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Catharina von Georgien. Oder Bewehrete Beständigkeit

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Die Dramen des Andreas Gryphius

Zusammenfassung

Der klagende Boethius hat in seiner Zelle eine ungewöhnliche Erscheinung: zu ihm tritt ein Weib, „von ehrwürdigem Antlitz, mit funkelndem und über das gewöhnliche Vermögen der Menschen durchdringendem Auge, von leuchtender Farbe und unerschöpfter Jugendkraft, obwohl sie so bejahrt war, daß sie in keiner Weise unserem Zeitalter anzugehören schien. Ihr Wuchs war von wechselnder Größe; denn jetzt zog sie sich zum gewöhnlichen Maß der Menschen zusammen, jetzt aber schien sie mit dem Scheitel den Himmel zu berühren; und als sie noch höher ihr Haupt emporhob, ragte sie in den Himmel selbst hinein und entzog sich so dem Blick der Menschen.“ Ihre Autorität solchermaßen durch Aussehen und Wuchs beglaubigend, beginnt die Philosophia — um sie handelt es sich — ihr konsolatorisches Werk damit, daß sie die Musen der Dichtkunst davonjagt: „Sind sie es doch, die mit dem unfruchtbaren Dornengestrüpp der Leidenschaften die fruchtreiche Saat der Vernunft ersticken, die der Menschen Seelen an die Krankheit gewöhnen, nicht sie davon befreien.“1 Das hindert sie freilich nicht daran, sich nun ihrerseits der Poesie zu bedienen: bei weitem die meisten der hymnischen „Rhythmen“, die den Gang der „Consolatio Philosophiae“ begleiten, sind ihr in den Mund gelegt.

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Notizen

  1. Boethius, Trost der Philosophie. Lateinisch und deutsch, übertr. v. E. Gothein, Zürich 1949, 1, Pros. I, S. 39.

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  2. Auf dieses Dilemma weist auch A. Schöne hin (in vorliegendem Band S. 123 ff.).

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  3. Den Text der »Catharina von Georgien« zitiere ich mit Abhandlung (römisch) und Verszahl (arabisch) nach folgender Ausgabe: Andreas Gryphius, Trauerspiele III, hg. v. H. Powell (Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke, hg. v. M. Szyrocki und H. P., Bd 6), Tübingen 1966. Seitenangaben in Klammern beziehen sich ebenfalls auf diesen Band.

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  4. W. Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, revidierte Ausgabe, besorgt v. R. Tiedemann, Frankfurt a. M. 1963, S. 72 u. 75.

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  5. So kennzeichnet Gryphius die berühmte Definition der „aeternitas“, die der „unvergleichliche“ Boethius in »De consolatione philosophiae« (V, Pros. VI, ed. Gothein, S. 301) gibt. Andreas Gryphius, Dissertationes funebres, Oder Leich=Abdanckungen / Bey Unterschiedlichen hoch= und ansehnlichen Leich=Begängnüssen gehalten …, Leipzig 1667, S. 486 f. Ich zitiere das Werk künftig unter der Sigle D (mit Seitenzahl).

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  6. Ps.-Augustinus, Speculum Peccatoris, c. 3, PL 40,986; zitiert nach F. van Ingen, Vanitas und Memento mori in der deutschen Barocklyrik, Groningen 1966, S. 93.

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  7. Vgl. Hugo von St. Viktor, Didascalion III, 20; PL 176, 778.

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  8. Eine Reihe von Belegen aus Seneca und Cyprian bei H. Koch, Cyprianische Untersuchungen (Arbeiten zur Kirchengeschichte, Bd 4), Bonn 1926, S. 310.

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  9. Darauf macht M. Windfuhr in einer Untersuchung der Gryphschen Bildlichkeit nachdrücklich aufmerksam, ohne freilich die Gattungstradition zu berücksichtigen (Die barocke Bildlichkeit und ihre Kritiker. Stilhaltungen in der deutschen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts [Germanistische Abhandlungen 15], Stuttgart 1966, S. 194). Blickt man auf die Tradition, dann wird die weltanschauliche Auslegung eines solchen Befundes zumindest problematisch, auch wenn man — gerade im Fall Gryphius — nicht so weit gehen möchte wie F. van Ingen, der im Hinblick auf den Contemptus mundi erklärt: „Die Dichtung des 16. und 17. Jahrhunderts zeigt sich der jahrhundertelangen Tradition verpflichtet und fügt nichts wesentlich Neues mehr hinzu“ (Vanitas und Memento mori, S. 92, vgl. auch S. 87 und 90 ff.).

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  10. Die beiden letzten Verse — Gryphius verweist dazu S. 222 auf Juvenal — enthalten einen beliebten Topos des Memento mori, den man auch in den »Kirchhofsgedanken« wiederfindet. Die Rhetorik des Balthasar Kindermann empfiehlt ihn dann ausdrücklich für die Verfertigung von „Abdanckungen“ (Der Deutsche Redner / In welchen unterschiedliche Arten der Reden auf allerley Begebenheiten … zuverfertigen / enthalten sind …, Wittenberg 31665, S. 504).

