Zusammenfassung
Die Lyrik war lange Zeit, namentlich in den siebziger und zum Teil achtziger Jahren (der unfruchtbarsten Epoche der modernen deutschen Litteratur) das Aschenputtel der Kunst. Ein Lyriker, das war ein Typus für die „Fliegenden Blätter“1 (neben versoffenen Studenten, alten Jungfern, Juden, Leutnants). Und doch hätte man sich gerade in Deutschland dankbar erinnern sollen, daß wir neben der Musik gerade der Lyrik unsere reifsten Früchte verdanken, und daß mit der Lyrik jede neue litterarische Bewegung eingesetzt hat. (…)
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Notizen
Das Märchendrama „Die versunkene Glocke“ (1896) stieß wegen seiner „neuromantischen“ Motivik und seiner Verwendung des Blankverses bei vielen der alten Parteigänger Hauptmanns auf Ablehnung. Vgl. auch die abschätzige Bemerkung in Holz’,,Selbstanzeige“, S. 26 und Anm. 8.
Moritz Carrière (1817–1895), dem Münchener Dichterkreis nahestehender Philosoph und Ästhetiker; vgl. LMN S. 230, Anm. 1.
Die Großzügigkeit dieser Thesen kommt schon darin zum Vorschein, daß als „malende“ Romanciers ausschließlich nichtdeutsche Autoren genannt sind; die Franzosen Edmond (1822–1896) und Jules de Goncourt (1830–1870; vgl. LMN S. 200), Emile Zola (1840–1902; vgl. LMN S. 34f.) und der Däne Jens Peter Jacobsen (1847–1885), Verfasser der „Frau Marie Grubbe“ (1876) und des „Niels Lyhne“ (1880). Tatsächlich läßt sich das deutsche 19. Jahrhundert nicht einfach in eine erste Hälfte unter dem Einfluß der Musik und eine zweite unter dem Einfluß der Malerei aufteilen; schon die Romantik, von Goethe oder Stifter ganz abgesehen, zeigt „malerische“ neben „musikalischen“ Tendenzen, so wie umgekehrt in der Moderne des Jahrhundertausgangs, etwa bei Hofmannsthal, die „zurückgewichenen“ Rhythmen und Stimmungen oft das entscheidende produktive Element sind. Richard Wagner (1813–1883) nimmt sich zwar in manchen Zügen seiner Musikdramatik, so der allegorisch-bildchenhaften Anwendung des Leitmotivs, als „Maler“ aus, verwirklicht aber mit seinem „Gesamtkunstwerk“ eine Idee der Romantik. Worin Gerhart Hauptmann (1862–1946) ein Kronzeuge für den Einfluß der Malerei sein soll, bleibt unklar; allerdings geht es Berg wohl von vornherein nicht um genaue Nachweise, sondern um die Erstellung eines historischen Hintergrundes für eine programmatische Position. Sie deckt sich mit der Holzschen Forderung nach einer Lyrik, die „auf jede Musik durch Worte als Selbstzweck verzichtet“; Liliencron fungiert nur als ihr schon vorhandenes Muster und Beispiel.
Julius Hart hatte 1879 die Sammlung „Sansara“, 1890 „Homo sum“ und 1897 den „Triumph des Lebens“ veröffentlicht. Seine „Leidenschaft“ erscheint heute als Weltanschauungsrhetorik.
Carl Busse (1872–1918), Schriftsteller und Journalist in Berlin; ahmte in seiner flachen, auf die Bedürfnisse des literarischen Marktes zugeschnittenen Lyrik (u.a. „Symphonie“, 1891; „Gedichte“, 1892) und in seinen novellistischen Sammlungen (u.a. „In junger Sonne“, 1892) unbekümmert die Töne Storms und Liliencrons nach. Später dehnte er seine Produktion auch auf Romane und literarhistorische Abhandlungen aus; pünktlich im Jahre 1900 erschien eine „Geschichte der deutschen Dichtung im 19. Jahrhundert“.
Martin Greif, d.i. Friedrich Hermann Frey (1839–1911), ein von Mörike geförderter Einzelgänger, hatte seine Lyrik zur Hauptsache schon in den sechziger Jahren erscheinen lassen (u.a. „Gedichte“, 1860; „Frühlingslieder“, 1864). In der Rolle eines stillen deutschen Hauspoeten überstand er unangefochten die Verfemung seiner Generation durch den Naturalismus und erlangte in den siebziger und achtziger Jahren, vor allem in Süddeutschland, mit seinen zahlreichen Bildungsdramen einen hohen Ruf als Theaterdichter. Daß Berg ihn — 1900 — zu den Lyrikern „unserer Zeit“ rechnet, ist wohl ein Reflex des Erscheinens seiner „Gesammelten Werke“ (1895/96).
Emil Prinz von Schönaich-Carolath (1852–1908) gab mit seiner Lyrik, seinen Balladen, Epen und Novellen das empfindsame Gegenstück zur Dichtung Liliencrons. Berg bezieht sich auf seine Sammlung „Dichtungen“ von 1883.
Symbolisierend-malerisches Dichten findet sich in Wahrheit bei Goethe, insbesondere beim späten Goethe, in weitaus größerem Maße als bei Nikolaus Lenau, d.i. Nikolaus Edler Nimbsch von Strehlenau (1802–1850), dessen Lyrik im Sinne der Bergschen Kategorien sogar als ganz und gar „musikalisch“ angesprochen werden müßte.
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Ruprecht, E., Bänsch, D. (1970). Leo Berg »Detlev von Liliencron und die moderne Lyrik«. In: Ruprecht, E., Bänsch, D. (eds) Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890–1910. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99502-5_13
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