Zusammenfassung
Im Lissaer Sonettbuch des Andreas Gryphius findet sich ein Gedicht mit der Überschrift »Der Autor vber seinen Geburts=Tag den 29. Septembr. des CIƆ IƆCXVI Jahres.«1 Nach dem Kalender war das der Tag des Erzengels Michael: „Weil du mich an dem Tag ins Leben thätest leiten / An dehm der Engel=Printz den Teuffei triumphirt“, deshalb, so erklärt der Schreiber, sieht er seinem „Geist versichert hell vnd klar“, daß er in allen Gefahren des Lebens vom Herrn und seinen englischen Heerscharen behütet bleibt. Als Grund und Folge werden diese beiden Sachverhalte miteinander verbunden. So eng aber ist ihr innerer Zusammenhang, daß auch die umgekehrte Ableitung zulässig scheint: Weil der Schreiber sich von den Engeln behütet weiß, wurde er am Michaels-Tag ins Leben geleitet. Durch Gryphius selbst erfährt man an anderen Stellen zuverlässig, daß er am 2. Oktober dieses Jahres 1616 geboren wurde. Nennt er in seinem Sonett den 29. September seinen Geburtstag, so ist das weder als Versehen noch als Irreführung zu begreifen, sondern gleichsam als eine metaphysische Korrektur, beispielhaft und lehrreich für den Leser, der über mehr als dreihundert Jahre hinweg Eingang sucht in die Dichtung des Barock. Denn was irgendwo und irgendwann in der Welt geschieht, ist im Bewußtsein dieses Zeitalters bezogen auf höhere Ordnungen, gewinnt erst von ihnen her seinen Sinn und seine Wahrheit. Solchen Sinn und solche Wahrheit zu offenbaren, dient die Berichtigung des Faktischen am Normativen. Der Tag, an dem derjenige ins Leben geführt wurde, der erfahren hat, daß er unter dem Schutz der Engel steht, der wahrhafte Geburtstag des Andreas Gryphius ist deshalb jener 29. September.
Durchgesehener Abdruck des II. Kapitels (»Postfigurale Gestaltung«) aus A. Schöne: Säkularisation als sprachbildende Kraft. Studien zur Dichtung deutscher Pfarrersöhne. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 21968.
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Notizen
Zitiert wird im folgenden nach der Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke, hg. von M. Szyrocki u. H. Powell, Tübingen 1963 ff., mit Angabe der Band- und Seitenzahl, bzw. der Akt- und Verszahl (römische und arabische Ziffer). Hier Bd 1, S. 9 f.
B. S. v. Stosch, Last- und Ehren- auch Daher immerbleibende Danck- und Denck-Seule … (im Anhang zu Gryphius’ »Dissertationes Funebres«, 1666. Zitiert nach d. Aufl. 1698). — J. Th. Leubscher, De Claris Gryphiis Schediasma, 1702 (dtsch. Übersetzg. von H. J. Deiters in: Text + Kritik Nr. 7/8, 1965, S. 9 ff.). — Chr. Stief, Schlesisches Historisches Labyrinth, 1737.
Stosch, S. 22.
S. 23.
S. 42.
S. 45f.
S. 25.
»Dissertationes Funebres«, Leipzig 1666. Zitiert nach d. Aufl. 1698 (im folg. abgekürzt als D). Hier S. 70 f.
Die Bildlichkeit in der Dichtung des Andreas Gryphius (Neue Forschung 17), Berlin 1933, S. 35 f., 75 f., 81 f., 91 f., 96 f.
Bibelzitate nach dem Wortlaut der Weimarer Ausgabe.
Stosch, S. 31.
Zum emblematischen Charakter von Hinrichtungsszene und Leichenschau vgl. A. Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 21968, S. 217 ff.
S. 121.
S. 118.
Vgl. auch D 690 f.
Vgl. Fricke, Die Bildlichkeit, S. 129.
Ähnliche, mildere Belege, die „Gedicht“ als Synonym von Lüge fassen, in Bd 2, S. 210 u. 212. — Eine der ganz seltenen Ausnahmen wird im folgenden zitiert.
Vgl. etwa Bd 3, S. 66.
Bd 5, S. 24 f.-Man muß diese Verse vergleichen mit den Anregungen, die Gryphius sehr wahrscheinlich aus Joh. Heermanns »O Gott, du frommer Gott« und »Hilf mir, mein Gott, hilf« empfing, um zu begreifen, welch ungeheure Vertiefung hier vor sich gegangen ist.