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  11. Sonnette. Das Ander Buch, Nr. XLVI (Sonette, hg. v. M. Szyrocki, Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke, Bd 1, Tübingen 1963, S. 90).

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  12. Zum folgenden: H. J. Schings, Die patristische und stoische Tradition bei Andreas Gryphius. Untersuchungen zu den Dissertationes funebres und Trauerspielen (Kölner Germanistische Studien 2), Köln/Graz 1966.

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  13. Über die bedeutende Rolle dieser Schrift auch in der protestantischen Erbauungsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts handelt P. Althaus d. Ä., Forschungen zur evangelischen Gebetsliteratur, Gütersloh 1927, bes. S. 59 ff.

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  14. H. von Campenhausen, Die Idee des Martyriums in der alten Kirche, Göttingen 1936, S. 152 ff.

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  15. Das Exempel der „ruhmwürdigsten Fürstin Catharine“ eröffnet die »Folter Menschlichen Lebens« von 1648 (D 344 f.). Bei dieser Gelegenheit gibt Gryphius auch seine historische Quelle an: die »Histoires tragiques de nostre temps« des Sieur de Saint-Lazare (1635). J. Liebe nutzte diese Entdeckung als erster zu einer vergleichenden Analyse von Vorlage und Trauerspiel (Die Deutung des Gotteswillens in der Religion und im Drama des Andreas Gryphius, Diss. [Masch.] Leipzig 1921/22, S. 114 ff.). Nicht erreichbar war mir Z. Zygulski, Andreas Gryphius ›Catharina von Georgien‹ nach ihrer französischen Quelle untersucht, Lwów 1932. Den Text der Quelle hat jetzt Eugène Susini zugänglich gemacht: Claude Malingre, Sieur de Saint-Lazare, et son Histoire de Catherine de Géorgie, in: Etudes Germaniques 23, 1968, S. 37–53 (Korrekturnachtrag).

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  16. Die Bedeutung des Exemplarischen für die Geschichtsauffassung und die Figurengestaltung des 17. Jahrhunderts ist hinlänglich bekannt. Zur dramaturgischen Theorie des Exempels in der Nachfolge der aristotelischen Poetik (c. 9) verweise ich auf Daniel Heinsius, De Tragoediae constitutione liber. In quo inter caetera, tota de hac Aristotelis sententia dilucide explicatur, Lvgdvni Batavorum 1611, c. 5, S. 53 ff. Vgl. dazu die Erläuterungen von E. Geisenhof, Die Darstellung der Leidenschaften in den Trauerspielen des Andreas Gryphius, Diss. (Masch.) Heidelberg 1957, S. 45 ff.

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  17. E. R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern/München 31961, S. 148 ff.

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  18. Vorrede zum »Leo Armenius«, Trauerspiele II, hg. v. H. Powell, Tübingen 1965, S. 3.

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  19. Dieses Hiob-Motiv hat Gryphius besonders angezogen (vgl. Schings, Die patristische und stoische Tradition, S. 145 ff.). — Es spricht vieles dafür, daß sich in der „charakteristisch geringen Rolle“ des Schöpfungsgedankens ein spezifisch protestantischer Zug von Gryphius’ Weltbild ausprägt (G. Fricke, Die Bildlichkeit in der Dichtung des Andreas Gryphius [Neue Forschung 17], Berlin 1933, S. 108 ff.). So führt auch H. Heckmann das Weltbild des Trauerspiels auf die „Erbsündlichkeit“ zurück, „wie sie seit der Reformation wieder stärker in den Vordergrund des theologischen Disputs tritt“ (Elemente des barocken Trauerspiels. Am Beispiel des »Papinian« von Andreas Gryphius, München 1959, S. 117 f. u. 274). Freilich ist auch dabei zu berücksichtigen, daß die asketische Tradition sich zu ihren Zwecken seit jeher ein einigermaßen „düsteres“ Bild der Welt erstellte. Vgl. dazu F. van Ingen, Vanitas und Memento mori, bes. S. 301 ff.

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  20. Vgl. dazu auch R. Bauer, „Das gemißhandelte Schicksal“. Zur Theorie des Tragischen im deutschen Idealismus, in: Euph. 58, 1964, S. 249.

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  21. Die durchaus unlutherische Herkunft der Gryphschen „Märtyrerstimmung“ betont namentlich H. Schöffler. Er führt sie auf die besondere Lage Schlesiens zurück, das alle geistigen Strömungen der Zeit in sich aufzunehmen wußte, darunter auch die jesuitische Gegenreformation (Deutsches Geistesleben zwischen Reformation und Aufklärung. Von Martin Opitz bis zu Christian Wolff, Frankfurt a. M. 21956, S. 85 ff.). Das Thema »Andreas Gryphius und die Dichtung der Jesuiten« hat zuletzt M. Wehrli behandelt (Stimmen der Zeit 90, 1964/65, S. 25–59). Auch Wehrli erblickt in der jesuitischen Askese einen entscheidenden Ausgangspunkt für das Gryphsche Vanitas-Pathos, es sei „spätmittelalterlichen und wieder gegenreformatorischen Geistes, vor allem aber jesuitisch“ (S. 30). Eine Quelle, die über diese Zusammenhänge wertvolle Aufschlüsse gibt, ist der von Gryphius mehrfach zitierte, von der Forschung jedoch bislang übersehene »Philosophus Christianus« des Jesuiten Carolus Scribanius (1614). — Wie sich anderseits gerade an einem Stoff, den das Jesuitendrama bereits bearbeitet hat, in Gryphius’ Händen die Akzente verlagern, um lutherische Implikationen freizusetzen, zeigt G. Kaisers Auslegung des »Leo Armenius« in vorliegendem Band.

