Zusammenfassung
Die Erneuerung unserer Kunst geschah auf allen Gebieten unter dem Zeichen der „Persönlichkeit“. Das bedeutete vor allem einen Protest gegen die moderne Nivellierung und Gleichmacherei. Dieses war ihr Zeitpathos, und das wurde so stark empfunden, daß man den Mangel an künstlerischem Tiefblick darob übersah. So wurde die „Persönlichkeit“ sehr bald zur schrankenlosen Individualität, der alles erlaubt ist. Einen Schuß Übermenschentum glaubte so ziemlich ein Jeder sich leisten zu können. Der Respekt vor dem Gesetzmäßigen schwand reiß end-schnell dahin. Nichts war verpönter als etwa zu sagen: „Die Kunst soll“, „die Kunst muß“. Das erinnerte sogleich an die abstrakten Buchästhetiker, die kalt und ohne praktische Erfahrung deducieren. Dieses aber wollte man nicht. Man wollte frei sein. Und so wollte man denn auch vor allem eine „freie“ Kunst haben.
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Notizen
Otto Julius Bierbaum kopierte Motive und Töne aus dem Minnesang, dem Rokoko, der Romantik und dem Biedermeier; Paul Ernst nahm sich die altitalienische und altfranzösische Novelle zum Vorbild; der Franziskanerpater Hartmann, d.i. Paul von An der Lan-Hochbrunn (1863–1914), zeitweilig Organist an der Erlöserkirche in Jerusalem, versuchte in seinen christlichen Oratorien, so dem Franziskus-Oratorium von 1902, die differenzierte romantische Harmonik durch Rückgriffe auf die Kirchentonarten zu ersetzen.
Henry van de Velde hatte 1892 in Brüssel die Ateliers d’arts industriel gegründet und bemühte sich seitdem um die Herausbildung zweck- und materialgerechter Formen für Bauten und Möbel; seine Ornamentik zählt zum sogenannten Jugendstil. Der österreichische Architekt Otto Wagner (1841–1918) verfolgte ähnliche Zielsetzungen; der Schweizer Maler Ferdinand Hodler (1853–1918) war bekanntgeworden durch seine monumentalen, alle Einzelheiten in einen expressiven Formgestus auflösenden Wandbilder ; bei Dehmel denkt Servaes vielleicht an die „Erlösungen“ (1898) oder den Roman in Romanzen „Zwei Menschen“ (1903).
Kennzeichnend für das psychologische Interesse des Bauernrealisten Wilhelm Leibl (1844 bis 1900) wären etwa die berühmten, später völkisch mißdeuteten „Drei Frauen in der Kirche“.
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Franz Servaes »Der Wille zum Stil«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_97
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