Zusammenfassung
Die Epoche geistlicher Dichtung von etwa hundert Jahren (1050 bis 1150), die man mehr sprachlich als sachlich die frühmittelhochdeutsche nennt, ist durchaus kein Stiefkind der Forschung, seit Opitz bis zur Gegenwart. Und doch steht sie fast ebensolange in einem seltsamen Zwielicht. Wir besitzen Werke von unbestrittener Wirkung auf ihre Zeit wie auf uns: Ezzolied, Genesis, Annolied, Memento mori, die Erstlinge nach hundertjährigem Schweigen der Schreibstuben; dazu noch manches Bedeutende aus dem frühen 12. Jahrhundert. (Die geistliche, geistlich-weltliche und weltliche Literatur von der Kaiserchronik an gehört schon zu einer neuen Epoche.) Aber wir verstehen sie bis heute nicht primär als Dichtung, sondern nur sekundär, nur als Popularisierung geistlicher Propaganda.
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Anmerkungen
Vgl. zum Ganzen jetzt Hugo Kuhn, Frühmittelhochdeutsche Literatur, in: Merker-Stammlers RL2 i (1958), S. 494–507.
Zu dieser und den anderen Weltzeitalter-Lehren vgl. jetzt Anna Dorothée v. den Brincken, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos von Freising, 1957.
Das auch für die Gegenwart, die »sechste Welt« teilweise (unte der sehsten ein vil michel teil) mitgeltende Präteritum (gefuoren alle zuoder helle) steht schon Joh. 1,5 non comprehenderunt. (Wie das Präsens lucet = sament uns ist S II schon für die Vergangenheit gilt!) Vgl. Rudolf Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 2. Lfg (1951), vor allem § 42 (S. 361ff.), wo besonders deutlich wird, wie genau auch Ezzo die johanneische Theologie aufnahm, wie stark sie sein Gedicht durchwirkt, wie viele Johannes-Zitate darin versteckt sind! Man muß schon eine in der Zusammenschau so scharfsinnige Leistung (vom System ist hier nicht zu reden) wie die Bultmanns heranziehen, um die ganze johanneische Fülle bei Ezzo gewahr zu werden. Nicht nur lux selbst und vita (s. u.) sind Zitate, sondern auch: die Schöpfungs-»Ehre« der Welt (S I, 8; IV, 11), die ganze Str. II, wie wir sahen, das anegenge (S III; IV, 1: Joh. 1, 3) und der Mensch als »Ehre« der Schöpfung (S III), Tod, Teufelsknechtschaft in S V, Teufelsnacht, Licht, Sonne in S VI, die Rolle des Johannes Baptista in Vor. 12 (136: Joh. 1, 7; überhaupt Joh. 1, 6–8 und 1,21–25 für 138f., 141ff.). Für Vor. 13 (145–156) haben wir oben nur Joh. 1, 5 und 9ff. herangezogen, sie besteht aber fast nur aus Johannes-Zitaten. Die folgenden Vorauer Evangelien-Erzählung schließt sich z. T. auch an Joh. an, aber mehr stofflich. Zitate noch: Vor. 20 (233: Joh. 1, 14; 245: Joh. 6, 63), Vor. 26 (311: Joh. 1,45; 317ff.; Joh. 3, 14) Vor. 29 (355: Joh. 6, 31ff.), Vor. 32 (385ff.: Joh. 12, 32ff.; 388: Joh. 6, 44). Mit solchen Johannes-Zitaten, den auf Gregors Moralia in Job und den auf die Kreuzhymnen des Venantius Fortunatus zurückzuführenden Stellen kann man das alte Gedicht fast lückenlos rekonstruieren. Darüber sowie über sonstige Quellenzusammenhänge s. unten. Der oft an unserer Ezzo-Stelle (Str. 13, 1–3 = 145 ff.) gerügte, ja zum Kriterium ihrer Unechtheit gemachte Fehler, daß auch die sechste »Welt« scheinbar dem Erlöser vorangeht, ist also—johanneisch, und Ezzos Präteritum (Duo die vinf Werlte) gevuoren (alle zu der helle) zeigt als Zitat ihre Echtheit—und zeigt auch, wie genau seine Interpreten das Johannes-Evangelium studieren müssen, um ihm überhaupt folgen zu können!