Hier folgt Gryphius weitgehend der Vorrede zur 2. Ausg. der »Sonntags- und Fest-Evangelia« Joh. Heermanns von 1644 (vgl. J. Heermanns geistl. Lieder, hg. Ph. Wackernagel, 1856, S. 371 ff.).
Die Bezeichnung ‚Trauerspiel‘ erscheint durch Gryphius keineswegs zum ersten Mal in Deutschland (so G. Schönle, Das Trauerspiel Carolus Stuardus des Andreas Gryphius, 1933, S. 3), sondern ist zumindest seit Opitz’ Vorrede zu Opera I vom 28. 12. 1628 sicher bezeugt, wird dann 1648 auch von Rist und Harsdörffer gebraucht (vgl. Grimms Dtsch. Wörterbuch).
Zitiert wird im folg. nach dem von H. Powell hg. 4. Bd der Gesamtausgabe mit Angabe der Akt- (römisch) und Verszahl (arabisch).
W. Flemming (Hrsg.), Das schlesische Kunstdrama (DLE, Barockdrama 1), Leipzig 1930, S. 29.
Vgl. Zeidler, Die Schauspieltätigkeit der Schüler und Studenten Wiens (Progr. Oberhollabrunn 1888, S. 30) und Dürrwächter, Das Jesuitentheater in Eichstätt (Sammelbl. d. Hist. Vereins Eichstätt, 10, 1895, S. 64 ff.). — H. Schöfflers Behauptung: „Die Jesuitenbühne kannte solche Dramatisierung zeitgeschichtlichen Geschehens nicht“ (Deutscher Osten im deutschen Geist, 1940, S. 92) ist keineswegs haltbar.
Vondels Einfluß auf die Trauerspiele des Andreas Gryphius (Neophilologus XIV, S. 187).
Andreas Gryphius, 1927, S. 41.
Der Vf. ist umstritten, vgl. dazu W. P. C. Knuttel: Catalogus van de Pamfletten-Verzameling berustende in de Koninklijke Bibliotheek 21,’-Gravenhage, 1892, S. 71.
Über das Titelkupfer und den Zusammenhang seiner Embleme mit der emblematischen Auffassung und Darstellung der dramatischen Figur vgl. A. Schöne, Emblematik und Drama, 21968, S. 221 ff. (dort S. 128/29 auch eine Reproduktion des Bildes).
„Abgesehen von den Reden des Königs, die nach Abschnitten des Engeländischen Memorials versifiziert sind“ (Carolus Stuardus, S. 50 f. und 55).
Poet. Trichter, 11, 2. Dort folgen „II. Die Freudenspiele / so des gemeinen Bürgermanns Leben ausbilden. III. Die Hirten- oder Feldspiele / die das Bauerleben vorstellig machen / und Satyrisch genennet werden.“
Poet. Trichter, 11, 9.
D 406, ähnlich 686.
W. Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, revid. Ausgabe v. R. Tiedemann, Frankfurt a. M. 1963, S. 60.
Vgl. Bd 5, S. 68 u. 102.
Vgl. auch D 151 ff. und 399 f.
Von Gryphius, dem „durchaus nordischen Menschen“, hat Erik Lunding (Das schlesi-sche Kunstdrama, 1940, S. 41 u. 69) behauptet, „seine Götter sind die ‚freien Geister‘, die Märtyrergestalten, die durchaus nicht im Dienste einer christlich-dogmatischen Propaganda stehen, sondern ganz persönliche Symbole sind“. „Als der Dichter uns diese persönlichen Visionen mitteilen wollte, musste er aber die uralte Sprache der Kirche sprechen, musste er Bilder benutzen, deren Sinn bald als Unsinn hingestellt wurde. Das wurde verhängnisvoll für den Dichter und Künstler“! — Zur Auffassung der ‚freien Geister‘ vgl. das Personenverzeichnis zum »Carolus«, wo es von dem Königsmörder Hugo Peter heißt: „Vhrheber der ungebundenen oder freyen Geister Independenten genant“ (S. 60). Der Begriff bleibt also keineswegs durchgehend positiv.
Ursprung des deutschen Trauerspiels, S. 85.