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  22. Seneca, De prov. 11,9. Vgl. auch de tranq. XI,5. Zur gladiatorischen Haltung von Sene-cas Ethik vgl. O. Regenbogen, Schmerz und Tod in den Tragödien Senecas, jetzt in: O. R., Kleine Schriften, hg. v. F. Dirlmeier, München 1961, bes. S. 458 f.

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  23. Tertullian, Adversus Gnosticos scorpiace, c. 5; PL 2, 134.

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  24. Basilius, Homilia XIX,8; PG 31, 523 — Joh. Chrysostomus, Laudatio sancti martyris Barlaam, PG 50, 679 f.

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  25. Augustinus, sermo 275,1; PL 38, 1254.

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  26. Augustinus, sermo 304,1; PL 38, 1395.

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  27. Augustinus, sermo 280,4; PL 38, 1282.

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  28. Augustinus, sermo 302,2; PL 38, 1386. Vgl. auch sermo 345 (De contemptu mundi), PL 39, 1517 ff. — Im Mittelalter, so bei Thomas von Aquin, geht der contemptus mundi geradezu in die Definition des Märtyrers ein: „martyr dicitur quasi testis fidei Christianae, per quam nobis visibilia pro invisibilibus contemnenda proponuntur“ (S.th.II-II, q. 124, a. 4 c).

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  29. Dazu A. Schöne, Emhlematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 1964, S. 190 ff.

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  30. D 662 f.: „Nenne es [das Leben] … mit Pachymere einen Spielplatz / so wirst du auff selbigem den beqvemesten Zeug zu den beweglichsten Traurspielen schauen; mit Socrate ein Spiel / so wirst du in selbigen dein höchstes Heil auff setzen …“ — Die Strukturprobleme des Trauerspiels, die mit dieser heilspädagogischen Auffassung von „Spiel“ und „Trauerspiel“ zusammenhängen, hat E. Geisenhof als ein „Transzendieren“ auf eine „geistliche Wirklichkeit“ hin beschrieben und mit dem Terminus ‚Allegorie‘ bezeichnet (Die Darstellung der Leidenschaften, S. 267 ff.). Ohne den allzu vieldeutigen Allegorie-Begriff zu verwenden, macht jetzt W. Eggers diesen Ansatz zum Gegenstand einer breit angelegten Untersuchung über »Wirklichkeit und Wahrheit im Trauerspiel von Andreas Gryphius« (Probleme der Dichtung 9, Heidelberg 1967). „Wahrheit“ bedeute dabei „Sinngebung der Welt aus der göttlichen Offenbarung“, „Wirklichkeit“ die „immanent gedeutete Welt, deren Scheinhaftigkeit gegenüber der ‚Wahrheit‘ das Trauerspiel dem wirklichkeitsbefangenen Zuschauer klarmachen will“ (S. 21 f.). Doch gerade angesichts der Märtyrerfigur scheint mir nicht zuzutreffen, daß nun der gesamte Vorgang des Trauerspiels nichts als eine einzige „Ent-täuschung“ sei (S. 95 ff.). Das Schein-Sein-Schema, gewonnen vor allem an »Cardenio und Celinde«, übersieht ein anderes Strukturelement des Trauerspiels: den exemplarischen Charakter des Märtyrers.

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  31. Den Stand der Diskussion über diese vermeintlich barocke (Strich, Pliester), tatsächlich aber der lateinischen Tradition zugehörige Figur (Viëtor, Curtius) verzeichnet K. O. Conrady, Lateinische Dichtungstradition und deutsche Lyrik des 17. Jahrhunderts (Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur 4), Bonn 1962, S. 148 ff. und 224 ff. Vgl. auch A. Beck, Über einen Formtypus der barocken Lyrik in Deutschland und die Frage seiner Herkunft. Mit Exkurs: Übereinen möglichen Ursprungsort der asyndetischen Worthäufung im Barock, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1965, S. 1–48.

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  32. M. Opitz, Buch von der deutschen Poeterei, hg. v. W. Braune (Neudrucke deutscher Literaturwerke, Nr. 1), Tübingen 61954, c. V, S. 20. Das Vorbild: Julius Caesar Scaliger, Poetices libri septem, Lugduni 1561, III, 97, S. 144: „Res Tragicae grandes, atroces, iussa Regum, caedes, desperationes, suspendia, exilia, orbitates, parricidia, incestus, incendia, pugnae, occaecationes, fletus, vlulatus, conquestiones, funera, epitaphia, epicedia.“

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  33. Vgl. Augustinus, sermo 84, 2; PL 38, 519 f.

