammenzutragen.

  16. 16.

    Diese Debatten spielen aufgrund ihrer stark wirtschaftswissenschaftlichen Ausrichtung in der Arbeit nur eine sekundäre Rolle.

  17. 17.

    Das Paper ist heute so nicht mehr erhältlich, sondern hat im Zuge mehrerer Überarbeitungsphasen Eingang in die Veröffentlichung „No Representation without Taxation“ gefunden (vgl. Herb 2005). Eine Überarbeitungsphase wird bereits in der Veränderung des Titels eines Workshop-Papers im selben Jahr deutlich (vgl. Herb 2002a).

  18. 18.

    Diese Debatte wird unter anderem von Thad Dunning (2008) wieder aufgenommen und diametral zur gängigen Forschungsmeinung analysiert. Dunning stellt dabei die Frage ‚Does oil promote Democracy?‘ und kommt zu dem Ergebnis, dass Ressourcen ein Entwicklungspotential sowohl in Richtung Demokratie als auch Autoritarismus besitzen, entscheidend sind lediglich die Herrschaftsmechanismen der Elite. Als Referenzbeispiele dienen ihm Botswana, Chile, Ecuador, Bolivien und Venezuela. Damit bricht er mit dem führenden Forschungsparadigma und eröffnet neue Analyseräume.

  19. 19.

    Dieser Klassifizierung geht voraus, dass eine solche auf Regionen fokussierte Klassifizierung auch für andere ressourcenreiche Regime möglich ist. So könnte beispielsweise ein arabischer, afrikanischer oder auch lateinamerikanische Rentierstaat als regionaler Subtyp klassifiziert werden. Dies ist bereits indirekt, jedoch nicht in der analytischen und begrifflichen Deutlichkeit erfolgt. So impliziert die Entwicklung des ursprünglichen Rentierstaatskonzeptes in den 1970er Jahren am Fallbeispiel Iran einen Rentierstaat arabischer Prägung, der in der Forschung durchaus als solcher analysiert wird (Beblawi/Luciani 1987). Auch erwirken die Analysen zum neopatrimonialen und ‚rent-seeking‘-orientierten Verhalten der Eliten einiger afrikanischer Ressourcenstaaten den Anschein, dass in der Rentierstaatsforschung sowie in der damit verknüpften Neopatrimonialismusforschung bereits ein afrikanischer Subtyp existiert (Basedau 2008, von Soest 2009, Basedau/Wegeast 2009, Basedau/Lay 2009). Die Region Lateinamerika ist diesbezüglich eher defizitär erforscht; Analysen zum Verhältnis von Ressourcenreichtum und Regimequalität sind eher in den Kontext der Autoritarismus- und Demokratisierungsforschung eingebettet (Linz 1990, Mainwaring/Shugart 1997, Thiery 2000, Barrios/Boeckh 2000).

  20. 20.

    Dieser Ansatz wurde im Rahmen des von der VolkswagenStiftung geförderten Projekts „Political and Economic Challenges of Resource-based Development in Azerbaijan and Kazakhstan“ von 2005–2008 am Institut für Sozialwissenschaften der CAU Kiel und in Zusammenarbeit mit dem Kieler Institut für Weltwirtschaft erarbeitet. Im Rahmen des interdisziplinären Projektes wurden sowohl Aserbaidschan als auch Kasachstan als postsowjetische Rentierstaaten klassifiziert. Aus dem Projekt resultieren eine Reihe von Einzelveröffentlichungen (vgl. Franke 2009, Franke 2009 et al, Gawrich/Franke 2011 und 2012, Franke-Schwenk 2012a und 2012b sowie ein Sammelband (vgl. Gawrich et al. 2011).

  21. 21.

    Die Idee des Rentierstaates als Staat, der im Gegensatz zu anderen vornehmlich auf der ökonomischen Grundlage externer Renten basiert, ist seit ungefähr 40 Jahren zu einem anerkannten interdisziplinären Konzept gediehen. Wenngleich das theoretische Konzept von Renten als nicht durch Arbeit im klassischen Sinne erwirtschaftetes Einkommen bereits von ökonomischen Vordenkern wie Adam Smith, David Ricardo und Karl Marx entwickelt wurde, so hat der Rentierstaatsansatz diese Grundkonzeption aufgenommen. Mit der Analyse von Staatenbildungen im Mittleren Osten, die vorrangig auf den Gewinnen von Ressourcenreichtum aufgebaut sind, hat der Rentierstaat seit den 1970er Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Als konzeptioneller Gründungsvater des modernen Rentenbegriffes gilt Hussein Mahdavy, der sich mit den polit-ökonomischen Entwicklungen im prärevolutionären Iran beschäftigt hat und als wesentliche Erklärungsvariable die Ölrente definiert (Mahdavy 1970). Auf der Basis der am Fallbeispiel Iran entwickelten und auf die ölreichen Entwicklungsökonomien des Mittleren Ostens übertragenen Merkmale wird der Rentierstaatsansatz in den letzten 20 Jahren auch überregional angewendet (Yates 1996, Boeckh 1997, Karl 1997, Moore 2004, Franke et al. 2009).