Vgl. dazu H.J. Schings, Die patristische und stoische Tradition bei Andreas Gryphius. Untersuchungen zu den Dissertationes funebres und Trauerspielen (Kölner Germanist. Studien 2) Köln/Graz 1966, S. 223 ff.
Sie findet sich, ebenso wie die „Krone des ewigen Lebens“, dann auch in der »Heiligen Felicitas«.
So wieder in der »Catharina«, Bd 6, S. 207 u. ö.
Bd 1, S. 40, 198, 227, 236; Bd 2, S. 68 u. ö.
Vgl. »Carolus«, S. 81 f. u. 115.
Es bildet damit eine sehr bemerkenswerte Ausnahme von jener Regel barocker Sprach-gebung, die W. Flemming beschrieben hat: Hier „konzentriert sich die innere Bewegung nicht in ein einziges tragendes Symbol, sondern versprüht in Garben von Einzelbildern. Keines von ihnen besitzt Eigenwert und beschließt alles in sich; jedes ist lediglich Teil und reflektiert nur eine einzelne Seite des Gemeinten.“ (Das schlesische Kunstdrama, S. 32).
Tatsächlich wurde die 1657 gedruckte »Catharina« 1650 in der Erstausgabe des »Leo Armenius« zum ersten Mal erwähnt: sie sollte damals „auffs eheste“ erscheinen. (Bd 5, S. 4) — Die bisherige Datierung auf 1647 stützt sich nun erstens auf Stoschs Angabe, daß Gryphius in diesem Jahre während eines Aufenthaltes von wenigen Monaten in Stettin „die Catharinam zu Ende gebracht“ habe (Anhang zu Gryphius’ »Dissertationes«, S. 37). Die Unzuverlässigkeit dieser biographischen Mitteilungen ist bekannt. Zweitens schreibt Gryphius in seiner Vorrede zur »Catharina«: „Zwar ist dieser Königin entwurff schier länger bey mir verborgen gewesen; Als sie selbst in den Banden deß Persischen Königes geschmachtet. Vnangesehen Ein / in diesem Stück nicht gar zu treuer Freund mir solche vnbedachtsam / vnd noch behafftet mit dem Vnlust jhres Kerckers zu entführen gesuchet.“ (Bd 4, S. 133) Auch wenn man zu einer 8jährigen Gefangenschaft der Königin noch eine gewisse Zeit der Entführung des Manuskriptes durch den ungetreuen Freund rechnet und so auf 9 oder 10 Jahre, entsprechend also etwa auch auf 1647 kommt, erlaubt diese Erklärung der Vorrede in Wirklichkeit keinerlei exakte Datierung. Sie bleibt sehr unbestimmt und wirkt überdies (einschließlich der Geschichte vom Handschriftenraub, die sich — besonders im Zusammenhang mit nicht autorisierter Publikation — als gängige ‚Veranlassungsformel‘ durch die Vorreden des 17. Jahrhunderts zieht) zu rhetorisch und zu bewußt geformt, zu sehr der Freude an einer wirkungsvollen Gleichung entsprungen, um als chronologisch zuverlässige Entstehungsnachricht gelten zu können. — W. Flemmings Behauptung schließlich, Gryphius habe 1647 eine Reinschrift der Urfassung an den Straßburger Verleger Caspar Dietzel verkauft (Neudr. 261/2, S. IV), beruht auf einem Lesefehler (vgl. Vers VIII f.).
So R. A. Kollewijn, Uber den Einfluß des holländischen Dramas auf Andreas Gryphius (Diss. Leipzig 1880); P. Stachel, Seneca und das deutsche Renaissancedrama (Palaestra 46), Berlin 1907; W. Harring, Andreas Gryphius und das Drama der Jesuiten (Hermaea V), Halle 1907.
Neophilologus XIV, S. 195.
De Werken, hg. von R. Holst, V, 1931. Hier S. 223, V. 1373 ff.
Ganz ähnlich Oden, Bd 2, S. 10 (V, 3).
Vgl. Marc. 12, 17; Luc. 20, 25.
Vgl. Jes. 49, 23 (wo als Pfleger zwar die Könige, als Säug-Ammen aber nicht die Fürsten, sondern die Fürstinnen genannt werden) u. Jes. 60, 16.