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  34. Seneca, De tranq. XI,9: „Scito ergo omnem condicionem versabilem esse et quicquid in ullum incurrit posse in te quoque incurrere.“ — XI,12: „In tanta rerum sursum ac deorsum euntium versatione …“

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  35. Vgl. auch Seneca, De tranq. X, 6: „Nec invideamus altius stantibus; quae excelsa videbantur, praerupta sunt.“ — De brev. vitae XVII, 4: „Omne enim quod fortuito obvenit instabile est, quoque altius surrexerit, opportunius est in occasum.“ Beispiele aus der patristischen Literatur: Schings, Die patristische und stoische Tradition, S. 159 ff. Eine exzellente Verarbeitung des Motivs bietet die (auch von Gryphius zitierte) »Homilia in Eutropium Eunuchum Patricium ac Consul ein« des Johannes Chrysostomus (PG 52, 391 ff.).

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  36. W. Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, S. 51.

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  37. Folter Menschliches Lebens, D 348 ff.: „Von dem Nun an / in welchem wir gebohren / umfieng uns der Kärcker / und ehe wir das Liecht erblicket / hat uns der in Bande gesetzet / welchem der weite Bau des Him̅els zu enge. Wer glücklich heraus gelangen wil / muß sich nicht ob dessen Finsternüß / auch nicht ob der darinnen vorgehenden Marter entsetzen … Wir sind in dieser Welt fester als in den Latumiis verhütet; zwar in dem Kärcker (so redet Chrysostomus) finden wir viel mit Ketten gebunden und umgeben / aber lasset uns / hindan gesetzt aller Einbildungen / eines iedweden Leben beobachten / und sein Gemüth beschauen / so werden wir erfahren / daß er viel strenger verwahret. Wir sind in dem unterirrdischen Thesauro fern von der Wollust des ewigen Liechtes“ usf. Die Chrysostomus-Stelle: in Matth., hom. 14, PG 57, 222: „Nam haec vita carcere nihilo melior est; sed sicut cum in domicilium illud introimus, omnes videmus catenis circumdatos …“

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  38. Vgl. A. Schöne, S. 131 im vorliegenden Band.

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  39. Gryphius verweist dazu auf das „niemal genung=gelobete Gedichte Ausonii von den Rosen. Edyll. XIV.“ (S. 223). Vgl. D. Magni Ausonii Burdigalensis Opera, ed. J. Tollius, Amstelodami 1671, S. 520–524. — Ausführliche Analysen des Gleichnisses geben G. Fricke, der die allegorische Bauform herausarbeitet (Die Bildlichkeit, S. 220 ff.), und D. W. Jöns, der vor allem die in der mittelalterlichen Tradition fundierte Verbindlichkeit und Allgemeingültigkeit des Rosen-Sinnbilds hervorhebt (Das ‚Sinnen-Bild‘. Studien zur allegorischen Bildlichkeit bei Andreas Gryphius [Germanistische Abhandlungen 13], Stuttgart 1966, S. 105 ff.).

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  40. C. Heselhaus, Gryphius. »Catharina von Georgien«, in: Das deutsche Drama I, hg. v. B. v. Wiese, Düsseldorf 1962, S. 54, vgl. auch S. 57. — Einer solchen Idealisierung des Chachs hatte schon W. Flemming das Wort geredet (Vondels Einfluß auf die Trauerspiele des Andreas Gryphius, in: Neophilologus 14, 1929, S. 112 ff.). Noch weiter ging dann G. Rühle, der behauptet: „Die Hauptpersonen dieser rein immanenten Handlung, also Leo Armenius, Chach Abas, Bassian und auch die Revolutionäre im »Carl Stuart« sind in gewisser Weise durchaus schon tragische Menschen“ (Die Träume und Geistererscheinungen in den Trauerspielen des Andreas Gryphius und ihre Bedeutung für das Problem der Freiheit, Diss. [Masch.] Frankfurt a. M. 1952, S. 39). Da nämlich „Autonomie“ und „Freiheit“ des „immanenten“ Menschen von Gott nicht zugelassen werden, entspringe dem „Erlebnis der Üb ermächtigung durch Gott“ Trauer und Tragik des Trauerspiels (S. 120). Wie wenig Rühle mit diesem ganz unbarocken Ansatz Gryphius gerecht wird, zeigt sich daran, daß in dieser Auseinandersetzung zwischen Gott und dem auf Autonomie dringenden Menschen der Märtyrer nur noch eine Hilfsfunktion erfüllt: er wird zum Gegenspieler des Tyrannen — während das Gegenteil richtig ist. — Der gleichen Tendenz folgend erklärt B. Markwardt: „Wenn es Gryphius trotzdem gelungen ist, ein Tragisches hineinzuformen, so nicht mit Hilfe der ‚bewährten Beständigkeit‘ der christlichen Glaubensheldin, sondern mit Hilfe ihres Gegenspielers, des heidnischen Perserschahs Abas.“ Man will die Tragödie und greift so zu gewagten Konstruktionen: „Soweit Barock Religion war, ist Catharina die Heldin, soweit Barock Kunst war, ist Abas zum Helden geworden; deshalb zum Helden geworden, weil Gryphius nicht nur christlicher Barockdichter, sondern im Kern seines Wesens als Künstler ein in das 17. Jh. verirrter Tragiker war“ (Geschichte der deutschen Poetik, Bd I: Barock und Frühaufklärung, Berlin 21958, S. 459). Uberdeutlich ist wiederum die fatale Neigung, Gryphius mit modernen Maßstäben zu messen, ihn sogar „irgendwie“ an die „Dämonie Kleists“ und das „bohrende Grüblertum in Fr. Hebbel“ (S. 458) heranzurücken. Ohne Gewaltsamkeiten und Verzerrungen geht es dann nicht ab. Angesichts solcher Deutungen kann man nur dem Diktum von C. Heselhaus zustimmen: „Mir scheint, daß die Zeit für ein abschließendes Urteil solange noch nicht gekommen ist, als man den Geist und die Voraussetzungen dieser Tragödien nicht erkannt hat“ (Das deutsche Drama I, S. 37).

