Kritik des ›wahren Begriffs‹ der Gattung: Bodmer und Breitinger

Zusammenfassung

In der Vorrede zur dritten Auflage seiner ›Critischen Dichtkunst‹ (1742) bemängelt Gottsched das Fehlen der Gattungslehre in der Theorie der Schweizer Kritiker.¹ In den ›Beyträgen zur Critischen Historie der deutschen Sprache‹ wird festgestellt: »Sie [Bodmer und Breitinger] wollen in allen Gedichten, ohne Unterscheid, Entzückungen, Begeisterungen, Allegorien, Gleichniße und dergleichen poetische Zierrathe haben«²; nach genauen Regeln und Anleitungen zur Erfüllung der einzelnen Dichtarten suche man vergebens; das wahre Wesen der Gattungen werde nicht erforscht; die Poetik Breitingers, so schließt Gottsched, ist daher als Lehrbuch für junge Adepten der Dichtkunst und als Instrument zur Besserung des verdorbenen Geschmacks der Deutschen eher hinderlich als nützlich. Georg Friedrich Meier (durch seine ›Beurtheilung der Gottschedischen Dichtkunst‹ ein Parteigänger der Schweizer) und Bodmer selbst (unter dem Pseudonym eines Konrektors Wolfgang Erlenbach) führen die Verteidigung gegen die Vorwürfe Gottscheds: Die »kleinern Unterscheidungsstücke« der Dichtkunst sind genugsam ausgeführt³; eine weitaus größere Aufgabe, die Bestimmung des »Wesens der Poesie überhaupt«, sei von Bodmer und Breitinger mit Auszeichnung gelöst worden.⁴