Zusammenfassung
Wenn im Folgenden der Frage nachgegangen werden soll, wie in der Dichtung und besonders in der Erzählkunst der Raum gestaltet wird und was die Raumgestaltung im gesamten Gefüge des Erzählwerks leistet, so ist es angängig, im voraus einigermaßen zu bestimmen, in welchem Sinne hier die Vokabel „Raum” gebraucht wird. Denn das alte Diktum „Wenn zwei dasselbe sagen, so ist es nicht dasselbe” ist ganz besonders in Kraft, wo Vertreter verschiedener wissenschaftlichen Disziplinen jenes eine Wort im Munde führen. Wenn es uns hoffentlich auch nicht ergehen wird wie Jean Pauls vergnügtem Schulmeisterlein Maria Wuz, das, durch Armut gezwungen, sich eigenhändig seine philosophische Bibliothek zusammenzuschreiben, „im ganzen Federschen Traktat über Raum und Zeit von nichts handelte als vom Schiffsraum und der Zeit, die man bei Weibern Menses nennt”, so ist die Gefahr doch nicht imaginär, daß die Einerleiheit des Wortlauts „Raum” eine nichtexistente Gleichheit des Inhalts vortäuscht. Der ästhetische Raumbegriff ist weder identisch mit dem sinnlichen Wahrnehmungsraum der Psychologie, mit dem er übrigens viel, noch mit dem theoretischen Denkraum der Philosophie und der Mathematik, mit dem er wenig oder nichts zu schaffen hat.
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Anmerkungen
Ansätze und Behandlung einiger Spezialthemen: Robert Petsch »Wesen und Formen der Erzählkunst«, 21942;
Edwin Muir »The Structure of the Novel«, London 1928, 51949;
Wolfgang Kayser »Das sprachliche Kunstwerk«, 1948, 81962, Kap. 10;
Theophil Spoerri »Eléments d’une critique constructive«, in: ›Trivium‹, 8, 1951, S. 165ff.;
J. Frank »Spatial Form in Modern Literature«, in: ›Sewanee Review‹, 53, 1945;
D. Seckel »Hölderlins Raumgestaltung«, in: ›Euphorion‹, 39, 1938;
Joh, Klein »Das Raum-Erlebnis in der Lyrik Eichendorffs «, in: ›Ztschr. f. Ästhetik…‹, 29, 1935;
Erwin Kobel »Untersuchungen zum gelebten Raum in der mhd. Dichtung«, 1951;
Herman Meyer »Raum und Zeit in Wilhelm Raabes Erzählkunst«, in: DVjs. 27, 1953;
Hans Furstner »Studien zur Wesensbestimmung der höfischen Minne«, Diss. Groningen 1956, S. 44ff., 119ff 204 ff.;
Wolfgang Staroste »Raumgestaltung und Raumsymbolik in Goethes ‚Wahlverwandtschaften‘«, in: ›Etudes Germaniques‹, 16, 1961, S. 209–222.
vgl. Kurt May, ›Euphorion‹, 33, 1932;
Ernst Beutler, DVjs. 16, 1938;
Emil Staiger »Meisterwerke deutscher Sprache«, 31957;
Erwin Wäsche »Honorio und der Lowe«, 1947;
Hellmuth Himmel »Metamorphose der Sprache. Das Bild der Poesie in Goethes ‚Novelle‘«, in: ›Jb. d. Wiener Goethe-Vereins‹, 65, 1961, S. 86–100. Auf diese bedeutenden Interpretationen der »Novelle« sei hier hingewiesen, ohne daß versucht wird, im einzelnen anzugeben, wo der Verfasser mit ihnen übereinstimmt und wo er von ihnen abweicht. Vgl. auch: Benno von Wiese »Novelle« (›Sammlung Metzler‹, 27), 1963.
vgl. die vorzügliche Behandlung der Rückwendung bei Eberhard Lämmert »Bauformen des Erzählens«, 1955, S. 100 ff.
vgl. die folgenden thematisch verwandten Arbeiten: Richard Alewyn »Eine Landschaft Eichendorffs«, in: ›Euphorion‹, 51, 1957, S. 42 bis 60; Oskar Seidlin »Der Taugenichts ante portas«, in: ›Aurora, Eichendorif-Almanach‹, 16, 1956, S. 70–81; ders. »Eichendorffs Symbolic Landscape«, in: PMLA 72, 1957, S. 645–661.
vgl. G. Révész »Het psychologische ruimteprobleem«, Amsterdam 1932.
Zum stereotypen Charakter von Eichendorffs Stilmitteln vgl. Die trefflichen Ausführungen von Werner Kohlschmidt »Die symbolische Formelhaftigkeit von Eichendorffs Prosastil«, in: W. K. »Form und Innerlichkeit«, 1955.
August Langen »Deutsche Sprachgeschichte vom Barock bis zur Gegenwart«, in: »Dt. Phil. im Aufriß«, 21957, Bd 1, Sp. 1225.
Heinrich Wölfflin »Kunstgeschichtliche Grundbegriffe«, 61923. Erstdruck in: »Der deutsche Roman vom Barock bis zur Gegenwart« hrsg. v. Benno von Wiese, Bd 1, 1963, S. 210–251.
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Meyer, H. (1963). Raumgestaltung und Raumsymbolik in der Erzählkunst. In: Zarte Empirie. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99620-6_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99620-6_3
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