Das gerettete Venedig

Zusammenfassung

Der Titel des ›Trauerspiels in fünf Aufziigen‹¹ läßt die Fabel des Stückes, bevor es anhebt, als abgeschlossen erscheinen; er erklärt sie zur Historie, die nicht nur als solche der Vergangenheit angehört, sondern auf deren unmittelbar-stoffliche Aktualität verzichtet wird. Daß Venedig als gerettetes ein ein Drama eingeht, dessen Fabel in seiner Verschwörung gegen den Staat mit dem Ziel seines Untergangs besteht, erklärt diese Verschwörung von Beginn an, bevor sie im Stück entwickelt wird, zur gescheiterten. Dennoch ist ›Das gerettete Venedig‹ kein eigentlich analytisches Drama wie der ›König Ödipus‹ des Sophokles, bringt doch erst das Ende des dritten Aktes den Entschluß Jaffiers, die Mitverschworenen zu verraten. Auch hat Hofmannsthal die »spannenden Situationen« zu den »Vorzügen« seines Stückes gerechnet.² Wenn nun der Ausgang des Geschehens im Titel nicht verschwiegen werden mußte, und dennoch von »spannenden Situationen« gesprochen werden konnte, so läßt das darauf schließen, daß die Fabel, die Faktizität des Geschehens, für den Dichter nicht im Zentrum seines dramatischen Interesses stand. Wichtiger als die Verschwörung gegen den Staat Venedig und sein herrschendes Patriziat, wichtiger als die Motive und Ziele der Verschwörung muß dem Dichter der Grund ihres Scheiterns gewesen sein: das Thema des ›Geretteten Venedig‹ ist der Verrat an der Verschwörung, der die Stadt und ihre herrschende Klasse rettet.