Auf die programmatischen Worte (êre, anegenge, manchunne, man, lieht) besonders in der ersten und letzten Langzeile der Strophen von S war oben hingewiesen. Vielleicht gab, noch genauer, immer die erste Strophe eines Strophenpaares zu Anfang das thematische Programmwort (III, 2 und 11 anegenge, V, 1 und 12 man, manchunne; VII, 2 lieht), die zweite Strophe des Paares am Schluß eine Vorausdeutung (IV êre—val; VI die »Sonne« Christus; Vor. 12 gotes weg). Im Vorauer Text hat H. Schneider, Ezzos Gesang, ZfdA 68 (1931), S. 1–16 [vgl. H. de Boor, Ezzos Gesang, ZfdA 68 (1931), S. 226–232], eine Anzahl Strophen aus sachlichen und stilistischen Gründen eliminiert. Auch das so gereinigte Gedicht aber bleibt eine S widersprechende Evangelienerzählung nach dem Programm der umgedichteten Vor. Str. 3 (21ff.). Nach Vor. Str. 13 (145 bis 156), deren Echtheit sich (gegenüber Schneider) oben klar ergab, folgt in 14–19 (157–232) eine geschlossene Erzählung von der Geburt bis zu den Wundern Christi. (Die Mariologie bezieht sich auf die unechte Vor. Str. 8 = 79ff.)-Anders Strophe 20 (233–248). Hier ist in einem die ganze Lehre Christi gegeben, Zeile 1 (Er was mennisch unt got) schließt an Vor. 13, 11 (155) an (in mennisclîchemo bilde), und die Schlußzeilen weisen, ganz in der Art der Straßburger Strophenpaare, voraus: auf den Kreuzestod. Wenn die Zeilen 241–244 fallen (die nach Ittenbach die Programmzahlen der späteren Vorauer Fassung aussprechen?), so ergibt sich auch innerhalb der Strophe ein klarer Zusammenhang und Zwölfzeiligkeit.—Von Str. 21–25 (249–310) folgt eine andere geschlossene (‘Vorauer’) Erzählung: von Christi Tod, Auferstehung und Höllenfahrt (so die Reihenfolge?).—Die Strophen 26–30 (311–370) aber bringen ohne Überleitung wieder ein neues Thema: sie greifen zu typologischen Gegenbildern des Kreuzestodes aus dem Alten Testament zurück. Während jedoch in Str. 27–30, in vier Strophen, nur ein typologisches Ereignis behandelt wird—der Auszug aus Ägypten, und zwar mit jener Kampfmetaphorik, die, wenn man genau zusieht, erst im 12. Jahrhundert in der deutschen Dichtung üblich wird (dies zu Friedrich Heer, Aufgang Europas, 1949,I, 153f.)—enthält Str. 26 allein deren vier, wieder mit akzentuierter Nennung des Kreuzes in der Schlußzeile! Es liegt nahe genug, diese Strophe als (jetzt den ‘Vorauer’ Zusammenhang unterbrechenden) alten Bestand der Fassung S zu sehen.—Dieses Lob des Kreuzes nimmt dann hymnisch Str. 31 (371–382) auf, und Str. 32 (383–394) schließt daran unsere Erlösung als Erfüllung der Verheißungen Christi an: unsere Erhöhung zu neuer Ehre, als Antwort auf die verlorene Schöpfungs-Ehre, durch das Kreuz! Das gehörte also auch der alten Fassung (S).—Gegen die ausführliche Allegorie von Str. 33 (395–406) bestehen mehr kompositionelle Bedenken. Für die Schiffsmetaphorik bringen E. R. Curtius a.a.O. (Register) und Franz Dölger (Sol salutis, 21925) alte Belege, die Richard Kienasts Nachweis (AfdA 53, 235f.) aus Horaz höchstens als indirekte Quelle erscheinen lassen; auch die später anzuführenden Predigten des Abtes Berengoz verwenden diese Metapher. So könnte die Strophe auch alt sein trotz ihrer geringeren Verklammerung im programmatischen Aufbau.