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Julius Hart »Die Entwicklung der neueren Lyrik in Deutschland«

Aus: »Pan«, Jg 4, 1896, H. 1, S. 33–40

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Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910
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Zusammenfassung

Die deutsche Lyrik der Gegenwart, deren Geburt in die achtziger Jahre fällt, setzt eine Reihe älterer Entwickelungen unmittelbar fort; sie scheidet nur die Elemente, die dort zusammengeflossen waren, wieder von einander und fügt zusammen, was früher getrennt einherging. Aus dieser Neumischung geht ihre Eigentümlichkeit und ihr besonderer Charakter hervor, wie das Eigenartige und Besondere jeder neuen Kunst. Die Ursache einer solchen Auflösung und Neuformung der ewig gleichen künstlerischen Elemente aber liegt in der veränderten Weltauffassung, Weltkenntnis und Welterkenntnis, die eine Zeit mit sich bringt.

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Notizen

  1. Arno Holz hatte zu Wilhelm Arents 1885 erschienener Anthologie „Moderne Dichtercharaktere“ unter anderem den Vierzeiler „Programm“ beigesteuert: „Kein rückwärts schauender Prophet, / geblendet durch unfaßliche Idole, / modern sei der Poet, / modern vom Scheitel bis zur Sohle!“

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  2. Angelus Silesius, eigentlich Johannes Scheffler (1624–1677), Leibarzt des Herzogs von Oels und späterer Hofarzt des Kaisers Ferdinand III., bedeutendster Vertreter der auf Eckhart und Böhme zurückgehenden schlesischen Mystik des 17. Jahrhunderts. Der zitierte Sinnspruch ist das 214. Stück — „Die Werke gelten gleiche“ — des Anderten Buches seiner „Geistreichen Sinnund Schlußreimen“, die in der zweiten Auflage den Titel „Cherubinischer Wandersmann“ bekamen und von Friedrich Schlegel für das 19. Jahrhundert wiederentdeckt wurden.

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  3. Auguste Comte (1798–1857), Begründer des philosophischen Positivismus; vgl. LMN S. 219. 5 Die politische und gesellschaftskritische Lyrik der beiden Jahrzehnte vor der Märzrevolution von 1848, vor allem die „Spaziergänge eines Wiener Poeten“ des Anastasius Grün, d.i. Anton Alexander Graf Auersperg (1831); die nur dem Titel nach „Unpolitischen Lieder“ Heinrich Hoffmanns von Fallersleben (1840/41), Georg Herweghs „Gedichte eines Lebendigen“ (1841) und Ferdinand Freiligraths „Ein Glaubensbekenntnis“ (1844). Auch Heinrich Heines Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“ (1844) gehört in diesen Zusammenhang, wird aber von Harts folgender allzu pauschaler Kritik an der Lyrik des Vormärz nicht betroffen.

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  4. Zur Zeit dieses Aufsatzes hatte sich Karl Henkell (1864–1929), Mitautor der „Modernen Dichtercharaktere“, längst von der „Ausrufkunst“ seiner sozialistischen Jahre distanziert und dem Bilde des sinnenden oder lächelnden Weisen über dem Weltgebrause verschrieben. Im Bewußtsein der Zeitgenossen war er freilich auf die Gedichte seiner naturalistischen Epoche festgelegt (u.a. „Umsonst“, 1884; „Amselrufe“, 1888; „Trutznachtigall“, 1891; vgl. auch LMN S. 50).

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  5. Pierre Jean de Béranger (1780–1857), französischer Schriftsteller; versuchte mit seinen Gedichten und Liedern den Widerstand des Bürgertums gegen die Bourbonen und die zurückgekehrte Aristokratie zu stärken.

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  6. Giuseppe Giusti (1809–1850), Verfasser von volkstümlichen politisch-satirischen Gedichten, die zur nationalen Einigung Italiens beitragen sollten.

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  7. Thomas Hood (1799–1845), sozialkritischer Schriftsteller in London; seine Poeme „The Song of the Shirt“ (1843) und „The Bridge of Sighs“ (1845) waren von Freiligrath ins Deutsche übertragen worden.