Oden, Bd 2, S. 146. Sonette, Bd 1, S. 191, 197, 216, 217, 209. »Carolus« S. 83, 85, 112, 114, 138, 139. — Sehr aufschlußreich ist überdies, daß der Doppelcharakter des irdischen Fürsten als Märtyrer und Tyrann auch in der terminologischen Verwendung sich spiegelt: Fürst ist nicht nur Christus, sondern auch der Satan, der als Fürst der Finsternis und der Hölle, als Prinz der schwarzen Nacht, ja als „ergrimmter Fürst der Erden“ erscheint (Sonette, Bd 1, S. 203, 199, 189).
Vgl. V. Manheimer, Die Lyrik des Andreas Gryphius, Berlin 1904, S. 119 f. — Über das Verhältnis von Gryphius zu Heermann s. P. Böckmann, Formgeschichte der deutschen Dichtung, Bd 1, Hamburg 1949, S. 421 ff.
Obgleich W. Benjamin (Ursprung des deutschen Trauerspiels, S. 65 f.) an der Inschrift des LXXI. Blattes von Zincgrefs »Emblematum ethico-politicorum centuria« die Beziehung des fürstlichen Märtyrers zur Passion Christi entdeckte: „Wie Christus als König im Namen der Menschheit litt, so nach der Anschauung barocker Dichter Majestät schlechtweg“ — ging ihm die Bedeutsamkeit dieser Gleichung so wenig auf, daß er vom barocken Märtyrerbild feststellte: „Mit religiösen Konzeptionen hat es nichts gemein, der Immanenz entzieht sich der vollkommene Märtyrer so wenig wie das Idealbild des Monarchen. Im Drama des Barock ist er ein radikaler Stoiker und legt sein Probestück aus Anlaß eines Kronstreits oder Religionsdisputes ab, an dessen Ende Folter und Tod ihn erwarten.“
Bd 2, S. 109. Vgl. auch Oden, Bd 2, S. 61.
Vgl. Matth. 16,24; Marc. 8,43; Luc. 9,25.
Heermanns geistliche Lieder, S. 62 ff.
G. Schönle, Carolus Stuardus, S. 30: „Aber nicht schematisch und unlebendig tritt uns Karl entgegen. Trotz seines Gottvertrauens wird er vorübergehend von Zagen befallen.“
Vgl. Marc. 16,1; Luc. 23,56. — Im Leidensbericht heißt es, daß sie nicht mehr verwendet werden konnte, wie man es vorhatte; die Frauen kamen an ein leeres Grab. Entsprechend deutet Gryphius’ Anmerkung zu dem hier genannten Verse an, daß die Bitte des Königs fehlgeht — mit all der Undeutlichkeit, die zur Herstellung der Gleichung erforderlich ist: „Wie schnöde es mit diser Einsalbung der Leiche zugegangen/erzehlet Clamor Regii Sangvinis, so hirüber zu sehen.“ (S. 150)
Nahezu gleichlautend Gryphius’ Epigramm, Bd 2, S. 185 (XCV).
11,476; IV,29 ff., V,308 f., 326 f., 390 f.
Bezeichnet man die Buchstaben beider Namen durch ihre jeweilige Stellenzahl im Alphabet, wobei i und j als der gleiche Buchstabe behandelt werden (Judas = 10 20 4 1 18 und Poleh = 15 14 11 5 8), so ergibt deren Addition beidemale 53. Denkbar wäre auch ein biblisches Anagramm nach Acta I,18f.: „Et hic quidem possedit agrum … ita ut appellaretur ager ille lingua eorum Haceldama“. — Wenig überzeugend scheint mir H. Powells Anmerkung (IV, 272): „Poleh ist ein Anagramm von Ophel, und tatsächlich erinnert diese Szene an Shakespeares Ophelia, die durch das Verhalten Hamlets wahnsinnig wurde.“
Zuerst im Rungeschen Gesangbuch von 1653 (Nr. 183).
Vgl. die oben genannten Verse aus dem Karfreitags-Sonett: „Der alles deckt ist nackt/der Tröster ist verschmacht … Der Glantz der Herrligkeit/verschwind’t in herber Nacht | Der Segen wird ein Fluch/die vnerschöpffte Macht/| Hat keine Kräffte mehr ! den König aller Heyden/Erwürg’t der Knechte Schaar.“ (Bd 1, S. 202).
