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»Historische« und »philosophische« Gattungsbegriffe: Herders Versuch einer Differenzierung

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Gattungspoetik im 18. Jahrhundert
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Zusammenfassung

Herders verstreute Bemerkungen zur Gattungstheorie zeigen eine Verschränkung der bisher aufgezeigten Positionen. Individuelle Kunstkritik, Liebe zum Detail und die Erkenntnis historischer, nationaler und klimatischer Verschiedenheit kennzeichnen schärfer als zuvor die gattungsfeindliche Ebene des Besonderen und Originalen. Für den »sinnlichen Leser« Herder (III, 126)1 liegt der Maßstab der Kritik in der eigenen Empfindung und Erfahrung. Der Kritiker ist »dichterischer Philolog« (XXXII, 83): Kennerschaft und »Weltweisheit« sind verbunden mit der Fähigkeit, sich in das Kunstwerk einzufühlen und dichterisch einzuleben. Das Modewort original erfaßt Herder in seiner doppelten Bedeutung als merkwürdig und ursprünglich. Die Beobachtung der Eigenart der dichterischen Erscheinungsformen verweist zugleich auf ihre individuelle Entstehungsart. Das Kunstwerk als Werdendes, nicht als Gewordenes: diese dynamische Deutung der Dichtung verbietet statische Regeln und Ordnungen. Herders kritisches Verfahren hat die Forschung durch Antithesen wie Intuition statt rationaler Erkenntnis, Ineinsschau statt mechanischer Scheidekunst, Relativismus an Stelle von Dogmatismus und Anschaulichkeit statt logischer Begrifflichkeit bezeichnet.2 Ein Abweichen von diesem ›Denkstil‹ wird im allgemeinen erst bei dem späten, neuerlich auf Gesetz und Ordnung bedachten Herder festgestellt.

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Notizen

  1. So schon bei Rudolf Haym, Herder nach seinem Leben und seinen Werken. Bd 1.2. 1877–1885. — Modifiziert bei Gottfried Weber, Herder und das Drama. 1922. — Kurt May, Lessings und Herders kunsttheoretische Gedanken in ihrem Zusammenhang. 1923. — Bruno Markwardt, Herders Kritische Wälder. 1925. — Rudolf Stadelmann, Der historische Sinn bei Herder. 1928. — Werner Kohlschmidt, Herder=Studien. 1929. — Hannsjörg Salmony, Die Philosophie des jungen Herder. 1949. — Harald Henry, Herder und Lessing. 1941. — H. D. Irmscher, Bildung, Sprache und Dichtung im Denken Herders. Diss. Göttingen 1955. — Emil Staiger, Der neue Geist in Herders Frühwerk. In: Staiger, Stilwandel. 1963, S. 121–173.

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  2. Eine umfassende Darstellung gibt Heinz Peyer, Herders Theorie der Lyrik. Diss. Zürich 1955.

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  3. John Brown, The History of the Rise and Progress of Poetry. Newcastle 1764, S. 206 f. (Übersetzung von Johann Joachim Eschenburg, Dr. Brown’s Betrachtungen über die Musik, nach ihrem Ursprunge, ihrer Vereinigung, Gewalt, Wachsthum, Trennung und Verderbniß. Leipzig 1769, S. 147 ff.). — Hugh Blair, Lectures on Rhetoric and Belles Lettres. 1783, Vol. 3, S. 114 f. (Übersetzung von K. G. Schreiter, Hugo Blair’s Vorlesungen über Rhetorik und schöne Wissenschaften. 1785 bis 88, Th. 3, S. 291). — Vgl. auch Stewart, The Ballad and the Genres, S. 121.

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  4. So v. a. bei Robert Petsch, Wesen und Formen der Erzählkunst. 1934, S. 23–33. — Petsch, Gattung, Art und Typus. In: Forschungen und Fortschritte 10 (1934), S. 83–84. — Willi Flemming, Das Problem von Dichtungsgattung und -art. In: Studium generale 12 (1959), S. 38–60, bes. S. 40.

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  5. Schon Haym (Herder, Bd 2, S. 634 f.) zog von hier aus die Parallele zu Friedrich Schlegels Deutung des Romans als Universalgattung der Poesie. Schlegel habe »die Herderschen Sätze nur mit Fichtescher Philosophie blank poliert und in wetterleuchtende Spitzen auslaufen lassen …« Weitaus kritischer äußert sich hierzu H. Eichner, F. Schlegel’s Theory of Romantic Poetry. In: PMLA 71 (1956), S. 1018–1041.

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  6. Vgl. hierzu Friedrich Meinecke, Die Entstehung des Historismus. Werke, Bd 3. 1959, S. 291 f.

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  7. Schon Gerstenberg stellte eine Verbindung her zwischen seiner Vorstellung von lyrischer Poesie als eigentlicher Poesie und der deutschen Sprache und Dichtung als »eigentlich lyrisch«; »Wir können daher auch lyrischer seyn und sind es, wie ich glaube, auch mehr als unsre Nachbaren.« (Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur, hg. v. A. v. Weilen, S. 346). Daß die Lyrik das deutsche Wesen am reinsten spiegele, ist eine Vorstellung, der die deutsche Literaturwissenschaft seit den Anfängen der Romantik nur allzuoft huldigte. Vgl. z. B. Richard Müller-Freienfels, Psychologie des deutschen Menschen und seiner Kultur. 2. Aufl. München 1930, S. 133.

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Scherpe, K.R. (1968). »Historische« und »philosophische« Gattungsbegriffe: Herders Versuch einer Differenzierung. In: Gattungspoetik im 18. Jahrhundert. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99943-6_13

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99943-6_13

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-99944-3

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