  22. 22.

    Neben der empirisch-qualitativen Analyse von ressourcenreichen Staaten auf der Basis des Rentierstaatsansatzes wird in der aktuellen Forschung eine rege Debatte über die Flexibilität, den universellen Anspruch sowie über die Schwächen und die Stärken des Ansatzes geführt. Im Vordergrund stehen dabei vor allem Fragen nach der Trennschärfe des Begriffes Rente sowie nach dem vermeintlich deterministischen Charakter des Ansatzes (Beck 2009, Richter 2012).

  23. 23.

    Im Begriff Rentierstaat ist die Personalisierung des Staates als Rentier bereits angelegt. Der Rentier ist ein ökonomischer Akteur, der sich durch fehlende soziale Verantwortung und egoistisches rent-seeking-Verhalten auszeichnet. Der Begriff des ‚Rentiers‘ hat sich bereits in der deutschsprachigen Literatur eingebürgert; Laut der Grundthese des ‚rent-seeking‘-Ansatzes verlegt sich der ‚rent-seeker‘ im Unterschied zum ‚profit-seeker‘ auf politische Aktivitäten, die nur ihm nutzen, während der ‚profit-seeker‘ in ökonomische Aktivitäten investiert, die einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen abwerfen. Zur weiteren Relevanz siehe Beck (2002), Buchanan et al. (1980). Ein solcher Rentier ist die Antithese zum Schumpeterschen Ideal eines Unternehmers, der sich durch Dynamik, innovatives Denken und Handeln sowie Risikobereitschaft auszeichnet (Schumpeter 1950). In der wissenschaftlichen Literatur zum postsowjetischen Kontext hat sich diesbezüglich der Begriff des ‚predatory businessmen‘ (Babanin et al. 2001) etabliert, der in Anlehnung an den Ansatz von Mancur Olson (2000) zu ‚roving bandits‘ beziehungsweise ‚roving bandits states‘ herausgearbeitet wurde.

  24. 24.

    Auty unterteilt im Kontext der Rentierstaatlichkeit in wohltätige (‚benevolent‘) und räuberische (‚predatory‘) Eliten. In einem zweiten Schritt ordnet er dieser Unterteilung noch eine weitere Systematisierung (Rentierstaat ersten und zweiten Grades) zu beziehungsweise unterteilt nach der Höhe der Renteneinkommen. Daraus entsteht eine mehrdimensionale Matrix in der am Ende sieben Subtypen rentierstaatlicher Eliten stehen. Für den vorliegenden Kontext ist von Interesse, dass die meisten postsowjetischen Ressourcenstaaten zu den sog. räuberischen Autokratien zählen, deren Ziel eine maximale Ausbeutung der Renten bei gleichzeitiger Herrschaftsmaximierung ist. Kasachstan befindet sich in der Einteilung von Auty im Mittelfeld zwischen wohltätig und räuberisch und wird als ‚factional oligarchy‘ bezeichnet (Auty 2006)

  25. 25.

    Zu verweisen ist auch hier wieder auf die Kernelemente von Rentierstaatlichkeit und die daraus resultierende funktionale Dreiteilung des Staates in zentrale Aneignungs-, Verwaltungs- und Verteilungsinstanz von Ressourcenrenten. Die handlungsleitende Prämisse des Machterhalts ergibt sich aus rentenmaximierendem Streben und der damit verbundenen Neigung zur maximalen Kontrolle über diese Prozesse (vgl. Luong 2002 und 2003).

  26. 26.

    Obwohl die kasachstanische Regierung zu Beginn der Unabhängigkeit und bis weit in die 1990er Jahre hinein eine reformorientierte liberale Wirtschaftspolitik betreibt, die unter anderem die Privatisierung ehemaliger Staatsunternehmen des Öl-, Gas- und Metallsektors mit inbegriffen, versucht die kasachstanische Führung in den letzten Jahren immer stärker die Kontrolle über strategisch wichtige Industrien zu wahren beziehungsweise zurückzugewinnen (Brauer 2008, Schmitz 2009). Dies resultiert aus der Erkenntnis, dass derartige Dezentralisierungen den Staatsapparat schwächten und die elitären Rivalitäten um die Kontrolle von Ressourcen und Einflusssphären eher verstärkten (Luong 2004, Geiss 2006).

  27. 27.

