Zusammenfassung
Selbst in der freiesten menschlichen Betätigung, deren wesentlicher Charakter Spiel ist, in der Kunst, bekundet sich Wille zum Zwang als treibendes Prinzip. Die Entwicklung aller Kunst hat kein andres Ziel als Notwendigkeit. Wenn überhaupt im Typus der durch Jahrhunderte getrennten höchsten Werke einer Kunst ein Aufsteigen zu finden ist, so kann es nur dies eine bedeuten: Zunahme an Notwendigkeit. Jeder künstlerische Höhepunkt bedeutet in sich: größte Annäherung an Notwendigkeit, weitestgehende Ausschaltung aller Zufallsbedingungen im Kunstwerk. Die Entwicklung beginnt, sobald eine Kunst ihre Mittel in vollem Umfang zu beherrschen anfängt. Das Hinzugewinnen neuer Mittel gehört in die Entwicklung nicht hinein, es ist ihre Vorstufe, oft nur ein Sammeln von Material, das überwunden werden, das die Kunst kennen und beherrschen muß, um sich seiner auf dem Wege zum Ziel freiwillig entäußern zu können. Wo die innere Entwicklung einer Kunst plötzlich abbricht, hat sie das höchste Maß der ihr möglichen Notwendigkeit gefunden: der Weg endet am Pol, am Axenpunkt. Äußerlich entartet die Kunst dann in ihre Mittel, d.h. sie geht auf Vorstufen ihrer Entwicklung zurück. Das erreichte und wieder verlassene vorläufige Ziel aber wartet. An ihm knüpft die Entwicklung von neuem an : mit dem Künstler, der wieder die Mittel überwinden lernte. Er findet vielleicht den nächst notwendigeren Typus Werk.
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Wilhelm von Scholz »Die Entwicklung der Kunst« [These II der vier Thesen »Kunst und Notwendigkeit«]. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_98
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_98
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-99503-2
Online ISBN: 978-3-476-99502-5
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