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  41. So anregend und erhellend die Strukturanalyse von C. Heselhaus auch ist; so sehr man einverstanden ist, wenn er die verschiedenen Strukturelemente „Aspekte“ der Märtyrertragödie nennt und ihre „Einheit“ betont (ebd., S. 39 ff.), so wenig wird seine Auslegung dieser Einsicht gerecht. Denn diese „Aspekte“ emanzipieren sich schließlich doch und fixieren sich als Leidenschaftstragödie und Rachedrama Chachs, ohne daß ihr integrierender Stellenwert im Zusammenhang des Märtyrerthemas hinreichend berücksichtigt wird.

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  42. Augustinus, sermo 276, 2; PL 58, 1256: „Duplicem, dixi, aciem producit mundus contra milites Christi. Blanditur enim, ut decipiat; terret, ut frangat …“. Vgl. auch H. v. Campenhausen, Die Idee des Martyriums, S. 147.

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  43. Nicht zufällig läßt Gryphius im Chach die beiden Hauptaffekte Liebe und Zorn (Grimm, Rache) aufeinanderprallen. Das entspricht der traditionellen Affektenlehre, die „cupiditas“ und „ira“ (ἐπιϑυμία-ὀϱγή) als die affektiven Grundimpulse ansieht und aus ihnen alle weiteren Affekte systematisch ableitet. Zur zeitgenössischen Affektenlehre vgl. bes. W. Dilthey, Die Funktion der Anthropologie in der Kultur des 16. und 17. Jahrhunderts, in: W. D., Gesammelte Schriften, Bd II, Leipzig/Berlin 21921, S. 146 ff.; ferner O. Regenbogen, Schmerz und Tod in den Tragödien Senecas, S. 421 ff., und E. Geisenhof, Die Darstellung der Leidenschaften, S. 14 ff.

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  44. Mit der Gestaltung der Affektrede bei Seneca und bei Gryphius befaßt sich Geisenhof, ebd. S. 160 ff.

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  45. Oden. Das Andere Buch, Nr. VI (Oden und Epigramme, hg. v. M. Szyrocki, Gesamtausgabe, Bd 2, S. 46 ff.).

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  46. Cardenio und Celinde II, 87 (Gesamtausgabe, Bd 5, S. 126).

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  47. Cardenio und Celinde, Inhalt deß Trauerspiels, ebd. S. 104.

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  48. So auch Heselhaus, Das deutsche Drama I, S. 53. Zur Identität von „Noth“ und „fatum“ vgl. Schings, Die patristische und stoische Tradition, S. 196 ff.

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  49. Augustinus, sermo 275, 2; PL 38, 1254 f.; vgl. auch sermo 276, 3; PL 38, 1257.

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  50. Ps.-Augustinus, Meditationes, c. 35; PL 40, 930.

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  51. Vgl. A. Dihle, Artikel ‚Ethik‘, in: Reallexikon f. Antike u. Christentum, Bd 5, 1965, Sp. 771 f.

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  52. De vita beata VIII, 6.

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  53. Justus Lipsius, Von der Bestendigkeit [De Constantia], Faksimiledruck der deutschen Übersetzung des Andreas Viritius nach der zweiten Aufl. von c. 1601, mit den wichtigsten Lesarten der ersten Aufl. von 1599, Stuttgart 1965, I, 5, Bl. 13v.

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  54. Lipsius, De const. I, 5, Bl. 14 f.