Die Deutung dieser Verse als Zeugnis für Eigennutz und Ehrgeiz der Sprecherin: „Sie selbst hofft, dadurch berühmt zu werden, ja vielleicht — dies wagt sie nicht ganz auszusprechen — Gemahlin eines Königs zu werden“ (G. Schönle, Carolus Stuardus, S. 44 f.), ist nach dem Wortlaut der Stelle keineswegs haltbar.
Vgl. Matth. 27,19. — Auch Theodosia, die Gemahlin des Leo Armenius, die den gefangenen Michael Baibus vor der Hinrichtung zu retten sucht, nähert sich diesem Modell.
Vgl. Matth. 27,45 ff — Einen Hinweis auf diese ebenso konsequente wie erstaunliche Korrektur verdanke ich der Rezension von R. Tarot (Euph. 57, 1963, S. 447).
Carolus Stuardus. — Dort (S. 38 ff.) eine genaue Bestimmung der Quellen.
Andreas Gryphius und die Bühne, Halle 1921, S. 236 und 241 ff. Ein noch weit schärferes Urteil über die Spätfassung gibt H. Powell (Introduction and Commentary zu seiner Ausgabe des »Carolus Stuardus«, University College Leicester, 1955, S. LXXXV). Er erläutert an der 1. Fassung das Verhältnis von Abhandlungen und Chören: „At intervals the poet summarises in the chorus the impressions which each progressive step in the action makes on him, and should make on the audience.“ Daß Gryphius dann in der 2. Fassung den ersten Reyen nicht mehr dem urspr. I. Akt folgen, sondern ihn vorangehen läßt (da er jetzt an den neuen I. Akt angeschlossen ist) und auch den zweiten Reyen entsprechend behandelt, hat nach Powells Ansicht eine schwerwiegende Folge: „the whole structure of the drama was seriously undermined and the inner unity destroyed.“ — Die Umstellung der beiden Reyen zerreißt aber keineswegs ihren Bezug auf die jeweilige Abhandlung, sondern verändert ihn lediglich. Es ist nicht schwierig, auch in der 2. Fassung eine Folgerichtigkeit von Abhandlung und Chor aufzuzeigen, wie Powell sie in etwas anderer Weise an der 1. Fassung darlegt; „the whole structure of the drama“ auf die in der 1. Fassung gewählte Abfolge von Abhandlung und Reyen zu gründen, ist schon deshalb sehr fragwürdig, weil die Umstellung dieses Aufbaus dem Dichter auch in ihren Folgen bewußt gewesen sein muß (was Powell ja selbst erklärt! S. XC) und er „the inner unity“ seines Trauerspiels zweifellos nicht so leichthin aufgegeben hätte — wenn sie darin bestünde.
Vgl. Schönle, Carolus Stuardus, S. 41.
Zu den Versen II,101.112.263.505; III,481; V,55.100.498.
Auf S. 3 stünde der Bericht über die Bibellesung des Bischofs am Morgen des Hinrichtungstages, auf S. 28 über eine Begegnung Karls mit seiner Tochter am Vortage, während S. 38 von Gefangenschaft, Verurteilung und Hinrichtung des Erzbischofs Laud erzählt; auf S. 43–48 wird angeblich über die Streitereien Karls mit den Schotten um Kirchengüter und Gleichschaltungsversuche der brit. und schott. Kirche berichtet, auf S. 66 folgt die Erzählung von der (früheren) Verweigerung des königl. Einzugs in Hull, und S. 83 widmet sich wiederum dem Bischof Laud. S. 99 berichtet über die Auslieferung Karls durch die Schotten, S. 110 dann vom Bespeien auf dem Rückweg vom Gericht.
Carolus Stuardus, S. 41.
Philemeri Irenici Elisii/Continuatio III./Diarii/Europaei … Dritter Theil Franckfurt/1660, S. 430–525. — Nur H. Powell in seiner Carolus Stuardus-Ausgabe (S. CXXXVI) hat auf diese Schrift hingewiesen; er erläutert die Wahrscheinlichkeit einer Bekanntschaft des Gryphius mit ihr, kommt aber nicht zu einer eindeutigen Erklärung über ihren Quellencharakter und zu irgendwelchen weiterführenden Schlüssen.
Außer den oben genannten auch die Anm. zu II,263.
Anm. zu II,505 und 112.
