Zusammenfassung
Kein anderer Held Jean Pauls steht so ausschließlich im Zentrum eines Werkes wie Nikolaus Marggraf im Komet. Er selbst ist der Komet [1]. Denn zum Namen des Buches hat niemand anders »Gevatter gestanden als dessen Held Marggraf selber mit seiner Natur«, da er, wie ein Komet, sich »unmäßig bald vergrößert, bald verkleinert« (568). Dieser witzige Vergleich trifft buchstäblich zu. Nikolaus ist Wutz und Albano, Fixlein und Giannozzo in einem. Kaum hat er, zu einem »Wachtelkönig« in einem Vogelbauer verkleinert, sich am »häuslichen Glück der Einschränkung« erfreut, so erklimmt er schon wieder die »Musenberghöhe seiner Phantasie« und nimmt wie ein »Riesenbild […] sich selber ungemein vergrößert« wahr (602). Nie will er sein, was er ist — immer mehr, oder weniger als das. Er ist unfähig zur mittleren, normalen Lage und bricht aus ins Extreme, Exzentrische. Dem Kometen Marggraf folgt ein ganzer Kometenschweif anderer Narren nach, kleinere wie größere. Sie alle stehen in direkter Beziehung zu ihm. Er verkörpert das Zentrum, dem sie alle zugeordnet sind. Nur einer überragt und richtet ihn: Kain, der Wahnsinnige, der sich als den ewigen Juden, den Fürsten der Welt ausgibt. Ursprünglich sollte Marggraf selbst dieser Wahnsinnige sein. Doch dann wurde seine Anlage zur harmlosen Narrheit herabgemildert [2]. Die vielen Änderungen, die die Hauptgestalt im Verlauf der langen Arbeitszeit erfahren hat, lassen sich noch an der vorliegenden Fassung ablesen. Schon der Name des Helden ist ein deutliches Indiz dafür. Nikolaus spielt auf den Heiligen gleichen Namens an, dem der junge Marggraf nachstrebt.
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Anmerkungen
Robert Minder, Jean Paul oder die Verlassenheit des Genius. In: R.M., Dichter in der Gesellschaft. Erfahrungen mit deutscher und französischer Literatur. Frankfurt 1966, S. 55;
Alexander und Margarete Mitscherlich, Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. München 1967, S. 76.
Zum Metaphernspiel vgl. Wolfdietrich Rasch, Die Erzählweise Jean Pauls. München 1961, passim.
Vgl. hierzu Werner Vordtriede, Das Problem des Dichters in Goethes Triumph der Empfindsamkeit, in: Monatshefte f. dt. Unterricht XL, 1948, S. 149 ff.
Sowie: Ders., Novalis und die französischen Symbolisten. Zur Entstehungsgeschichte des dichterischen Symbols. Stuttgart 1963, S. 91 ff.
Vgl. dazu den Aufsatz von Werner Vordtriede, Kunst und Natur in Werthers Schweizerreise. In: Monatshefte XLI, 1949, S. 218 ff.
Vgl. Eduard Berend, Jean Pauls handschriftlicher Nachlaß, seine Eigenart und seine Geschichte. In: JP-Jb. III, 1968, S. 13 ff.
Herman Meyer, Der Sonderling in der deutschen Literatur. München 1963, S. 75.
(Zitiert nach der dt. Übersetzung: Jean Paul: Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wuz in Auenthal Oder die Anfänge des Dichters Jean Paul, in: Interpretationen. Hg. v. Jost Schillemeit. Bd. 4: Deutsche Erzählungen von Wieland bis Kafka. Fischer-Bücherei 721, Frankfurt 1966, S. 85).
Jan Mukarovsky, Kapitel aus der Poetik. Edition Suhrkamp 230, Frankfurt 1967, S. 16.
In diese Richtung geht die Deutung Marianne Rieglers, Studien zum Problem der dichterischen Existenz Jean Pauls, Diss. phil. München 1959, S. 82 ff.
Kurt Berger, Jean Paul. Der schöpferische Humor. Weimar 1939, S. 388.
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Schweikert, U. (1971). Marggraf und der Ich-Wahn. In: Studien zu Jean Pauls »Komet«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99723-4_3
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