Zusammenfassung
Mehr als ein halbes Jahrhundert ging vorüber, seit Friedrich Hebbel die berühmt gewordene Vorrede zu „Maria Magdalena“ schrieb1, diesem bürgerlichen Trauerspiel, das uns heute noch, und heute mehr als je, so seltsam modern anmutet. Damals stellte er Forderungen an die Fortentwickelung der Tragödie, die vielleicht wieder zeitgemäß sind. Das Drama kreist um die sittliche Idee, um jenes Etwas, welches eine menschliche Gemeinschaft zusammenhält, und stellt die Tragik des Individuums dar, welches mit dieser Idee zusammenprallt und an ihr zerschellt. Im Altertum war diese sittliche Idee ein unverstandenes, ungeheuerliches Fatum, welches über das hilflose, nichtige Einzelwesen blind hinwegschritt. Im Drama Shakespeares sind die Personen gewachsen, und wenn ein Individuum gegen die sittliche Idee gewaltig frevelt, so wird diese durch ein anderes Individuum ebenso gewaltig gerächt und wiederhergestellt. Was aber bleibt uns Neueren? Wir sollen diesen Zwiespalt, diesen Dualismus, diese Tragik in die sittliche Idee selbst hineintragen, wir sollen, um diesen verhegelten Ausdruck etwas planer zu gestalten, nicht mehr Gut und Böse als Todfeinde gegenüberstellen, sondern Gut und Gut. Jeder Teil soll eine sittliche Idee mit Berechtigung und mit Einseitigkeit vertreten. Freilich ist diese Einseitigkeit eine Schuld, eine mit dem Leben selbst gegebene, unvermeidliche Schuld, eine Folge jenes Dualismus, der nun einmal unaustilgliches, menschliches Erbteil ist.
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Samuel Lublinski »Florian Geyer, Agnes Jordan und das moderne Drama«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_26
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_26
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-99503-2
Online ISBN: 978-3-476-99502-5
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