Zusammenfassung
Das Theater der Gegenwart wird vor seinen höchsten Aufgaben so lange arm und unzulänglich sein, bis es sich seines dionysisch-orgiastischen Ursprungs wieder besinnt und den Willen zum Pathos mutig bekennt. Zu einem neuen Pathos, das, genährt aus den tiefsten Brunnen unsers Empfindens, dennoch frei und schwerlos, farbig und leuchtend emporspränge. Noch immer ist eine nüchtern-nivellierende Natürlichkeit das letzte Wort des Theaters — sie genügt ja auch für seinen Alltag — und der pathetische Ausdruck ist im besten Fall geduldet und steht schüchtern in der Ecke, aus der er allerdings oft hervorgeholt werden muß, aber nur verkleidet und ungenannt: Man tut es verschämt und mit unfreiem Gewissen und will nicht eingestehen, daß man ihn doch braucht. Eines Tages aber wird Aschenbrödel Prinzessin sein. Vorläufig jedoch ist aller Begriff des Pathos noch ein Gegenstand des Mißtrauens geblieben, von jenen unfernen Tagen her, da man es feierlich in Acht und Bann getan hat. Von jener immerhin sehr heilsamen Zeit her, da unnachsichtlich, wie in den andern Künsten, so auch in der Kunst des Theaters und des Schauspielers, die engste Wirklichkeitsnähe, ja Wirklichkeitskieben gefordert und jeglicher Aufschwung als eitler Ikarusflug lächelnd abgelehnt wurde. Damals konnte man einen Schauspieler nicht empfindlicher richten, als mit dem Spruch ,,pathetisch“. Es war sein Todesurteil.
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Notizen
Rudolf Blümner (1873–1945), Schauspieler und Rezitator in Berlin; seine rhythmisch und dynamisch außerordentlich differenzierte Sprechweise wurde maßgebend für den Vortrag expressionistischer Dichtung.
Rudolf Rittner (1869–1943), Schauspieler am Berliner Lessingtheater; berühmt waren seine Verkörperungen Hauptmannscher Figuren, vor allem des Henschel und des Florian Geyer.
Else Lehmann (1866–1940), Partnerin Rittners am Lessingtheater, so in den Rollen der Hanne Schäl und der Rose Bernd.
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Emil Geyer »Vom neuen Pathos«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_35
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_35
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-99502-5
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