Zusammenfassung
Am 14. Dezember 1963 brachte die Prager Kulturzeitschrift »Literární noviny« die Nachricht, daß die Übersetzung von Edward Albees »Who’s Afraid of Virginia Woolf ?« in der tschechischen Hauptstadt zur Aufführung angenommen worden sei. Der Titel der Übersetzung lautete: »Wer hat Angst vor Kafka?« (»Kdopak by se Kafky bál?«). Im Westen wurde die Neuigkeit von der Presse nicht ohne ironisches Interesse aufgenommen, wobei das Interesse der Tatsache der Aufführung, die Ironie jedoch dem Verwandlungsakt galt, der da posthum an der Dichterin des weibmännlichen Orlando vollzogen wurde. Nun lag die Hauptschwierigkeit bei der Übersetzung von Albees Titel vor allem in der Transposition des Kinderverses „Who’s afraid of the big bad woolf?“, aus dem Walt Disney, als wir noch jung waren, einen seiner schönsten Trickfilme gemacht hatte. Trotzdem ist „Kafka“ als Ersatz für „Woolf“ weniger an den Haaren herbeigezogen, als es den Anschein haben mochte. Kafka (= kavka) bedeutet „Dohle“, und wenn auch der alte Kafka diesen Vogel voll Stolz auf sein Geschäftspapier drucken ließ, bedeutet er doch im europäischen Volksglauben einen Todesboten. (Man denke in diesem Zusammenhang etwa an Hugo Zuckermanns im ersten Weltkrieg populäres Soldatenlied: „Drüben am Waldesrand hocken zwei Dohlen.“)
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Siehe auch Heinz Politzer, Franz Kafka der Künstler (Frankfurt: S. Fischer 1965), S. 181–186.
Leoš Houska, Franz Kafka und Prag 1963. In: Philologica Pragensia VI (1963), S. 395.
Zitiert nach Paul Reimann, Louis Fürnberg — Erinnerungen und Gedanken. In: Von Herder bis Kisch (Berlin: Dietz 1961), S. 204f.
Alfred Borchardt, Kafkas zweites Gesicht. Der Unbekannte. Das große Theater von Oklahoma (Nürnberg: Glock und Lutz 1960), S. 201.
Norbert Fürst, Die offenen Geheimtüren Franz Kafkas (Heidelberg: Rothe 1956), S. 53ff.
Franz Kafka. In: Sinn und Form XIV (1962), S. 553.
Kunst und Koexistenz. Beitrag zu einer modernen marxistischen Ästhetik (Reinbek: Rowohlt 1966), S. 72.
Franz Kafka. Eine Biographie seiner Jugend (Bern: Francke 1958).
Franz Kafka. Ein Symposion. Datierung, Funde, Materialien (Berlin: Wagenbach 1965).
Franz Kafka et les Lettres Françaises (1928–1955) (Paris: Corti 1956), S. 39.
Marion Gräfin Dönhoff, Revision auf leisen Sohlen. In: Die Zeit, 2. Oktober 1964.
François Bondy und Hans Mayer, Literatur und Kommunismus. In: Der Monat XVI (1964), Heft 185, S. 49.
Edward Csato, The Polish Theatre (Warschau: Polonia 1963), S. 127.
O filosofii, Picassovi a Kafkovi. In: Plamen V (1963), Heft 8, S. 1.
Dieter Hasselblatt, Zauber und Logik. Eine Kafka-Studie (Köln: Wissenschaft und Politik 1964), S. 14f.
– Siehe auch Roman S. Struc, Franz Kafka in the Soviet Union. A Report. In: Monatshefte LVII (1954), S. 193–197. Die hier gegebenen Ergänzungen verändern das von Hasselblatt gezeichnete Bild nicht wesentlich.
Siehe schon Margarete Susman, Das Hiob-Problem bei Franz Kafka. In: Der Morgen 1 (1929), S. 31–49.
Rights and permissions
Copyright information
© 1968 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Politzer, H. (1968). Wer hat Angst vor dem bösen Franz?. In: Das Schweigen der Sirenen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99753-1_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99753-1_2
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-99754-8
Online ISBN: 978-3-476-99753-1
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)