Zusammenfassung
„Wir sind wohl Historiker, Chronisten“, trägt Heimito von Doderer am 3. Februar 1951 in sein Tagebuch ein, „jedoch bewahrt vor dem Streben nach Vollständigkeit, Vollzähligkeit, das die sogenannte Wissenschaft reitet. Wir müssen nicht alles aufnehmen: aber alles stets in allem ; von diesem letzteren mag alles überschwemmt werden, während die pseudologischen Benennungen verloren gehen …“ Die Sätze umreißen mit einiger Genauigkeit den Ort, den sich der Schriftsteller der Wirklichkeit gegenüber einräumte. Er war der Chronist seiner Zeit und seiner Stadt, zugleich aber blieb er davon überzeugt, daß nur jener bezeugen könne, wie die Wirklichkeit wirklich beschaffen sei, der sie nach einem streng vorbedachten Auswahlprinzip siebte, sie der Namen entkleidete, die sie sich selber gab, dieser „pseudologischen Benennungen“, mit denen sie das Labyrinth des Materiellen etikettiert, um desto ausdrücklicher in die Irre zu führen. Schöpfung war ihm ein Spiel nach den souveränen Regeln, die der Schöpfer selbst gesetzt hatte. Nicht alles und jedes war festzuhalten, wohl aber „alles stets in allem“, was wohl zu bedeuten hat, daß die Wirklichkeiten, bei denen zu verweilen sein bewußter Kunstwille sich entschlossen hatte, zu Trägern eines Sinnes werden sollten, der über sie hinausreichte und alles umfaßte, was es eben auszusagen galt, zu Symbolen also.
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Politzer, H. (1968). Menschwerdung eines Schriftstellers. In: Das Schweigen der Sirenen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99753-1_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99753-1_4
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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