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  55. Vgl. auch Lipsius, De const. II, 13, Bl. 112v. Lipsius vergleicht in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Weltherrschaft Gottes und die Bestrafung des Tyrannen mit einer Tragödie, deren (böses) Ende nie ausbleibt: „Warumb bistu dann in diesem der Welt Spiel auff GOtt vngedültiger / als sonsten auff eine Poeten? Ja / jener Gottloser blühet / jener Tyrann lebet. Las es sein. Gedencke aber / das dieses der erste Act sey / vnd habs in deinem Gemüt für war vnd gewies / das diese seine frewde in weinen vnnd schmertzen werde verkehret vnd verwandelt werden. Diese Scaena wird bald voller Blut fliessen / vnd diese Purpur vnd gülden Stück in demselben geweltzet vnnd besudelt werden. Dann vnser Herr Gott ist ein guter Poet / vnd wird die leges dieser Tragoedien nicht leichtlich brechen“ (Bl. 109 f.).

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  56. Lipsius, De const. II, 13, Bl. 113r.

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  57. Sehr schön hat E. Auerbach gezeigt, welche Umdeutungen gerade im Bezirk der Leidenschaften nötig waren, ehe eine moderne Tragödie möglich wurde: „Die irdische Begierde, bei den Griechen und auch bei Shakespeare als natürlicher Vorgang, als freundliches oder schreckliches Geschenk der Götter, doch stets als ein irdisches Menschengeschick betrachtet, im christlichen Mittelalter als böse und schlechthin niedrig bekämpft, ist zum Range eines selbständigen, prinzipiellen und autonomen Seeleninhalts, zu etwas an sich Bewunderungswürdigem und Erhabenem aufgestiegen und droht an die Stelle des Christentums und überhaupt jeder frommen Demut eine Art Metaphysik der Leidenschaften zu setzen“ (Racine und die Leidenschaften, jetzt in: E. A., Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Bern/München 1967, S. 199). Für Gryphius ließe sich ähnliches nie behaupten. Er ist kein revolutionärer Neuerer.

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  58. Wie auch sonst die Feuer-Metaphorik des Affekts in eine geistliche Metaphorik für Heil und Verdammnis übergehen kann, zeigt das Sonett »An den Heiligen Geist«, dessen Terzette so lauten: Es hitzt in mir / es hitzt ein höllisch=kaltes Brennen / O Flamme / die wir GOtt und lebendsmachen nennen / O komm und zünd’ in mir dein schütternd Feuer an ! Verzehr / O reine Gluth / die Zunder meiner Flammen / Die Fackeln / die in mir / mir leuchten zum Verdammen / Weil vor dir Seuch und Höll und Todt nicht stehen kan. (Sonette aus dem Nachlaß, Nr. X, in: Gesamtausgabe, Bd 1: Sonette, S. 99). Auf die Metaphorik des Brandes in der »Catharina« hat zuerst Heidel Joos aufmerksam gemacht (Die Metaphorik im Werk des Andreas Gryphius, Diss. [Masch.] Bonn 1956, S. 106 ff.). Daß der Chach „gerade durch die Flammen- und Brandmetaphern mit den höllischen Mächten in Verbindung gebracht“ wird, stellt auch E. Geisenhof fest (Die Darstellung der Leidenschaften, S. 134, Anm. 1). Es trifft jedenfalls nicht zu, wenn E. Lunding behauptet, die Hölle werde im Prolog nur aus künstlerischen Gründen der „Symmetrie im Bühnenbild“ genannt, während sie „im Drama selbst“ „keine Rolle“ spiele (Das schlesische Kunstdrama, Kopenhagen 1940, S. 27). In der reichen Variation der Feuer-Metaphorik zeigt sich im übrigen deutlich der an der Emblematik geschulte Blick des Allegorikers. Welche Möglichkeiten die Sinnbildkunst gerade für das Feuer bereithält, ersieht man z. B. aus den Dutzenden von Feuer-Emblemen in Filippo Piccinellis »Mundus Symbolicus, in emblematum universitate formatus, explicatus, et tam sacris, quàm profanis Eruditionibus ac Sententiis illustratus« (lat. Ausgabe, Köln 1681, 1. II, c. 1, S. 61–66).

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  59. Ich kann C. Heselhaus nicht folgen, wenn er (obgleich bei ihm auch von „eschatologischen Angstvorstellungen“ die Rede ist) bemerkt: „Zuletzt aber wird diese religiös verzückte und geistig erhabene Tragödie noch wieder in den irdischen Kreis einer moralischen Geschichtsdeutung herabgeholt: die Tragödie schließt als ein Rachedrama“ (Das deutsche Drama I, S. 43). Zutreffend hat dagegen, wie mir scheint, P. B. Wessels das eschatologische und heilsgeschichtliche Moment des gesamten Dramas erkannt: Das Geschichtsbild im Trauerspiel ›Catharina von Georgien‹ des A. Gryphius (Tilliburgis, Nr. 7), ’s-Hertogenbosch 1960.

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  60. Lipsius, De const. I, 5, Bl. 14v–15r.

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  61. Augustinus, De civ. Dei XIX, 4; PL 41, 629. Vgl. dazu: Schings, Die patristische und stoische Tradition, S. 254 ff. In umfunktionierter Form erscheint übrigens das augustinische Argument noch bei Bertold Brecht, wenn die Mutter Courage räsoniert: „Überhaupt, wenn es wo so große Tugenden gibt, das beweist, daß da etwas faul ist“, denn „In einem guten Land brauchts keine Tugenden …“ (Stücke VII, Berlin 1962, S. 89).

