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Gralsmotive um die Jahrhundertwende

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Von Mainz nach Weimar (1793–1919)

Zusammenfassung

Nach Jahrzehnten einer weitgehenden religiösen Indifferenz vollzieht sich in der deutschen Literatur der späten neunziger Jahre plötzlich eine ‚metaphysische‘ Wende, die man häufig mit dem Protest der Romantik gegen die Aufklärung verglichen hat.1 Überall melden sich Stimmen, die den positivistischen Determinismus und seinen zweckgebundenen Fortschrittsglauben als eine zunehmende Verengung der menschlichen ‚Substanz‘ empfinden. Um diese Verfremdung, ja Verkrustung der seelischen Antriebskräfte wieder rückgängig zu machen, entsinnt man sich wie in den Tagen Schleiermachers auf jenes mythischirrationale Bild des ‚Homo religiosus‘, das im Zeitalter der saturierten Bürgerlichkeit und seiner rein diesseitigen Weltanschauung ins literarische Unterbewußtsein abgesunken war. Während die Impressionisten fast ausschließlich das flüchtige Sinnenglück umbuhlt hatten, wodurch sie einem relativistischen Solipsismus verfallen waren, bemüht man sich jetzt um eine geheimnisvolle Übereinstimmung mit allen sogenannten ‚Schicksalsmächten‘, um so der Welt des hastenden Tuns und der tausendfältigen Zerstreuungen etwas Würdiges, Bedeutungsvolles, Göttliches entgegenzusetzen.

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Anmerkungen

  1. vgl. hierzu auch das Kapitel ‚Religio statt Liberatio‘ in Richard Hamann/Jost Hermand, Stilkunst um 1900 (Berlin 1967, Deutsche Kunst und Kultur von der Gründerzeit bis zum Expressionismus 4), S. 131–67.

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  2. vgl. Wolfgang Golther, Parzival und der Gral in der Dichtung des Mittelalters und der Neuzeit (Stuttgart 1925), der jedoch die neuere Gralsdichtung nur anhangsweise behandelt und obendrein am Maßstab Wolframs mißt. Sein Lob gilt in nationalistischer Überspitzung nur Lienhard, Chamberlain und Wolzogen, deren Werke mit Adjektiven wie „sinnig“ oder „gedankentief“ ausgezeichnet werden (S. 306 ff.). Rein motivgeschichtlich orientiert ist die Arbeit von Margarete Pertold, Die Parzivalgestalt in der neuen Dichtung (Diss. Wien 1935), die sich um eine möglichst lückenlose Erfassung der Gralsmotivik bemüht, während sie die weltanschaulichreligiösen Hintergründe dieser Werke recht oberflächlich behandelt.

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  3. Heinrich Rickert, Der Gegenstand der Erkenntnis, 2. Aufl. (Tübingen 1904), S. 166.

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  5. Eine der ersten kritischen Auseinandersetzungen mit Lienhard findet sich bei Ernst Stadler (Dichtungen, hrsg. von K. L. Schneider, Hamburg 1954, Bd II, S. 61 ff.), dessen Gedicht ‚Parzival vor der Gralsburg‘ (Bd I, S. 147) eine entschiedene Absage an jeden idealistischen Optimismus darstellt.

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  6. Rudolf Hans Bartsch, Zwölf aus der Steiermark (Leipzig 1908), S.271.

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  7. vgl. Jost Hermand, Die Ur-Frühe. Zum Prozeß des mythischen ‚Bilderns‘ bei Mombert. In: Monatshefte 53 (1961), S. 105–14.

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  15. vgl. auch Peter Horwath, Der Weg vom liberalen zum nationalen Pathos. Die Literatur Tirols. In: Literatur und Kritik 8 (Nov. 1966), S. 25 f.

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Hermand, J. (1969). Gralsmotive um die Jahrhundertwende. In: Von Mainz nach Weimar (1793–1919). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99280-2_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99280-2_9

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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