Anm. zu II,101 und III,481.
Vgl. etwa auch in der »Catharina« die Worte des Blutrichters über den Chach: „Deß grossen Königs Hand die Tod vnd lebend macht.“ (Bd 6, V,144).
Vgl. Luc. 2,30.
Dieser Reyen benutzt die Quelle des »Engeländisch Memorial« (vgl. G. Schönle, Carolus Stuardus, S. 11), wo berichtet wird, daß die Geistlichen erklärten, es würde die Religion zum Vorwande ungesetzlicher Handlungen benutzt.
So eindeutig diese Entscheidung ist: Indem Gryphius die Königsgegner ernst nimmt, so ernst, daß er den Widerstreit in einer absoluten, und das heißt in einer theologischen Alternative faßt, ergibt sich aus dem Gefüge des Trauerspiels ein verborgener Hinweis auf jene Bekanntschaft mit den spiritualistischen Reformbewegungen, die K. Viëtor für Gryphius’ Leidener Zeit vermutet, angesichts des radikal königsfreundlichen »Carolus Stuardus« aber selbst in Frage gestellt hat (Probleme der deutschen Barockliteratur, Leipzig 1928, S. 28f.). Die Aufnahme englisch-puritanischer Ideen durch Gryphius berührt auch L. M. Price im Eingangskapitel von English literature in Germany, Berkeley/Los Angeles, 1953. Keineswegs eine Parteinahme für die königsfeindlichen Sektierer in England, wohl aber eine — offenbar über Leiden vermittelte — Kenntnis ihrer Anschauungen und die Auseinandersetzung mit ihnen wird nahezu gewiß.
Das schlesische Kunstdrama, S. 32.
Poet. Trichter, 11,7.
G. Schönle, Carolus Stuardus, S. 5.
Z. B. »Catharina«, Bd 6, IV,37 ff. u. V,1 ff.
Z. B. »Cardenio und Celinde«, Bd 5, V,419 ff.
Das schlesische Kunstdrama, S. 21.
Die Bildlichkeit, S. 264. — Zu den Leichabdankungen vgl. neuerdings die Arbeit von Hans-Jürgen Schings: Die patristische und stoische Tradition bei Andreas Gryphius, die den hier berührten Problemen nachgeht.
Zur Beziehung der »Catharina von Georgien« auf die Passion Christi und dem Imitatio-Charakter ihres Martyriums vgl. jetzt Schings, S. 263 ff.
Das schlesische Kunstdrama, S. 27.
Ursprung des deutschen Trauerspiels, S. 219. — H. Powell erklärt, ohne das spezifische Gestaltungsprinzip des Dramas zu erkennen, daß Gryphius „had in mind the personal tragedy of Charles Stuart, and at the same time, the larger issue of human destiny“ und folgert aus der „relationship … between wordly events and higher truths“, daß „this drama is not symbolical, rather does it constitute an excellent exampel of the allegorical form common to all Gryph’s tragedies.“ (Introduction, S. LXXXIV/XCIII) Infolge seiner Unschärfe scheint der Allegorie-Begriff freilich eher geeignet, die charakteristischen Züge zu verdecken, als das Formproblem dieses Trauerspiels zu lösen.
Darüber ausführlich A. Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock.
Vgl. E. Auerbach, Figura (Arch. Rom. XXII, 1938, S. 436 ff.) und Typologische Motive in der mittelalterlichen Literatur (Schriften u. Vorträge d. Petrarca-Instituts Köln, II, 1953). — Neuerdings auch F. Ohly, Synagoge und Ecclesia. Typologisches in mittelalterlicher Dichtung (Miscellanea Mediaevalia Bd 4, 1966, S. 350 ff.).
Auerbach, Figura, S. 451.
S. 462 f.
S. 459 und 461.
S. 478.
Buch von der Deutschen Poeterey, II. Cap. (Neudrucke S. 8).
Vgl. Jerem. 23,29.
Zur genaueren typologischen Bestimmung und Abgrenzung dieser Gestaltungsweise und ihres Säkularisationscharakters vgl. A. Schöne, Säkularisation als sprachbildende Kraft, S. 274 ff.
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Schöne, A. (1968). Ermordete Majestät. Oder Carolus Stuardus König von Groß Britannien. In: Kaiser, G. (eds) Die Dramen des Andreas Gryphius. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99905-4_4
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