Zusammenfassung
Wir müssen uns jetzt einer etwas eingehenderen Untersuchung von Gottscheds Angriff auf den periodischen Satz des Kanzleistils und den Kanzleistil ganz allgemein zuwenden. Die große Zeit des Kanzleistils hatte im Humanismus begonnen, und sein Vorbild war Cicero gewesen. Schon vorher hatte er sich durch lange Sätze und Tautologien vornehmlich ausgezeichnet. Jetzt, und zwar bis zu einem gewissen Grade als Folge des wieder auflebenden Interesses an der Latinität, traten andere stilistische Eigentümlichkeiten in den Vordergrund.1 Und das waren die Eigentümlichkeiten, die auch den Kanzleistil noch zu Gottscheds Zeiten beherrschten. Hier sind sie :
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1.
Weitestgehender Gebrauch der connexio verbalis. Übermäßige Verknüpfung von Sätzen durch abgedroschene Konjunktionen (dieweil, als, maßen, wiewohl, etc.). Besonders anstößig wirkte die schwerfällige Protase mit einleitendem wiewohl oder demnach, auf die jeweils eine Apodosis mit als folgte, obwohl diese connexio in keiner Weise mit einer entsprechenden inhaltlichen Beziehung übereinstimmte.
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2.
Übermäßiger Gebrauch von Periphrase und Variation. Zu den häufigsten Formen der Periphrase gehörte der Gebrauch faktisch doppelter Verneinung für Bejahung, zum Beispiel: nicht nur … sondern auch = und; oder einer Redensart wie Mir zweifelt nicht, daß … = ich weiß. Zu den häufigeren Formen der variatio gehörte die tautologische Häufung von Synonymen, einschließlich der Titel.
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3.
Beimischung von Fremdwörtern und fremdsprachlichen Redensarten. Diese blieben zunächst (unter dem Einfluß der Juristensprache) aufs Latein beschränkt, doch finden sich im siebzehnten Jahrhundert auch Übernahmen aus den modernen Nachbarsprachen, besonders dem Französischen (worin sich der Einfluß der Hofsprache zeigt).
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4.
Ein Grundton liebedienerischer Höflichkeit.
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Anmerkungen
Geliert »Sämmtliche Schriften«, 1774, Bd X, S. 68.
Dieses Zitat ist dem Brief vom 17. XL 1774 an Brückner in »Briefe von J. H. Voß«, hrsg. v. Abraham Voß, Bd I, 1829, 21840, S. 185, entnommen. Die vorhergehende Bemerkung über Geliert findet sich ebda, S. 138, die Bemerkung über „Nerve“ steht S. 130.
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Blackall, E.A. (1966). Die Entwicklung der Erzählprosa. In: Die Entwicklung des Deutschen zur Literatursprache 1700–1775. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99901-6_6
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