—Die Trinitäts-Doxologie von Str. 34 (407–420) aber gehört sicher in der Art der lateinischen Hymnen schon ans Ende des alten (‘Straßburger’) Gedichts. (Die Zeilen 411–412 mit der, allzu gelegentlichen, Erwähnung des Gerichts wären zu streichen, damit ergäbe sich Zwölfzeiligkeit aller ‘Straßburger’ Strophen mit Ausnahme der beiden Prologstrophen.)—Zu etwas anderer Auswahl, die mit stärkerer Interpolation auch in echten Strophen rechnet, kommt die Dissertation meiner Schülerin Inge Moehl, Die Einflüsse der Logos-Lux-Vita-Theologie auf die frühmittelhochdeutsche Dichtung (mit besonderer Berücksichtigung des Ezzo-Liedes), masch. Diss. Tübingen 1953.
Die Benutzung von Gregors Moralia, Hraban, Berengoz von St. Maximin (s. u.), der östlichen Liturgien und der lateinischen Hymnik in S und Vor. untersucht die o. a. Dissertation von I. Moehl. Ittenbachs Verweis auf Grates usiae der Cambridger Lieder trifft nicht.
Dazu Fr. Ranke, »Ich bin von Gott, ich will wieder zu Gott«, in: Angebinde für John Meier, 1949, S. 111ff.
Nach den Parallelen im Bereich von S scheint Vor. die »wir« und »uns« noch zu vermehren (18; 103; 118)—so daß mit solchen Zusätzen auch im späteren Vor. Text zu rechnen ist -, während in S dieser Gegenwartsbezug am richtigen Platz, da aber immer sehr betont aufgenommen wird: II, 2 u. 3; (III und IV sind als hymnische Anrede an Gott gefaßt, III als Ich-Bekenntnis); V, 2 und 9; VI, 10; ganz VII.
Statt der hier nötigen Interpretationen und Texte und Abbildungen—das vielleicht Ungewohnte dieser Betrachtungsweise liegt in der dabei geforderten Autopsie!—hier leider nur ein paar Verweise. Zur Symbolik in der Geschichte: Carl Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, 1935; breiter, wenn auch in der Tendenz anfechtbar Friedrich Heer, a.a.O.; zur historischen Bedeutung der Symbole im frühen Mittelalter zuletzt noch: Percy E. Schramm, Die Anerkennung Karls des Großen als Kaiser. Ein Kapitel aus der Geschichte der mittelalterlichen ‘Staatssymbolik’, HZ 172 (1951), S. 449–515. Zum symbolischen Realismus in der Kunst s. Wilhelm Pinder, Die Kunst der deutschen Kaiserzeit, 51952; A. Graf von Silva Tarouca, Stilgesetze des frühen Abendlands, 1943 (zur kritischen Benutzung s. Hugo Kuhn, Zum neuen Bild vom Mittelalter, DVjs. 24 [1950], S. 541 ff.); Hans Sedlmayr, Die Entstehung der Kathedrale, 1950; auf Sedlmayrs problematische Thesen ist hier nicht einzugehen.
Das ‘Archaische’ betont als die eigentliche Leistung der salischen Kunst in Deutschland besonders W. Pinder (Register und S. 118).
Vgl. Helmut de Boor, Frühmittelhochdeutscher Sprachstil I, ZfdPh 51 (1926), S. 244–274. Die Stilbeobachtungen lassen sich über Parataxe und Zeilenstil hinaus ergänzen, was an anderer Stelle folgen soll.