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  62. Vgl. Augustinus, De civ. Dei XIV, 9; PL 41, 414 f. — Belege aus dem 17. Jahrhundert: G. J. Vossius, De Theologia Gentili, et Physiologia Christiana … III, 36, in: G. J. V., Opera, Bd V, Amstelodami 1700, S. 334; Petrus Geesteranus, De Constantia Christiana, Lugduni Batav. 1679, III, § 5, S. 224 ff. — Überzeugend drückt Bernhard von Clairvaux in seiner berühmten Totenrede auf den Bruder Gerhard diese betont anti-stoische Haltung aus: „Sentio, sentio vel invitus, quia nec fortitudo lapidum fortitudo mea, nec caro mea aenea est, sentio prorsus et doleo, et dolor meus in conspectu meo semper … Affectum meum confessus sum, et non negavi. Carnalem quis dixerit: ego humanuni non nego, sicut nec me hominem. Si nec hoc sufficit, nec carnalem negaverim. Nam et ego carnalis sum, venundatus sub peccato, addictus morti, poenis et aerumnis obnoxius. Non sum, fateor, insensibilis ad poenas, mortem horreo meam et meorum …“ (Sermo 26 in Cantica Canticorum, c. 9, PL 183, 909). Gryphius kennt und zitiert nicht nur diese Rede (D 456), er bekennt sich zu den gleichen Erfahrungen.

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  63. Lipsius, De const. I, 4, Bl. 10r.

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  64. Dazu J. Liebe, Die Deutung des Gotteswillens in der Religion und im Drama des Andreas Gryphius, Diss. (Masch.) Leipzig 1921/22.

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  65. Schings, Die patristische und stoische Tradition, S. 150 ff.

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  66. De const. II, 8, Bl. 92 ff. Seneca hat das Thema eingehend in »De Providentia« behandelt.

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  67. Zur radikalen Umdeutung der stoischen „passio“ in der Tradition der christlichen Brautmystik, deren Wirkung hier evident ist, vgl. vor allem E. Auerbach, Passio als Leidenschaft, in: E. A., Gesammelte Aufsätze, S. 161 ff., sowie ‚Gloria Passionis‘, in: E. A., Literatursprache und Publikum in der lateinischen Spätantike und im Mittelalter, Bern 1958, S. 54 ff.

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  68. Darauf macht schon V. Manheimer aufmerksam: Die Lyrik des Andreas Gryphius. Studien und Materialien, Berlin 1904, S. 142 f., Anm. 2.

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  69. Belege bei Schings, Die patristische und stoische Tradition, S. 239.

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  70. P. Geesteranus, De Constantia Christiana I, § 38, S. 56.

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  71. Eine eingehende Interpretation von Catharinas „Beständigkeit“ gibt jetzt E. M. Szarota, Künstler, Grübler und Rebellen. Studien zum europäischen Märtyrerdrama des 17. Jahrhunderts, Bern/München 1967, S. 191 ff. Sie begreift die Struktur des Trauerspiels als „Spannungsfeld“ zwischen Zeit und Ewigkeit; dazwischen „befindet sich ein besonderer Bereich, der der Beständigkeit, der an beiden teilhat. Beständigkeit ist die höchste Tugend innerhalb der Zeit, sie ist aber auch diejenige Tugend, die die Pforte der Ewigkeit erschließt“ (S. 191). Dennoch hält sie auch unter solchen Umständen die Constantia für eine unabdingbar stoische Tugend, die allenfalls im Lichte des Kontexts christlich erscheinen kann — keinesfalls aber lutherisch. Denn einen Ubergang zwischen dem ‚pessimistischen‘ lutherischen Menschenbild und dem ‚optimistischen‘ Beständigkeitsbegriff könne es nicht geben. In dieser Abstraktion indessen ist das ein Scheinproblem, das die Auskunft der Quellen widerlegt. So läßt der lutherische Prediger Joachim Rachel die Reihenfolge der Constantia-Definitionen zwar mit der stoischen Version beginnen, überführt sie aber dann mit Hilfe Bernhards und des lutherischen Theologieprofessors David Chytraeus ins Christliche: „Jener Philosophus sagt, Constantia sey rectum et immotum animi robur, non elati externis, aut fortuitis non depressi … Jedoch aber / weil es kein Heyde sagen kan / was sey Christliche Beständigkeit / fahren diese wol; wir wenden vns nicht vnbillig zu andern. Bernhardus ein andächtiger Kirchenlehrer spricht von der Edlen Constantia oder Beständigkeit / Sie sey Unica filia summi Regis, finis Virtutum earumque Consummatio totiusque boni repositorium et virtus, sine quâ nemo Deum viderit … Der Herr Chytraeus, weyland gewesener Doctor der heiligen Schrifft vnd Professor in der löblichen Vniversität zu Rostock / schreibet in Margaritâ Theologicâ, daß die Constantia sey In verâ cognitione DEI et fide in CHRISTUM constanter et perpetuò usque ad extremum vitae spiritum permanere, nec ullis rebus secundis vel adversis frangi, ut pietas vera abiiciatur …“ (Constantia Theologica, Das ist / Christliche Beständigkeit …, Franckfurt 1651, c. 2, S. 29 ff.). Zur Einbürgerung der stoischen Constantia in die christliche Tradition — sie erfolgt schon in der patristischen Literatur — vgl. auch W. Welzig, Constantia und barocke Beständigkeit, in: DVjs. 35, 1961, S. 416 ff.