    Es existiert eine breite Debatte darüber, was Renten sind und vor allem, welcher Rententyp für den Rentierstaatsansatz überhaupt operationalisiert werden kann (unter anderem Beck 2009, Richter 2012). Grundlegend kann festgehalten werden, dass eine Rente ein Einkommen ist, dem keine Investitions- und Arbeitsleistung des Empfängers gegenübersteht. Damit sind Renten klar von unternehmerischen Gewinnen oder Profiten sowie Löhnen und Gehältern abgegrenzt (Beblawi/Luciani 1987, Schmid 1990). Da der Rentierstaatsbegriff aus der ökonomischen Variable der Rente resultiert und in der Forschungsliteratur zunächst nicht von Rentierstaaten, sondern von Rentierökonomien gesprochen wurde, soll an dieser Stelle zusammenfassend Michael Dauderstädt zitiert werden: „Rentier economies are societies in which a large proportion of incomes is the result of rents rather than of work and innovation in form of wages and profits“ (Dauderstädt 2006, 10). Obgleich die Übertragung auf den Staat in der Analyse von Mahdavy angelegt ist, erfolgt sie erst mit dem Buch „The Rentier State“ von Beblawi und Luciani Ende der 1980er Jahre (und auch hier liegt der Fokus noch immer auf der Rentierökonomie). Laut Martin Beck ist der Mehrwert des Ansatzes für die Sozialwissenschaften und somit der Fokus auf die staatliche Dimension offensichtlich: Aus der Tatsache, dass die Rente dem Empfänger zur freien Disposition stehe und dieser in den meisten Fällen der Staat sei, ergäben sich eindeutige Forschungsfragen und –notwendigkeiten für die Sozialwissenschaften (Beck 2009).

    Die seit Beginn des letzten Jahrhunderts mit Abstand bedeutendste Rentenart ist die Ölrente. Der Rohstoff Erdöl und die ihm zugrunde liegenden Rentenpotentiale können als Katalysator und Motivation für politische und wirtschaftliche Entwicklungen in den letzten 100 Jahren angesehen werden; nicht zuletzt ist es die Erdölrente, die als entscheidende Erklärungsvariable für die politische Entwicklung der erdölreichen Staaten der Golfregion klassifiziert worden ist. Die Rente ist allerdings keine exklusiv mit der Erdölproduktion verbundene Kategorie. So müssen neben dieser auch Formen wie die politische oder die Migrantenrente unterschieden werden. Unter Migrantenrente werden all jene Einkommen subsumiert, die durch Arbeit im Ausland (beispielsweise durch Wanderarbeit) in das jeweilige Heimatland zurückfließen. Die Rentenempfänger sind in diesem Fall private Haushalte und nicht der Staat. Somit kann die Migrantenrente nicht direkt für den Rentierstaatsansatz operationalisiert werden, wenngleich der definitorische Kern des Begriffes Rente gewährleistet ist. Denn auch im Kontext dieser Rentenart stehen dem Einkommen keine Arbeits- oder Investitionsleistung des Empfängers gegenüber (Beck 2009, Richter 2012). Politische Renten hingegen sind ausländische Zahlungen in Form von Entwicklungshilfe. So hängen beispielsweise die Volkswirtschaften und Staatstätigkeiten der afrikanischen und auch vieler arabischer Entwicklungsländer in einem hohen Maße von den Transferzahlungen aus der Entwicklungshilfe ab. Dabei bilden sie einen nicht genau bemessbaren Teil der Staatseinnahmen, der an Bedeutung den traditionellen Einnahmen aus Steuern, Zöllen und Gewinnen nahekommt beziehungsweise diese übertrifft (Bierschek 2001).

  28. 28.

    Unabhängig von einer gezielten Sozialpolitik, die weniger dem Nachhaltigkeitsprinzip als vielmehr dem Loyalitätsprinzip geschuldet ist, sind auch die aus dem ökonomischen Aufschwung resultierenden sozialen Verbesserungen des Mittelstandes (Geschäftsleute, Beamte und Angestellte) für ein hohes Maß an Legitimität des Präsidenten und des von ihm angeführten Regimes ursächlich (Schmitz 2009). Das Ansteigen des Wohlfahrtsniveau in Kasachstan, wie der Human Development Index (HDI) für das Jahr 2008 zeigt, ist vor allem durch den hohen Anteil an externen Renteneinnahmen im Staatshaushalt bedingt. Im postsowjetischen Raum liegt Kasachstan bezogen auf das Wohlfahrtsniveau zwar hinter Belarus (auch hier werden gezielte soziale Subventionen für die Legitimation des Regimes Lukašenko eingesetzt), jedoch noch vor Russland (vgl. HDI 2008).

  29. 29.

    Dies gilt auch für die nochmals andere Ausprägung der afrikanischen Rentierstaatlichkeit (meist geprägt durch starke und oftmals gewalttätige machtpolitische und gesellschaftliche Unruhen) oder das Spannungsverhältnis zwischen Gesellschaft, herrschender Elite und Rentenpartizipation in den ressourcenreichen Staaten Lateinamerikas.

  30. 30.

    Eine ausführliche Debatte der Forschungsliteratur findet im Rahmen des Forschungsdesigns statt.

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© 2012 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Franke-Schwenk, A. (2012). Der kasachstanische Schneeleopard. In: Autoritäre Herrschaftsstrategien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18746-4_1

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