Ulrich Pretzel, Frühgeschichte des deutschen Reims, 1941, I, 226ff.: nichts von Endsilbenreim-Prinzip, einer der »ungehobelsten Reimer der Zeit«, trotzdem »nicht völlige Reimlosigkeit«! Meine Auffassung der Assonanzen in frühmhd. Dichtung auf Grund von Pretzels Material hoffe ich auch a. a. Stelle zu begründen. Vgl. Pinder S. 83.
Auch dies noch ausführlich zu begründen. Schon seit Heusler (§ 524f.) ist es üblich, die frühmhd. Metrik nicht einfach als ‘roh’ vom Standpunkt von 1200 aus zu verwerfen. Trotzdem bleibt es grundsätzlich richtig, sie als Anfang in eine Entwicklungslinie bis zum höfischen Vers zu stellen. Hier wie in allen Lebensgebieten führt eine konsequente, wie zwangshafte Linie bis zu den hochmittelalterlichen Formen.—Die Reimpaare sind sicher mit Friedrich Maurer (Über Langzeilen und Langzeilenstrophen in der ältesten deutschen Dichtung, in: Festschrift für Ernst Ochs, 1951, S. 31ff.) als »Langzeilen« zu lesen. Aber nicht im Zusammenhang mit frühen oder späten Langzeilen-Strophen, sondern als Vorform der epischen Reimpaare, die schon in den ‘Strophen’ des Annoliedes deutlich zur Kaiserchronik hinweisen.
Analecta Hymnica 50,66–68.
Vgl. jetzt Carl Allan Moberg, Die liturgischen Hymnen in Schweden, 1947, 1, 1ff.: Definition; 5ff.: Geschichte; 9 und 37: Wechselchörigkeit. Ohne Zweifel werden die weiteren Bände von Mobergs Werk und die Regensburger Sammlungen von Bruno Stäblein neue Gesichtspunkte auch für das Ezzo-lied (vielleicht sogar eine Kontrafaktur?) zeitigen. Die lux-Symbolik Ezzos findet bekanntlich in vielen frühen Hymnen ihren Vorklang.—Über die Einigung der füllungsfreien Verse mit der (durch den Komponistennamen Wille in Vor. Str. 1 bezeugten) Melodie fehlen noch Anhaltspunkte, die generell vom Verhältnis deutscher Texte zu lateinisch textierten Melodien auszugehen hätten.
Hans Spanke, Über das Fortleben der Sequenzenformen in den romanischen Sprachen, ZfromPh 51 (1931), S. 314 und ders., Zur Geschichte der nichtliturgischen Sequenz, Speculum 7 (1932), S. 375: Aurea per sottet lyra (Cambridger Lieder Nr. 10) und Verbum bonum et suave,—Strophenbau im späteren lyrischen Sinn beginnt in Frankreich gegen 1100: Conductus, Abälards planctus u. a.
Josef Jungmann S. J., Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe, 31952. Zur Geschichte der Anaphora I, 20ff. passim (Parallelen zu Ezzo S. 31, 46f., 49, 56); römische Weihnachtspräfation von Gregor d. Großen S. 81 Anm. 17; Logostheologie im orientalischen Nicäno-Kon-stantinopolitanum S. 595; Präfation II, 145ff.
Kreuzpräfation erst seit dem 9. Jh. bezeugt: Jungmann a.a.O. S. 151 f.—Auf die römische Weihnachts- und Karfreitags-Präfation verweist schon Schwietering a.a.O. S. 55.
Dazu Georg Schreiber, Gemeinschaften des Mittelalters, 1948, S. 88, 102, 167, 277, 410.—Hans Sedlmayr, Die Entstehung der Kathedrale, 1950, S. 162 und Register (Kreuzaltar, Symbol).