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  8. Maurice Reinhold von Stern (1860–1938), Baltendeutscher, der nach seiner Rückkehr von proletarischen Wanderjahren in Amerika rasch hintereinander sozialkritisch gefärbte Lyriksammlungen veröffentlicht hatte (u.a. „Proletarierlieder. Dem arbeitenden Volke gewidmet“, 1885) und teils als Nachahmer, teils als Konkurrent von Arno Holz galt. Hart bezieht hier schon seine Wendung zu einer schwerflüssigen Natur- und Innerlichkeitsdichtung ein (u.a. „Sonnenstaub“, 1890; „Die Insel Ahasvers“, 1893; „Erster Frühling“, 1894), die das soziale Engagement durch stilles Mitleid ersetzt und in blasse Wiederholungen der spätbürgerlichen Traum- und Sehnsuchtsmotivik ausläuft.

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  9. Der unter seinem Schriftstellernamen Otto Ernst bekanntgewordene Hamburger Volksschullehrer Otto Ernst Schmidt (1862–1926) bemühte sich, die klassische Kunst- und Bildungsidee der kulturellen Problematik des Jahrhundertendes entgegenzustellen und die Auswüchse der Moderne, Ästhetizismus und Nietzscheanismus, zu richten. Dies sicherte seiner Lyrik (,,Gedichte“, 1888, und „Neue Gedichte“, 1892), seinen grob karikierenden Schauspielen (,,Jugend von heute“, 1899; „Flachsmann als Erzieher“, 1901), seiner „Asmus Semper“-Romantrilogie (1904–16) und seinen polemischen Essays ein breites, im Grunde konservativ gestimmtes Publikum. Seine Absichten sind am ehesten mit denen Ferdinand Avenarius’ und Friedrich Lienhards zu vergleichen.

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  10. Bruno Wille (1860–1928), der Gründer der „Freien Volksbühne“, hat als einer der ersten den sozialistischen Tendenzen des Naturalismus abgesagt und sich aus Berlin zurückgezogen (vgl. LMN S. 144). Auch in seinen Gedichten zeigte er sich von da an als freidenkerischer Verkündiger einer dem Haeckelschen Monismus nahestehenden Welteinheitslehre. Seine gelegentlichen Anlehnungen an Walt Whitman erschöpfen sich in Äußerlichkeiten („Einsiedler und Genosse“, 1891; „Einsiedelkunst aus der Kiefernheide“, 1897). — Walt Whitman (1819–1892), amerikanischer Schriftsteller, dessen Lyrik in freien Langversen seit Freiligraths ersten Übersetzungen (1868) eine ständig steigende Wirkung entfalteten.

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  11. John Henry Mackay (1864–1933), in Berlin aufgewachsener, deutsch schreibender Schotte; nach epigonalen Anfängen, unter anderem im Tone Heinescher Gelegenheitsgedichte, und wenigen Jahren radikal sozialistischer Gesinnung („Arma parata fero“, 1886, auf Grund des Sozialistengesetzes verboten) der unermüdliche Propagator des Stirnerschen Individualanarchismus („Die Anarchisten“, 1891). Sein schnell verblaßter Ruhm gründete sich weniger auf literarische Qualitäten als auf das Bild des vornehmen, geistig ringenden Menschen und die — hier auch von Hart gehegte — Erwartung, er werde auf dem Wege zur Umsetzung neuen Denkens in gültige neue Kunst unablässig fortschreiten. 1911 erschienen noch seine „Gesammelten Werke“ in acht Bänden; der Expressionismus und der ausbrechende Krieg entzogen ihm endgültig die Resonanz.

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  12. Detlev von Liliencron (1844–1909), vlg. LMN S. 57 und 249. Der folgende Abschnitt über die Dichter der „neuen germanischen Rassenpoesie“ ist mit den fünfzehn Jahre vorher erhobenen Forderungen nach einer „neuen nationalen Literatur“ zusammenzuhalten (vgl. LMN S. 35ff.). Dort soll diese Literatur wohl „den Quell ihres Blutes in den Tiefen der germanischen Volksseele“ haben, aber ausdrücklich noch mit den „Errungenschaften der gesamten modernen Kultur“ genährt sein und „alles Beste, was andere Nationen geschaffen, in das eigene Fleisch und Wesen“ überführen. Hier, im Lob Liliencrons als eines germanisch unmittelbaren, an „Ideen, Idealen und an Weltanschauung“ nicht schwer schleppenden Vollblut-Künstlers, zählen nur noch ursprüngliche Naturqualitäten des „nationaleigentümlichen Rassencharakters“. Auch der Begriff „Naturalismus“ hat hier plötzlich einen an die „Kritischen Waffengänge“ erinnernden, aber sie übertrumpfenden deutsch-nationalen Affekt; er meint nicht wie am Schluß die gesamte Moderne in ihrer noch andauernden „wissenschaftlichen“ Beschränktheit, sondern eine gerade nicht wissenschaftliche, d.h. eben germanisch-elementare Blick- und Schreibweise. Daß damit das Entwicklungsprinzip und die Perspektive des ganzen Aufsatzes kurzerhand suspendiert sind, scheint Hart zu entgehen.

