Die Zeit der Klassik und Frühen Romantik 1775–1805

Zusammenfassung

Was die drei Jahrzehnte zwischen Goethes Ankunft in Weimar und Schillers Tod für eine annalistische Betrachtung vor allem anderen kennzeichnet, ist die unvergleichliche Dichte und Fülle der schöpferischen Verwirklichungen, besonders der dichterischen und musikalischen Hervorbringungen. Gemeinhin liegen, auch in produktiven Zeitaltern, viele Jahre oder Jahrzehnte zwischen dem Erscheinen von Werken höchsten Ranges und weltweiter Wirkung. Aber in diesen Dezennien ist die Gleichzeitigkeit solcher Ereignisse bestürzend, der Rhythmus ihrer dichten Folge atemraubend. In einem Jahre, 1787, erscheinen Goethes Iphigenie in der Versgestalt, Schillers Don Carlos, Mozarts Don Juan, der dritte Teil von Herders Ideen, und Kants Kritik der praktischen Vernunft war im Druck (ausgeliefert 1788). Eine Fruchtbarkeit dieser Art erhält sich dreißig Jahre hindurch (wenn auch nicht jedes einzelne Jahr die gleiche Fülle zeitigt), und in der Zeitspanne eines Menschenalters ist ein sehr großer Teil aller deutschen Schöpfungen entstanden, die kraft innerer Mächtigkeit und dauerhaft geprägter Form zum unverlierbaren Grundbestand unserer geistigen Überlieferung überhaupt gehören. Gleichzeitig mit ihnen tritt ein Fülle gewichtiger Werke zweiter Ordnung ans Licht — im Jahre 1787 erscheint zum Beispiel neben jenen Werken von Weltgeltung ein so bedeutender Roman wie Heinses Ardinghello.