Zusammenfassung
Gottsched widerfuhr das Missgeschick, von dem größten seiner literarischen Zeitgenossen angegriffen zu werden. Es war der Frontalangriff eines mächtigen Gegners, und davon hat er sich nie erholt. Auch die Zeit hat das Gleichgewicht zu seinen Gunsten nicht wiederhergestellt. Zweifellos hatte er wenig oder gar kein Verständnis für das wirkliche Wesen der Dichtung. Seine Haltung der Literatur gegenüber war pedantisch. Er war in der Tat ein Pedant. Aber Pedanten erfüllen ihren Zweck. Gottsched lieferte einen positiven Beitrag zur Entwicklung der deutschen Sprache, und die moderne Kritik neigt dazu, dies als die weitaus wichtigste Seite seines Tätigseins zu betrachten. Dieser Beitrag war zwiefältig. Durch eine Reihe von Unternehmungen, die 1748 in der Publikation der »Deutschen Sprachkunst« gipfelten, gelang es ihm, die allgemeine Standardisierung der Schriftsprache auf der Grundlage des meißnischen Sprachgebrauchs durchzusetzen. Andererseits übte er in Theorie und Praxis einen wertvollen Einfluß — wertvoll zumindest für den damaligen Zeitpunkt — auf die deutsche Prosa aus. Erstere Leistung war eine grammatische, letztere eine stilistische. Mit der ersten werden wir uns in diesem Kapitel befassen, mit der zweiten im nächsten Kapitel.
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Anmerkungen
So beispielsweise von Konrad Burdach in dem Aufsatz „Universelle, nationale und landschaftliche Triebe der deutschen Schriftsprache im Zeitalter Gottscheds“, in: »Festschrift August Sauer«, 1925, S. 12–71. Meine Beispiele in diesem Absatz sind zum größeren Teil diesem Aufsatz und dem Aufsatz Karl Weinholds über die Schlesische Mundart (Wien 1853) entnommen, doch sind Anordnung und Interpretation der Fakten das Ergebnis eigener Überlegungen.
Zum Beispiel von dem Schlesier J. C. Kunckel in »De Silesiorum in poesi Germanica praestantia« 1698; besonders § 13.
Es existieren vier Gesamtdarstellungen von Gottscheds Wirken: Eugen Wolff »Gottscheds Stellung im deutschen Bildungsleben«, 2 Bde, Leipzig 1895/97; Gustav Waniek »Gottsched und die deutsche Litteratur seiner Zeit«, Leipzig 1897; Eugen Reichel »Gottsched«, 2 Bde, Berlin 1908/1912; Gerhard Schimansky »Gottscheds deutsche Bildungsziele«, Königsberg 1939. Schimanskys Darstellung übertreibt ein wenig, stellt aber dennoch ein wertvolles Gegengewicht dar zu der Vorstellung von Gottsched als eines kulturellen Quisling; Reichel stellt das reichhaltigste Informationsmaterial zur Verfügung, doch leidet sein Buch unter zu großer Ausführlichkeit und zu großem Enthusiasmus. (Schwerlich kann man Reichel zustimmen, wenn er behauptet (I, vii), Gottsched habe den größten Wortschatz aller Schriftsteller der Welt besessen, oder (I, 69) er sei von „faustischem Geist“ erfüllt gewesen.) Wolff gibt wertvolle Zitate aus Briefen an und von Gottsched und druckt die gesamte Korrespondenz mit Bodmer von 1732–1739 ab. Die Arbeit Wanieks ist von allen die am besten angelegte. Alle berufen sich auf T. W. Danzel »Gottsched und seine Zeit«, Leipzig 1848, das einen großen Teil der Korrespondenz Gottscheds überliefert. Alle sind grenzenlos langatmig und außergewöhnlich langweilig geschrieben. Eine knappe, ausgewogene und lesbare Darstellung von Gottscheds Werk und Bedeutung ist ein leider bisher unerfüllter Wunsch geblieben.
Vgl. Fr. Neumann »Gottsched und die Leipziger Deutsche Gesellschaft«, in: Archiv f. Kulturgeschichte, XVIII, 1928, S. 194–212.
Franz Äpinus »De linguae Saxoniae inferioris neglectu atque contemtu iniusto«, Rostock 1704; behandelt in Bd 1, S. 304ff.
»Briefe der Frau Gottsched«, Bd I, Dresden 1771, S. 6ff. Die Manuskripte sind verschollen, und es ist wahrscheinlich, daß die Herausgeberin, Frau von Runckel, den Text modernisiert hat; vgl. Adolf Lange »Die Sprache der Gottschedin in ihren Briefen«, Uppsala 1896, Vorwort.
Beide Fragen sind bei Jellinek »Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik«, Heidelberg 1913, Bd 1 ausführlich behandelt.
Kåre Kaiser »Mundart und Schriftsprache — Versuch einer Wesensbestimmung in der Zeit zwischen Leibniz und Gottsched«, 1930.
M. D. Omeis »Gründliche Anleitung zur Teutschen accuraten Reim- und Dicht-Kunst«, Nürnberg 21712.
vgl. H. Reis »Die deutschen Mundarten«, 1920, S. 53 ; Hermann Paul »Deutsche Grammatik«, Bd III, S. 99 ; Virgil Moser »Einführung in die frühneuhochdeutschen Schriftdialekte«, Halle 1909, S. 168, die darauf hinweisen, daß das keine neu aufgetretene Merkwürdigkeit ist. Gottsched schiebt sie in einer Fußnote der 5. Aufl. der »Sprachkunst« (S. 287) den „Herren Thüringer, Franken und Schwaben“ in die Schuhe.
J. F. Christ in »Villaticum«, Leipzig 1746, und J. G. Wachter im Vorwort zur Ausgabe des »Glossarium Germanicum« von 1737. Für die Einzelheiten vgl. Jellinek »Geschichte der nhd. Grammatik«, Bd I, S. 223–227.
Ewald Boucke »P. Augustin Dornblüths Observations«, 1895, S. 20–27. Diese Publikationen waren zumeist Übersetzungen. Es gab in dieser Zeit keine oberdeutschen Schriftsteller von Rang — mit Ausnahme der Schweizer. Diese Tatsache ist vielleicht an sich aufschlußreich. Vgl. zu dieser Frage auch meinen Artikel „The Parnassus Boicus and the German Language“, in: GLL, N. S., VII, Nr 2 (Januar 1954).
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Blackall, E.A. (1966). Die Stabilisierung der Sprache. In: Die Entwicklung des Deutschen zur Literatursprache 1700–1775. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99901-6_4
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