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  72. Betont C. Heselhaus (Das deutsche Drama I, S. 50) namentlich die „rechte christliche Freiheit“ im Sinne Luthers, so stützt sich Szarota (Künstler, Grübler und Rebellen, S. 197 ff.) vor allem auf die Wendung, Catharina habe „Reich / vnd sich / in sich gefunden“, denn dieses „in sich“ weise „auf die Verinnerlichung des Glaubens, wie sie Luther anstrebte“ (S. 198). Nur ist von der Art des Glaubens in diesem Zusammenhang gar nicht die Rede, sondern vom Festhalten an der „Gott-Verlobtheit“. Wenn Szarota dann behauptet: „Es bedeutet, daß der ‚innerliche Mensch‘ von äußeren Dingen, Glück und Unglück, Reichtum oder Armut, Gesundheit oder Krankheit, völlig unabhängig ist“, und glaubt, dies sei spezifisch lutherisch, so irrt sie; denn das gleiche behaupten seit jeher Philosophen, Mystiker und Asketen jeglicher Provenienz. Ein gutes Beispiel, in dem sich platonische und christliche Züge vereinen, findet man etwa bei Daniel Heinsius: „Hoc praestare non posse [sc. animum], nisi in se abeat, nisi curas reliquas ableget, nisi auaritiae, ambitioni, reliquisque vitijs renuntiet, nisi sui juris sit, nisi imperium in earn partem, quae vocatur ἄλγον, sibi vindicet, nisi se ab omni perturbatione vindicatum includat sibi, nisi mente penitus fruatur, quae est flos quasi animi, et in suprema parte, tanquam arce quadam, collocata …“ Und wenig später heißt es dann, „vt ipsa mens nostra, postquam sic a sensibus est separata; cum obiecto suo coniungatur. Quod est Deus“ (De Contemptv Mortis Libri IV, Lvgdvni Batavorum 1621, Summa Doctrinae quae singulis Libris De contemptu mortis continetur, S. 112 und 118). — Noch weniger leuchtet ein, wenn Szarota dieses Drama der „Ewigkeit“ endlich gar als politisch-konfessionelle Kampfschrift verstehen will, die auf dem „Grunderlebnis des katholisch-evangelischen Gegensatzes“ basiere und den Kampf „einer unterdrückten Kirche gegen die Gewalt und den Zwang der katholischen Kirche und ihres Schutzherrn, des Hauses Habsburg“ darstelle (S. 214). Diese Thesen (S. 204 ff.) beruhen auf Spekulation (Szarota bringt sogar die keineswegs geklärten Datierungsfragen damit in Zusammenhang). Die bisherige Gryphius-Forschung jedenfalls hat von einem solchen kämpferisch-konfessionellen Engagement Gryphius’ nichts wahrgenommen, sie verstand Gryphius zu Recht als einen Ireniker. So insbesondere K. Viëtor, der erklärt: „Ich kenne keine Stelle in seinem Werk, die ein betont-dogmatisches Luthertum oder konfessionellen Eifer verriete. Auch in seinem öffentlichen Auftreten meidet er jede dogmatische Schärfe: seine Leichenreden … enthalten keinerlei konfessionelle Anspielung oder Apologetik. Immer ist auch hier nur von den allgemeinen christlichen Wahrheiten die Rede“ (Probleme der deutschen Barockliteratur [Von deutscher Poeterey, Bd 3], Leipzig 1928, S. 30).

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  73. Vgl. Schings, Die patristische und stoische Tradition, S. 22 ff. und 277 ff.

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  74. Tertullian, Apologeticus, c. 50; PL 1, 535. Weitere Belege bei H. v. Campenhausen, Die Idee des Martyriums, S. 161 f.

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  75. Vgl. D 367, 424, 485, 642.

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  76. Die Personenanweisung zu Beginn der Szene sowie die in der Ausgabe von 1663 eingerückten Bühnenanweisungen („Der Geist erscheint“ — „Verschwindet“) widersprechen klar der Annahme von Heselhaus, es handle sich hier nur um die „Ausgeburt seiner [Chachs] erschreckten und geängsteten Seele“ (Das deutsche Drama I, S. 55).

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  77. Ebd., S. 54.

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  78. Ebd., S. 57 f.

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Gerhard Kaiser

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Schings, HJ. (1968). Catharina von Georgien. Oder Bewehrete Beständigkeit. In: Kaiser, G. (eds) Die Dramen des Andreas Gryphius. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99905-4_2

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