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  13. Gottfried August Bürger (1747–1794) und Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792). Die realistischen Elemente ihrer Lyrik haben freilich mit dem Liliencronschen Naturalismus einer „reinen Freude“ an Natur und sinnlicher Erscheinung nichts zu tun.

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  14. Nur Ferdinand Freiligrath (1810–1876) und Annette von Droste-Hülshoff (1797 bis 1848) würden zu einem „nordwestdeutschen Realismus“ gehören; Friedrich Hebbel (1813 bis 1863) und Liliencron selber sind Norddeutsche. Ohnehin ließen sich die Parallelen zu Liliencron nur durch isolierte stoffliche und stilistische Momente belegen; bei Freiligrath etwa durch den Ton der heroischen Ballade wie im „Trompeter von Gravelotte“, bei Hebbel und der Droste etwa durch die Heide-Motivik.

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  15. Gustav Falke (1853–1916) knüpft zwar bei Liliencron an, ersetzt aber dessen saloppe Weitläufigkeit durch heimelige Enge; berühmt war seine Wendung vom „Herddämmerglück“ im „Gleichtakt zwischen Wunsch und Pflicht“. Er ist neben vielen anderen und unbedeutenderen Talenten eine der Einbruchsstellen, in denen sich anfangs der neunziger Jahre die Existenzproblematik und Trostkasuistik des Kleinbürgertums der Moderne bemächtigen (u.a. „Mynheer der Tod“, 1891; „Tanz und Andacht“, 1893; „Neue Fahrt“, 1897).

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  16. Auch Cäsar Flaischlen (1864–1920), zeitweilig Redakteur des „Pan“, erscheint heute als Anwalt kleinbürgerlicher Leitbilder und Wertvorstellungen. Kennzeichnend ist seine strikte Ver-innerlichung der naturalistischen Programmatik. Seine Gedichte (erschienen u. a. in den beliebten Sammlungen „Von Alltag und Sonne“, 1898, und „Aus Lehr- und Wanderjahren des Lebens“, 1900) unterscheiden sich von denen Gustav Falkes durch ihr rhetorisch breites, formal an Holz geschultes Pathos. Die in schwäbischer Mundart gehaltene Sammlung „Vom Haselnußroi“ (1891) ist ein frühes Beispiel der Heimatkunst.

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  17. Daß hier auch Otto Erich Hartleben (1864–1905) erscheint, zeigt eine überraschende Dehnbarkeit des Begriffes der „neuen Rassenpoesie“. Gerade Hartlebens Lyrik, eine glatte, wendige Form- und Dekorationskunst („Meine Verse“, 1895), hätte Hart als „romanisch“ verwerfen müssen. Von der Dichtung der Münchener Schule trennt sie nur ihre einstmals berühmte pikante Sinnlichkeit, die — wie Hartlebens ganze Motivik aus dem Studenten-, Kokotten- und Offiziersmilieu — die Prüderie und falsche Moral des Philisters herausfordern sollte. Eine starke Wirkung hatte die Übertragung von Albert Girauds „Pierrot lunaire“ (1892).

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  18. Lodovico Ariosto (1474–1533), italienischer Dichter; Verfasser des „Orlando furioso“ und geistreicher Gesellschaftssatiren.

