Zusammenfassung
(…) Der famose „freie“ Rhythmus führt seinen Namen mit Recht. Er ist in der That so frei, als dies der Dichter für seine Bequemlichkeit, oder, was meist wohl noch „treffender“ sein dürfte, für sein mangelndes Unterscheidungsvermögen, wünscht. Der notwendige Rhythmus, den ich will, darf sich solche, oder auch nur ähnliche Scherze nicht mehr erlauben. Er wächst, als wäre vor ihm irgend etwas andres noch nie geschrieben worden, jedes mal neu aus dem Inhalt. Er unterscheidet sich dadurch genau so auch von der Prosa. Die Prosa kümmert sich um Klangwirkungen überhaupt nicht. Wenigstens nicht um Klangwirkungen in dem Sinne, um den einzig es sich hier drehen kann. Ich schreibe als Prosaiker einen ausgezeichneten Satz nieder, wenn ich schreibe: „Der Mond steigt hinter blühenden Apfelbaumzweigen auf.“ Aber ich würde über ihn stolpern, wenn man ihn mir für den Anfang eines Gedichts ausgäbe. Er wird zu einem solchen erst, wenn ich ihn forme: „Hinter blühenden Apfelbaumzweigen steigt der Mond auf.“ Der erste Satz referiert nur, der zweite stellt dar. Erst jetzt, fühle ich, ist der Klang eins mit dem Inhalt. Und um diese Einheit bereits deutlich auch nach außen zu geben, schreibe ich:
„Hinter Blühenden Apfelbaumzweigen steigt der Mond auf.“
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Notizen
„Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze“ (1891). Vgl. dazu LMN S. 200 ff., insbesondere S. 211.
Franz Mehring (1846–1919), bekanntgeworden als Historiograph der deutschen Sozialdemokratie, hatte 1898 in den Heften 9–14 der von G.O. Bassler in Stuttgart herausgegebenen Wochenschrift „Die neue Zeit“ eine Folge „Ästhetischer Streifzüge“ veröffentlicht und darin den „Phantasus“, der in das Bild des früheren sozialkritischen Lyrikers nicht mehr zu passen schien, scharf mißbilligt. Holz verteidigte sich in Nr. 27 derselben Zeitschrift unter dem Titel „,Meine‘ neue Lyrik“. In Heft 52 erschien daraufhin eine zweite Kritik „Ein Wort zu Holz’ neuer Form“ von Max Bruns, die Mehrings Angriff zwar abmilderte, dafür Holz aber — diesmal in negativem Sinne — auf das Schlagwort „Impressionismus“ festlegt. In Heft 42 antwortete Holz von neuem mit dem hier eingerückten Beitrag.
Max Bruns (1876–1945), Buchhändler und Schriftsteller in Minden. Mit dem Titel seiner lyrischen Sammlung „Aus meinem Blute“ (1897) glossiert Holz den wenig später erwähnten Vorwurf des „Individuellen“.
Der Engländer Lord Byron (1788–1824); der Franzose Alfred de Musset (1810–1857); Heinrich Heine (1797–1856) und der Italiener Giacomo Leopardi (1798–1837). In ironischem Kontrast zu ihm der Komponist Pietro Mascagni (1863–1945), dessen veristische Kurzoper „Cavalleria rusticana“ um 1900 auf den europäischen Bühnen Triumphe feierte.
Alexandre Dumas (1802–1870), französischer Kolportageschriftsteller, berühmt durch seine unverwüstlichen „Drei Musketiere“ (1844) und den „Grafen von Monte-Cristo“ (1844–45).
Gustave Flaubert (1821–1880), nach Honoré de Balzac der zweite große Epiker des französischen Realismus (u. a. „Madame Bovary“, 1857); zu seiner „Schule“ gehören Guy de Maupassant und Emile Zola.
Gemeint sind die Dramatiker Henrik Ibsen (1828–1906) und August Strindberg (1849 bis 1912).
Karl Bleibtreu, „Revolution der Litteratur“ (1886); vgl. LMN S. 82ff.
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Arno Holz »Revolution der Lyrik«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_8
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