Jungmann an den S. 261 Anm. 16 zitierten Stellen. Texte: F. E. Brightman, Liturgies eastern and western, Bd 1, 1896; genaueste Parallelen allerdings zum 8. Buch der Apostolischen Konstitutionen, der sogenannten Klementinischen Liturgie, die kaum in praktischem Gebrauch war: Brightman S. 14ff.; B. Altaner, Patrologie, 21950, S. 43f.
Georg Schreiber fordert für die bei ihm öfter erwähnte Ost-Beziehung a.a.O. S. 87, 103 Untersuchungen (vgl. noch 129, 226, 410, 420).
Ohne daß man dabei an praktisch liturgische Verwendung des deutschen, wenn auch von Geistlichen gesungenen Liedes denken dürfte! Es gehört eben zu jenem breiteren Kreis religiös-symbolischer Adels- und Volksbewegung, dem die Geistlichen, selbst ja in engem Kontakt mit ihren weltlichen Geschlechtsmitgliedern, vorläufig noch die Stimme geben !
Zur Geschichte der Lichtsymbolik vgl. vor allem Franz Dölger, Sol salutis, 21925. Wie die syrische Liturgie, so gibt auch der Syrer Ephrem mit seinen Liedern unzählige Beispiele: Übersetzung in der Bibliothek der Kirchenväter2 Bd. 20, 1 und 2 (1919 und 1928); Altaner, Patrologie, S. 299ff. Die lux-Spekulation des altenglischen »Christ I« beruht aber auf den O-Antiphonen des Advents: Johannes Bourauel, Zur Quellen- und Verfasserfrage von Andreas, Crist und Fata, Bonner Beitr. zur Anglistik 11 (1901), S. 65–132.—Zur Kunst: H. Sedlmayr a.a.O. Kap. 33, Kap. 41 und Literatur S. 546.—G. Schreiber weist a.a.O. S. 401 f. auf eine besondere Verehrung des Johannes Evangelista seit etwa 1000 hin, gerade auch bei Chorherren, die für Ezzo wichtig sein könnte.—Zum symbolischen Denken der Zeit vgl. die oben S. 260 f. Anm. 8 angeführte Literatur, dazu G. Schreiber a.a.O. Register (Symbol).
Philibert Schmitz, Geschichte des Benediktinerordens, 1948, II, 391.—Kassius Hallinger OSB, Gorze-Kluny. Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen des Hochmittelalters, 2 Bde, 1950/51 (Studia Ansel-miana 22.25); vgl. die Rezension von Hans Erich Feine Zschr. der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 68 (Kanon. Abt. 37; 1951), S. 404–416.
Herbert Grundmann, Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935.
Carl Erdmann, Fabulae curiales, ZfdA 73 (1936), S. 87–98.—Wattenbach-Holtzmann, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Deutsche Kaiserzeit, I, 3 (21948), S. 478 ff.; zum Ezzolied S. 481.
s. die o. a. Vita Altmanni (Wattenbach-Holtzmann S. 559ff.).
Meine Nachforschungen nach der Pilgerkleidung im 11. Jahrhundert haben noch zu keinem Ergebnis geführt.
Die Annahme von Wilmanns, Ezzos Gesang von den Wundern Christi (Bonner Univ.-Progr. 1887), das Lied sei 1063 als »Festkantate« beim Einzug der Kanoniker zum regulierten Leben (monachari) gedichtet, widerlegt E. Frhr. v. Guttenberg a.a.O. S. 14 Anm. 29; Holtzmann (Wattenbach-Holtzmann S. 481 Anm. 129) rechnet mit einem »Tropus: alles entsagte weltlichen Gedanken«.
Am ausführlichsten zuletzt von Beyschlag, Die Wiener Genesis. Idee, Stoff, Form, 1941 (SB Wien 220, 3).
Zur Bibelepik als Gattung (»genre faux«): Curtius a.a.O. S. 155, 459. Das betrifft auch die Bearbeitungen der Wiener Genesis im frühen 12. Jh., nicht aber diese selbst: s. im folgenden.
