Zusammenfassung
Das Ziel der Kunst ist die Verwirklichung der Idee, die Darstellung der Dinge, wie sie an sich, u. mit den Augen Gottes gesehen, sind. Des Künstlers Aufgabe ist es, die durch die Sünde zerstörte Einheit wiederherzustellen — jene ursprüngliche Einheit des Guten und des Schönen, welche die Wahrheit ist. Nur so ist die Kunst wahr. Die wahre Kunst ist die wahrhaftige Kunst, welche die himmlische Schönheit der Tugend und die höllische Hässlichkeit der Sünde den Menschen einleuchten lässt. Die wahre Kunst ist die Offenbarung des wahren Karakters der Dinge, die Offenbarung des Wesens, nicht des Scheines. Die Moralität ist daher das Organ aller grossen Kunst, von den Griechen bis Dante, von Dante bis Shakespeare und allen neueren und neuesten wahren Künstlern. Wem dieses Organ fehlt, kann das Dasein nach seiner innersten Realität nicht fassen, seine Kunst wird daher keine wirklichkeitstreue, sondern im tiefsten Grunde eine unwahre, falsche, somit schädliche sein. Mag sie in aller äusserer Pracht einherschreiten, ihr Kern ist Lüge, und sie ist zur Menschennahrung nimmer dienlich, denn das Brot des Menschen ist die Wahrheit.
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Johannes Jörgensen »Von der Kunst«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_85
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Online ISBN: 978-3-476-99502-5
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