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Die Sprache der Philosophie

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Zusammenfassung

Als Christian Thomasius seine Abhandlung über Logik 1689 dem Leipziger Zensor vorlegte, wurde das imprimatur mit der Begründung verweigert, daß die Zensurbehörde keine Arbeit in Erwägung ziehen könne, in der philosophische Dinge in deutscher Sprache behandelt werden. Dieser Vorgang ist bezeichnend, denn obwohl bei dieser Ablehnung persönliche Antipathien gegen Thomasius im Spiele gewesen sein dürften, ist doch die Begründung ein Beweis für die Richtigkeit der Behauptung Leibniz’, daß unter den deutschen Gelehrten der Zeit eine Abneigung gegen den Gebrauch der deutschen Sprache für gelehrte Zwecke vorherrschend war. Diese Abneigung hatte in erster Linie akademische Gründe, die jedoch in Halle nicht existiert zu haben scheinen, dessen neugegründete Universität vielmehr allen Stolz darein setzte, modern und zeitgemäß zu sein. Die Abhandlung über Logik war eines der ersten Bücher, die Thomasius nach seiner Ankunft in Halle veröffentlichte, wo sie 1691 unter dem Titel »Einleitung zu der Vernunfft-Lehre« erschien. Es war keineswegs die erste philosophische Abhandlung, die in deutscher Sprache publiziert wurde, obwohl die meisten philosophischen Arbeiten deutscher Autoren zu diesem Zeitpunkt noch immer in lateinischer oder französischer Sprache erschienen, darunter so bedeutende Werke wie etwa Tschirnhausens »Medicina Mentis« (1689) und Leibniz’ »Théodicée« (1710). Doch die Persönlichkeit des Thomasius, das öffentliche Interesse, das ihm gerade während dieser Zeit seines Lebens entgegengebracht wurde, der Ort der Publikation und das Publikum, das er dort vorfand und auf das er sich beim Schreiben ganz bewußt einstellte — alle diese Überlegungen lassen seine »Einleitung zu der Vernunfft-Lehre« als einen höchst bedeutsamen Gegenstand gerade für unsere Untersuchung erscheinen.

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Anmerkungen

  1. Notkers Abhandlung über Arithmetik (wahrscheinlich eine Übersetzung derjenigen des Boethius) ist verlorengegangen. Die ältesten erhaltenen mathematischen Abhandlungen in deutscher Sprache dürften daher die Übersetzung der ›Sphaera Mundi‹ des Sacrobosco von Konrad von Megenberg (um 1350) und die ›Geometria Culmensis‹ von etwa 1400 sein, letztere lateinisch mit deutscher Übersetzung. Das fünfzehnte Jahrhundert brachte mehrere Arbeiten über verschiedene Zweige der Mathematik hervor, die teils deutsche Begriffe verwendeten, teils aber auch die fremdsprachlichen beibehielten. Der große Aufschwung auf diesem Gebiet kam zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts mit der Drucklegung verschiedener Anleitungen zum schnelleren Rechnen. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts erschienen zahlreiche arithmetische Abhandlungen und mehrere Übersetzungen des Euklid. Albrecht Dürers geometrische Abhandlung von 1525 vermeidet beharrlich fremdsprachliche Ausdrücke. Einen bedeutsamen Schritt vorwärts stellt Keplers Übersetzung seiner eigenen ›Nova Stereometria‹ (1616) dar, der er ein deutsch-lateinisches Glossar voranstellte. Im siebzehnten Jahrhundert wird die Verwendung deutscher Äquivalente für die fremdsprachlichen Fachausdrücke immer häufiger und umfassender. Eine allgemeine Übereinstimmung über die dabei verwendeten Verdeutschungen konnte jedoch nicht erzielt werden. Zu diesem Themenkomplex vgl. Felix Müller »Zur Terminologie der älteren mathematischen Schriften in deutscher Sprache«, im Supplement zu Jg. 44 der ›Zeitschrift für Mathematik und Physik‹, 1899, S. 301–333. Ferner Alfred Schirmer »Der Wortschatz der Mathematik nach Alter und Herkunft untersucht«, Beiheft zu Bd XIV der ›Zeitschrift für deutsche Wortforschung‹ (1912). Zu Kepler vgl. A. Götze »Anfänge einer mathematischen Fachsprache in Keplers Deutsch«, 1919.

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  2. Hervorhebungen von mir. Text nach G. E. Guhrauer »Leibnitz’s Deutsche Schriften«, Bd II, 1840, S. 35–36.

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  3. Thomasius »Ausübung der Sittenlehre« (1696), zitiert nach der 4. Aufl. von 1708, S. 206–207, Expl. in BM. [Erstausgabe in 7, 35.]

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  4. Wolff »Vernünftige Gedanken von der Menschen Thun und Lassen« Ausg. v. 1728, § 469 (vgl. oben Anm. 47).

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  5. Hegel »Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie«, hrsg. v. Michelet, Berlin 1836, S. 473 ff.

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  6. L. Noack »Philosophiegeschichtliches Lexikon«, Leipzig 1879, S. 931.

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Blackall, E.A. (1966). Die Sprache der Philosophie. In: Die Entwicklung des Deutschen zur Literatursprache 1700–1775. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99901-6_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99901-6_2

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