So wohl Schwietering a.O. S. 66. Seine Charakteristik der »isolierend« symbolischen Verknüpfung der Erzählungsteile und ihre kunstgeschichtlichen Parallelen treffen trotzdem das Wesentliche des ‘symbolischen Realismus’ als Stil.
Dies das Ergebnis der Tübinger Dissertation meiner Schülerin Eva Müser, Der kompositorische Aufbau der Wiener Genesis, 1947.
Vgl. Hans Steinger in: Verf. Lex. 2 (1936), Sp. 14–18.
Dazu vgl. vorläufig meine Darstellung in: Annalen der Deutschen Literatur, 1952, S. 1o3ff.
Vgl. den Bericht von Alwin Kuhn über Menéndez Pidal, Herrigs Archiv 187 (Jg.102, 1950), S. 54ff.
Wattenbach-Holtzmann S. 612, 651, 654.
Vgl. Hans Joachim Mette, Doktor Faustus und Alexander, Zur Geschichte des Descensus- und Ascensus-Motivs, DVjs. 25 (1951), S. 29ff.
Biblisch: Hiob 23, 10; Spr. 17, 3; Sach. 13, 9; Mal. 3, 3; Sir. 2, 5.
Vgl. die Vita Heriberti des Rupert von Deutz, Umarbeitung nach Lambert von Deutz: Wattenbach-Holtzmann S. 663 Anm. 88 und S. 65 0f.; Friedrich Heer, Die Tragödie des heiligen Reiches, 1952, S. 23
Zu Annos literarischen (lateinischen) und Kunst-Interessen vgl. Wattenbach-Holtzmann S. 652, 648.
Wattenbach-Holtzmann S. 4560ff. Zur älteren Diskussion (Ad. Holtzmann u. a.) s. bei Roediger MGH. a.a.O. S. 111 ff.
Mit zweifelhaft moderner historischer Beleuchtung betont von Werner Schröder, Der Geist von Cluny und die Anfänge des frühmhd. Schrifttums, Beitr. 72 (1950), S. 321–86.
Wattenbach-Holtzmann S. 389.
Memento mori bei Hiob: 4, 20; 7, 6ff.; 9, 25ff.; 10, 20ff.; 13, 28; 14, 1ff.; 17, 13ff.; 20, 5ff.; 24, 19ff.; 34, 2off. — Unrecht an den Armen: 9, 24; 19, 7ff.; 20, 19; 22, 6ff.; 24, 1ff. — Recht für die Armen: 5, 15f.; 29, 12ff.; 30, 25; 31, 13ff. — Reichtum hingeben: 22, 24ff.; 27, 19ff.; 31, 24f. — Auf das tiefere Problem Hiobs — warum geschieht Unrecht den Gerechten? — geht der Dichter auch in Str. 8 nicht ein; er wendet sich zwar ebenfalls gegen den Hochmut der Gerechten, aber in einem weniger theologischen, vielmehr direkt auf die irdische Weltordnung bezogenen Sinn. Seine Formulierungen schließen sich nirgends enger an Hiob an. Im altägyptischen »Lied des Harfners« (Altägyptische Liebeslieder, eingeleitet und übertragen von Siegfried Schott, 1950, S. 54 und S. 131–157) heißt es aber: Geschlechter schwinden und vergehen… Keiner kommt von dort, daß er ihren Zustand künde, daß er künde, was sie brauchen, und unser Herz beruhige, bis wir gelangen ZU dem Ort, zu dem sie gegangen sind… Sieh, niemand nahm seine Sachen mit sich! Sieh, niemand kommt wieder, der fortgegangen ist! Vgl. besonders Str. 4 des Memento mori! Eine Warnung vor ‘Parallelen’, aber auch eine Aufforderung zu weiterem Verständnis: Das carpe diem des Harfnerliedes steht vor dem Hintergrund des tiefen Pessimismus aus den Wirren zwisehen Altem und Mittlerem Reich; die ‘Weltfeindschaft’ des deutschen Liedes steht vor dem Hintergrund der frühsalischen Reform und am Anfang der sogenannten weltlichen Kultur des Mittelalters!