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  19. Johannes Schlaf (1862–1941), mit Arno Holz der Begründer des „konsequenten Naturalismus“ (vgl. LMN S. 199 und 241), hatte sich nach 1890 bald von dessen Prinzipien gelöst und — ein zeittypischer Vorgang — mehrmals in ländliche Einsamkeit zurückgezogen. Die Dokumente dieser Sehnsucht nach der Idylle sind die lyrischen Skizzen „In Dingsda“ (1892) und der von Whitman beeinflußte „Frühling“ (1894). In den folgenden Jahren verstand sich Schlaf trotz rastloser Produktion von Lyrik, Novellen und Romanen mehr und mehr als ringenden Denker, der den Haeckelschen Monismus in Religion umzusetzen und das Individuum aus dem Strudel der Dekadenz zu retten habe. Er übersiedelte schließlich nach Weimar und entwickelte dort, an Goethes Polemik gegen Newton orientiert, ein geozentrisches Weltbild, mit dem er das gesamte neuzeitliche Denken zu stürzen hoffte. Über die zunehmende Skurrilität seiner Erscheinung unterrichtet schon Kafkas Tagebuch von der Reise nach Weimar-Jungborn.

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  20. In den „Kritischen Waffengängen“ hatte Hart die Epoche nach Goethe noch durch Friedrich Rückert und Emanuel Geibel, das gefeierte Haupt des Münchener Dichterkreises um König Maximilian II., begrenzt gesehen (vgl. LMN S. 37 bzw. 38). Hier wahrt er zum Formalismus der Münchener wie der ganzen von ihm statuierten Bewegung des „naturalistischen Romanticismus“ zwar deutlichen Abstand, versucht aber, ihr wenigstens durchgehend den Stempel deutscher Herkunft aufzudrücken. Tatsächlich sind einige der genannten „radikalen Aestheticisten“ von der deutschen Romantik berührt oder angeregt worden, so der englische Romantiker Samuel Taylor Coleridge (1772–1834), der Amerikaner Edgar Allan Poe (1809–1849) und Charles Baudelaire (1821–1887), der selbst zu den „Parnassiens“ gehörte (neben Baudelaire u.a. Charles Leconte de Lisle, 1818–1894; Théodore de Banville, 1823–1891, und José-Maria de Heredia, 1842–1905), doch läßt sich nirgends von unmittelbarer Schülerschaft sprechen. Dasselbe gilt vom Symbolismus Stéphane Mallarmés (1842–1898), Paul Verlaines (1844–1896) und Maurice Maeterlincks (1862–1949) im Verhältnis zu Baudelaire. Die Dichtung der Münchener gehört überhaupt nicht in das Wirkungsfeld der Romantik; ihr Maß- und Formdenken wie ihr Schönheitskult sind epigonal klassizistisch.

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  21. Hans Makart (1840–1884), österreichischer Maler und Namenspatron des zur Gründerzeit beliebten Dekorationsstraußes aus Laub und Binsen; seine großformatigen, mit leichtbekleideten Figuren überhäuften Gemälde gelten als Beginn der kunsthistorischen Neurenaissance.

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  22. Robert Hamerling, d.i. Rupert Johann Hammerling (1830–1889), österreichischer Schriftsteller; Publikumsliebling der sechziger und siebziger Jahre, insbesondere mit seiner vielfach aufgelegten Gedichtsammlung „Sinnen und Minnen“ (1860). Der Vorwurf der „Nacktheitskunst“ richtet sich gegen seine Versepen „Venus im Exil“ (1858) und „Ahasverus in Rom“ (1866). Über die anfängliche Zustimmung der Naturalisten vgl. LMN S. 45; seine späteren theoretischen und philosophischen Bemühungen, in denen er auf die veränderte literarische Situation zu reagieren versuchte („Die Atomistik des Willens“, 1891), hliehen unbeachtet.

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  23. Eduard Grisebach (1845–1906), preußischer Konsularbeamter, war als Schriftsteller Robert Hamerling in vielen Zügen ähnlich. Auch er trat zunächst mit formal gewandten, aber die Thematik von Lust und Vergänglichkeit in Schwüle erstickenden Gedichten und Versepen hervor, so dem wahrscheinlich von Hart gemeinten „Tanhäuser in Rom“ (1875). Seit den achtziger Jahren veröffentlichte er vorwiegend literarhistorische Arbeiten (zusammengefaßt als „Das Goethesche Zeitalter der deutschen Dichtung“, 1891); bekannt wurde er schließlich noch einmal als Herausgeber der ersten Gesamtausgabe Schopenhauers.

