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Thomas Mann »Bilse und ich«

Aus: »Münchner Neueste Nachrichten«, Nr. 75 und 76, 1906 (15. und 16. Februar)

  • Chapter
Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910
  • 17 Accesses

Zusammenfassung

Zu Lübeck, meiner Vaterstadt, ist mir neulich übel mitgespielt worden. Gelegentlich eines Preßprozesses, einer literarischen Beleidigungssache, eines geräuschvollen, für uns aber unbeträchtlichen Handels, der dort zum Austrag gekommen und über welchem der Geist Bilses schwebte, ist viel und heftig von meinem Roman „Buddenbrooks“ die Rede gewesen, einem Buche, das in jedem Skandalprozeß unbedingt zur Sache gehört und zwar darum, weil seine Figuren zum Teil nach lebenden Personen gebildet sind, weil ich Heimatserinnerungen verschiedener Art, ehrwürdige und skurrile, an Menschen und Verhältnisse, die auf meine empfängliche Jugend Eindruck gemacht, darin zu einigem Leben erweckt habe. Der Vertreter der Klage zumal hat meinen Namen und den meiner Erzählung beständig mit großer Strenge im Munde geführt; und in seinem Plädoyer hat er schließlich, indem er von „Bilse-Romanen“ sprach, als Beispiel für diese neue und skandalöse literarische Gattung den Roman „Buddenbrooks“ nachdrücklich namhaft gemacht.1

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Notizen

  1. Es handelte sich um einen Beleidigungsprozeß gegen den Lübecker Unterhaltungsschriftsteller Johannes Valentin Dose (1860–?). Der klagende Rechtsanwalt von Brocken verglich den Fall mit dem des ehemaligen Leutnants Oswald Fritz Bilse (1878–?), der in seinem Roman „Aus einer kleinen Garnison“ (1903) die Offiziere des Trainbataillons Forbach in Lothringen porträtiert hatte und deshalb zu Festungshaft verurteilt worden war. Daß er diesen Vergleich auch auf Thomas Mann ausdehnte, lag an dem Mißverständnis, der Roman „Buddenbrooks“ zerre schamlos Lübecker Familieninterna ans Licht. Tatsächlich waren nach Erscheinen des Buches Personalcodices umgelaufen, die die Figuren des Romans mit historischen Personen aus der Familie Mann und ihrer Lübecker Bekanntschaft identifizierten.

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  2. Vgl. das Textbuch zu Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“, 2. Aufzug. Isolde (zu Tristan): „Doch uns’re Liebe, / heißt sie Tristan / und Isolde? / Dies süße Wörtlein: und (…)“.

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  3. Gemeint sind die „Aufzeichnungen eines Jägers“ (1852). Turgenjew gehörte zur Zeit der Niederschrift der „Buddenbrooks“ zu Manns bevorzugter Lektüre.

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  4. Tasso und Antonio sind die Gegenspieler in Goethes Schauspiel „Torquato Tasso“ (1890); Basaroff und Paul Petrowitsch in Turgenjews Roman „Väter und Söhne“ (1862).

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  5. Der Literat, dessen Person Modell zur Beschreibung des Schriftstellers Spinell gestanden hatte, war Arthur Holitsgher (1869–1941). Holitscher, tief gekränkt, erwähnte dies selbst in seiner Autobiographie „Lebensgeschichte eines Rebellen“ (1924).

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  6. Die Zeitschrift „Kritik der Kritik“, von der nur zwei Jahrgänge erschienen (1905/06 und 1906/07), hatte in ihrem ersten Heft eine Umfrage unter dem Titel „Bedarf die Kritik einer Reform?“ veranstaltet. Manns Antwort erschien im zweiten Heft und faßte Kritik als Geist und Freiheit. Der hier als „Doktor X.“ bezeichnete Schriftsteller ist Alfred Kerr.

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Erich Ruprecht Dieter Bänsch

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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Thomas Mann »Bilse und ich«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_16

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