Georg Reichert, Strukturprobleme der älteren Sequenz, DVjs. 23 (1949), S. 236ff.; Hugo Kuhn, Minnesangs Wende, 1952, S. 139.
Ich habe in meinem Aufsatz »Minne oder reht« den Zusammenhang von Str. 7–9, als zwei Str. unter Streichung von Zeile 61/62, begründet. So nur ist auch die Paarigkeit der Strophen regelmäßig. Diese Bedeutung von minne (in der Formel minne oder reht) bestätigt K. Hauck, Rituelle Speisegemeinschaft im 10. und 11. Jh., Studium Generale 3 (1950), S. 611ff. aufs stärkste: Caritas heißen die Mähler von Gilden oder zur Osterfeier u. a. — also minne als friedliche oder ‘geistige’ Einheit, sogar mit Umarmung und Kuß. Von hier aus muß das Wort auch im Minnesang neu beurteilt werden, vgl. Minnesangs Wende S. 154. — Wilhelm Schwer, Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters, hrsg. v. N. Monzel, 21952, gibt S. 77ff. für das Verhältnis der Herren und Knechte in der Sittenlehre die der minne sehr entsprechenden Termini amicitia (Rather v. Lüttich), socialis amicitia (Jakob von Cessolis), Friede (Konrad von Ammenhausen), colligatio socialis in convictu (Johannes Guallensis). Den Vergleich solcher Gemeinschaft mit dem Körper (vgl. Memento mori Str. 7) leitet er einerseits von der »paulinischen Christusmystik« und ihrer späteren Anwendung auf die Kirche ab; andrerseits aus »der antiken Sozialphilosophie des Platon und Aristoteles«, so zuerst (als »microcosmus«) im Policraticus des Johann v. Salesbury belegt, »angelehnt« an die »irrtümlich Plutarch zugeschriebene« In stitutio principis — Epistola ad Trajanum. In die letztere Tradition gehört auch unser Dichter! Wenn sich kein früherer Beleg findet, hat er sogar die Priorität; auf jeden Fall zeugt auch dieser Zusammenhang für seinen weiten Blick bei kühner selbständiger Formulierung, vielleicht auch für seine hohe Stellung.
Heinz Rupp, ‘Memento mori’, Beitr. 74 (1952), S. 321–354, vgl. S. 346ff.; jetzt auch: Heinz Rupp, Deutsche religiöse Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts, 1958.
Ulrich Pretzel a.a.O. S. 100ff.
Vgl. dazu meine »Rückschau« in: Annalen der deutschen Literatur, 1952, S. 175 ff.
Zur Epik s. o. S. 123. Zur Lyrik zuletzt: Leo Spitzer, The Mozarabic Lyric and Theodor Frings’ Theories, Comparative Literature 4 (1952), S. 1ff. Doch ist die musikalische ‘Gebrauchslyrik’ zu beachten, die vom nichtliturgischen lateinischen Lied her kommt.
Dieser Bereich wird nicht ganz erfaßt von Curtius a.a.O. S. 423ff.
Andeutungen in Minnesangs Wende, S. 153ff.
G. Schreiber a.a.O. S. 134 u. ö.
G. Schreiber passim, s. Register (Cluny).
s.W. Pinder a.a.O. Die Rückständigkeit Deutschlands im frühen 12. Jh. betont auch Max Hauttmann, Die Kunst des frühen Mittelalters, 1929 (Propyläen-Kunstgeschichte 6), S. 87.
Dazu Fr. Heer a. a. O. S. 151 ff.
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Kuhn, H. (1959). Gestalten und Lebenskräfte der frühmittelhochdeutschen Dichtung. In: Dichtung und Welt im Mittelalter. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99164-5_9
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