Zusammenfassung
Ist die im nächsten Kapitel zu analysierende Literaturpolitik der Grenzboten im wesentlichen ein Versuch der nachrevolutionären Verklärung des status quo, so unternimmt Karl Gutzkow in zahlreichen theoretischen Beiträgen, Romanvorworten, Rezensionen und in seiner literarischen Praxis den Versuch, die Konsequenzen der politischen Ideale von 1848 in sein Literaturkonzept zu integrieren. Dies impliziert die Versicherung der historischen Perspektive demokratischer Tendenzen in den Unterhaltungen am häuslichen Herd[1] nicht weniger als in seinen beiden großen Zeitromanen der 50er Jahre. Dabei spielt die nachrevolutionäre Auseinandersetzung über die Aufgaben des Zeitromans eine entscheidende Rolle. Daß sich die Poetik des Vormärz dabei »von der Tendenz zum Kunstideal «[2] entwickelte, hat Werner Hahl in seiner Arbeit überzeugend herausgearbeitet. Bei seiner Darstellung der Literaturkritik der Junghegelianer und der Liberalen der 40er und 50er Jahre kommt er zu überzeugenden Schlüssen hinsichtlich des Verhältnisses von Tendenz und Kunstform, von Roman und neuem nationalem Epos, von Reflexion und Objektivität. So wegweisend diese Darstellung ist, so widmet sie doch den Gegenströmungen, vor allem nach 1848, zu wenig Raum und beschränkt deren Vertreter ausschließlich auf Gutzkow, »der entgegen allen Tendenzen der Zeit für den Reflexionsroman einsteht.«[3] In der germanistischen Forschung sind Äußerungen immer noch selten, die Gutzkow zugestehen, er habe »die große Aufgabe der neuen Romandichtung«[4] klar erfaßt. Nach wie vor fehlt eine kohärente Darstellung seiner Literaturpolitik in den Unterhaltungen, deren Bedeutung für die nachrevolutionären fünfziger Jahre unterschätzt wird.
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Anmerkungen
Friedrich Sengle: Der Romanbegriff in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Ders.: Arbeiten zur deutschen Literatur 1750–1850, Stuttgart 1965, S. 175–196; Zitat S. 180.
Peter Hasubek: Karl Gutzkows Romane »Die Ritter vom Geiste« und »Der Zauberer von Rom«. Studien zur Typologie des deutschen Zeitromans im 19. Jahrhundert, (phil. Diss.), Hamburg 1964.
Karl Gutzkow: Die »realistischen« Erzähler. In: Unterhaltungen, N. F. Bd. 2, Nr. 17, Jg. 1856/57, S. 270–272; Zitat S. 270.
Karl Gutzkow: Die Ritter vom Geiste. Roman in neun Büchern. Erster Band, Leipzig 1850 Vorwort ebd. S. 1–10.
Karl Gutzkow: Die Ritter vom Geiste, neunter Band, Leipzig 1851; S. 525–548.
Robert Giseke: Moderne Titanen, kleine Leute in großer Zeit. Drei Theile, Leipzig 1850.
Karl Gutzkow: Der Zauberer von Rom, Leipzig 18693. Darin: Vorwort zur ersten Auflage [1858], S. V–IX
Karl Gutzkow: Der Zauberer von Rom, Roman in neun Büchern, Leipzig 18693.
Julian Schmidt: Der Zauberer von Rom. In: Grenzboten 20/II/IV (1861), S. 241–248; Zitat S. 244 f.
Robert Prutz: Karl Gutzkow und sein »Zauberer von Rom«. In: Deutsches Museum 9/2 (1859), S. 273–283.
Julian Schmidt: Karl Gutzkow. Die Ritter vom Geist. Roman in neun Büchern, 2. Aufl., Leipzig (1852). In: Grenzboten 11/I/II (1852), S. 41–63.
Karl Rosenkranz: Gutzkow’s Ritter vom Geist. Roman in neun Büchern. In: Deutsches Museum 2/1 (1852), S. 721–732
Wiederabgedruckt in: Karl Rosenkranz: Neue Studien, Zweiter Band. Studien zur Literaturgeschichte, Leipzig 1875, S. 233–247.
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Rhöse, F. (1978). Offener Romanschluss und historische Perspektive — zur Diskussion eines deutschen Sozialromans im Umkreis Karl Gutzkows. In: Konflikte und ihre Lösungen Untersuchungen zur Diskussion von Roman und Romanschluß im neunzehnten Jahrhundert. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99931-3_7
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