Zusammenfassung
(…) Neben seiner Kürze ist Peter Altenberg auch durch seinen Impressionismus einer der charakteristischsten Vertreter seiner Zeit. Er ist der prägnanteste und subtilste Ausdruck dessen, was man mit dem sehr verrufenen Wort ,Fin de siècle’ bezeichnet hat. Er ist der Typus jener ,Décadence‘ vom Ende des vorigen Jahrhunderts, die ziemlich kurzlebig war und in ihm allein heute noch fortlebt. Er überlebte sie, denn er hatte wohl dekadente Nerven, und er mußte sie haben, denn was sind schließlich dekadente Nerven andres als höchstimpressionable Nerven? Aber er hatte kein dekadentes Herz. Er übernahm von dieser ganzen Richtung nur den Feminismus, aber der Feminismus war bei ihm nicht Schwäche, sondern Stärke, nämlich eine erhöhte und bisher unerreichte Fähigkeit, sich in das Seelenleben der Frau zu versetzen. Hierin ist er eine vollkommen einzigartige literarhistorische Spezialität. Es hat nie vorher einen Dichter gegeben, der ihm hierin auch nur nahe gekommen wäre. Er ist der erste wirkliche Psycholog jener mysteriösen Geschöpfe, die unser Leben ununterbrochen begleiten und bestimmen, und die uns dennoch stets fremd und unfaßbar bleiben. Die andern stellten sich zur Frau als mehr oder minder glückliche Deuter, aber Peter Altenberg ist kein Deuter der Frau, er erlebt die Frau in sich selbst in der vollkommensten Weise, und wenn er die Frau schildert, so liest er gar nicht in einer fremden Seele, sondern in seiner eigenen. Er verhält sich zu allen bisherigen Frauenpsychologen, wie der wissenschaftliche Naturforscher zum mythologischen Erklärer der Natur.
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Egon Friedell »Peter Altenberg«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_50
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