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  24. Den Schweizer Dranmor, d.i. Ludwig Ferdinand von Schmid (1823–1888), hatte Hermann Conradi in seiner Einleitung zu den „Modernen Dichtercharakteren“ noch zum „Meister und Führer“ der naturalistischen Generation erhoben (vgl. LMN S. 45). Daß er an dieser Stelle schon unter Schlagworten als etwas Vergangenes abgetan wird, liegt an seinem historisch eigentümlich deplazierten Talent. Er gehörte zum Typus des „Zerrissenen“, wie ihn etwa Lenau verkörpert, vermochte aber, gleich weit entfernt von der Romantik wie von der psychologischen Schule des Naturalismus, den schwülstigen Farben- und Reflexionsprunk der sechziger Jahre nicht abzustreifen (u.a. „Poetische Fragmente“, 1860; „Kaiser Maximilian“, 1868). Der „Dämonen-Walzer“, eine Dichtung in freien Rhythmen, wurde aus dem Nachlaß veröffentlicht.

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  25. Hermann Conradi (1862–1890) hat gewußt, daß andere dem Gestalt geben würden, wovon er träumte. Wichtiger als seine Entlehnungen bei Herwegh, Freiligrath und der „Nacktheitskunst“ sind denn auch seine Vorausnahmen Wedekindscher und frühexpressionistischer Problematik. So hat die Figur der Dirne bei ihm schon jenen Doppelcharakter von Erlöserin und Rächerin, wie ihn Wedekind etwa im „Erdgeist“ und der „Büchse der Pandora“ ausbildet („Lieder eines Sünders“, 1887). Vgl. auch LMN S. 50.

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  26. Wilhelm Arent (1864–?) hatte 1893 noch das Bändchen „Irrflammen“ erscheinen lassen und war dann wegen eines Nervenleidens aus der literarischen Öffentlichkeit verschwunden. Seine kalendarisch breite Produktion, die insgesamt wie ein Pasticcio aller vom Naturalismus aufgerufenen Vorbilder anmutet, ist auch in ihrem „Sexualismus“ harmloser, als Hart es darstellt. Vgl. auch LMN S. 49f.

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  27. Der Österreicher Felix Dörmann, d.i. Felix Biedermann (1870–1929), ahmte Baudelaire und Verlaine zwar formal nach, verstofflichte ihre Dekadenzthematik aber zum Salonabenteuer. Nach dem Hervortreten Georges, der Hart hier noch unbekannt zu sein scheint, wurde nicht mehr von ihm gesprochen („Neurotica“, 1891; „Sensationen“, 1892).

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  28. Die Lyrik Otto Julius Bierbaums (1865–1910) ist wie diejenige seines Freundes Hartleben oder auch Wilhem Arents ein Beispiel dafür, daß unterhalb der Forderungen nach Originalität, neuem Pathos und neuen Formen das Dichten in überkommenen Mustern und historischen Tonen weiterging. Mit den „Neuromantikern“ Joseph Victor von Scheffel (1826–1886), dem Autor des „Trompeters von Säckingen“, Rudolf Baumbach (1840–1905), Verfasser einer beliebten Sammlung klingelnder „Spielmannslieder“, und Julius Wolff (1834–1910; vgl. LMN S. 51); dem gleichzeitig als Maler und Lyriker hervorgetretenen Präraffaeliten Dante Gabriel Rossetti (1828–1888), Dürer, Corot und der eben bekanntwerdenden Japan-Kunst nennt Hart im folgenden allerdings nur einen kleinen Ausschnitt der Traditionen und Anreger, die Bierbaum mit höchster Geschicklichkeit und einem nie nachlassenden flotten Anspruch auf Modernität verarbeitete. Für den universellen Feuilletonismus der späteren Brettl-Kunst wurde er einer der entscheidenden Anreger (u.a. „Erlebte Gedichte“, 1892; „Nemt, Frouwe, disen Kranz“, 1894). Vgl. auch LMN S. 138. -Die „bekannten Verse“ Goethes sind „Kenner und Enthusiast“ (1774).

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  29. Loris oder Loris Melnikow nannte sich in seinen frühen Publikationen Hugo VON Hofmannsthal (1874–1929). Er veröffentlichte seine Gedichte zunächst nur in Zeitungen und Zeit-Schriften, doch lagen 1896 auch schon seine lyrischen Dramen „Gestern“ (1891; unter dem Pseudonym Theophil Morren), „Der Tod des Tizian“ (1892) und „Der Tor und der Tod“ (1894) vor. Mit den „französischen Symbolisten“ sind dieselben Baudelaire, Mallarmé und Verlaine gemeint, die vorher dem „naturalistischen Romanticismus“ zugerechnet werden.

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  30. Es ist wohl Verlegenheit, daß Hart hier den „Phantasten“ Paul Scheerbart (1863–1915) anschließt. Denn dessen grotesk fabulierende, Epik, Lyrik und Dramatik mischenden Gebilde (u.a. „Das Paradies. Die Heimat der Kunst“, 1885; „Tarub, Bagdads berühmte Köchin“, 1897; „Der Tod der Barmekiden“, 1900) gehören weder in die Nähe Hofmannsthals, noch passen sie überhaupt in das Hartsche Schema; ihre literarischen Vorbilder sind die Satiren und utopischen Phantasien der Auf klärer Cyrano de Bergerac (1619–1655) und Jonathan Swift (1667–1745). Erst der Expressionismus erkannte die avantgardistischen Züge des Außenseiters.

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  31. Das Erscheinen der Lyrik Richard Dehmels (1863–1920) markierte für die Zeitgenossen das Ende des Naturalismus genauer als die literaturtheoretische Polemik. Was sie den Naturalisten verdankte, den freien Vers und die anfängliche Mittelachsengliederung nach Holz; das soziale Pathos Karl Henkells und den Conradischen Ton der confessio, war in den Entwurf einer Lebensund Kunstmetaphysik einbezogen, der mit dem hausbackenen Positivismus der achtziger Jahre — eine der ersten großen Wirkungen Nietzsches — radikal brach („Erlösungen“, 1891; „Aber die Liebe“, 1893; „Lebensblätter“, 1895; vgl. auch LMN S. 237f.). Hart verweist trotz vorsichtiger Zustimmung beharrlich auf Dehmels Schwächen. Sie liegen in der Inkongruenz von weltanschaulichem Entwurf und Eigengewicht der Bildlichkeit; der Traum des freien, durch Geist zur Liebe geläuterten Lebens fällt immer wieder an das Welträtsel unerlöster Sinnlichkeit zurück und erstickt in Figuren des Schicksals. Dies verleiht der Dehmelschen Dichtung den von Hart hellsichtig beschriebenen Zug ins Allegorische; darin nimmt sie aber auch, ohne es zu wissen, die Lust-und Vergänglichkeitsthematik der Hamerling und Grisebach wieder auf.

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  32. John Lyly (1554–1606), englischer Dramatiker und Verfasser des Romans „Euphues, the anatomy of wit“, dessen gezierte Prosa die Mode des Euphuismus auslöste.

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  33. Die Marquise de Rambouillet unterhielt von 1618–1650 in ihrem Pariser Palais den literarischen Salon der „Précieuses“. Der dort gepflegte, gesucht „kostbare“ Redestil hat die französische Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts stark beeinflußt.

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  34. Die in ganz Europa kopierte Schreibweise des italienischen Lyrikers Giambattista Marino (1569–1625) zeichnete sich unter anderem durch eine besondere Technik durchkomponierter Wort- und Begriffsspiele, die sogenannten „concetti“ aus.

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  35. Der Spanier Luis de Gongora y Argote (1561–1627) entwickelte seinen „estile culto“ durch virtuose Häufung von metaphorischen Formen, Latinismen und Neubildungen. Wie Marino, so ist auch er von der Lyrik des europäischen Barock begeistert nachgeahmt worden. Seine phantastisch-sensuelle, den Sinn des Gedichtes ständig verdunkelnde Bildkraft erreichte freilich schon seine engere Schule nicht mehr.

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  36. Daniel Casper von Lohenstein (1635–1683), neben Hofmannswaldau das hervorragendste Mitglied der Zweiten schlesischen Schule, war wegen seines schrankenlosen Gebrauches barocker Stilmittel schon ein Prügelknabe der Aufklärung. Seitdem verbindet sich mit seinem Namen der Begriff des Schwulstes.

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Erich Ruprecht Dieter Bänsch

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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Julius Hart »Die Entwicklung der neueren Lyrik in Deutschland«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_2

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