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Über nordische und deutsche Szenenregie in der Nibelungendichtung

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Zusammenfassung

Der szenische Aufbau der Heldendichtung ist seit Andreas Heusler ein fruchtbarer Besitz unserer Wissenschaft. Seither wurde die Erkenntnis der Formtypen1 und ihrer gattungsgeschichtlichen Hintergründe2 weiter gefördert. Weniger hat man bisher auf die inneren Bedingungen dieser Form und ihren Wandel geachtet. Das ist nur natürlich, denn die vielfach geschichteten Denkmäler machen genauere Beobachtungen solcher Dinge nicht leicht. Trotzdem sei hier der Versuch gewagt, mit einigen Bemerkungen aus der Geschichte der Nibelungendichtung Fragen und Möglichkeiten in dieser Richtung anzudeuten.

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Anmerkungen

  1. s. dazu F. Genzmer, Vorzeitsaga und Heldenlied, in: Kluckhohn-Schneider-Festschrift, 1948, S. 1ff.

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  2. s. zuletzt W. Mohr, Entstehungsgeschichte und Heimat der jüngeren Eddalieder südgermanischen Stoffes, ZfdA 75 (1938), S. 217–80; Wortschatz und Motive der jüngeren Eddalieder mit südgermanischem Stoff, ZfdA 76 (1939), S. 149–217.

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  3. Hans Naumann, Höfische Symbolik. I. Rüdigers Tod, DVjs. 10 (1932), S. 387ff.

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  4. Auf Fr. Panzers Thesen (Studien zum Nibelungenlied, 1945) kann hier nicht eingegangen werden. Doch scheinen die Stilkriterien der Szenenregie dagegen und für Heuslers Entwicklungsbild im großen ganzen zu sprechen. Vgl. Schneiders Bericht Euph. 45 (1950), S. 493 ff.

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  5. Brünhild war bei Kriemhilds Auftreten vol hin unz an den tisch gegân (611): Soll damit Brünhilds Weinen (618) im Sinne der Motivierung des man-Motivs bei dem Nibelungendichter vorbereitet werden? Diese Verbindung der Werbungsund Mordhandlung über den toten Punkt zwischen beiden hinweg trüge dann Spuren unserer Raumregie. Das gegensidele ist allerdings typisches Motiv im frühhöfischen und Heldenroman.

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  6. Wenn Heusler (Nibelungensage und Nibelungenlied, 41944, S. 276) von dem »eigentümlich stumpfen Raumsinn des Nibelungendichters« spricht und darunter auch die glänzend räumlich gestalteten Szenen einschließt, von denen oben die Rede war, so zeigt das deutlich genug die Notwendigkeit, hier zu scheiden.

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  7. Was an sich ganz ohne die Fiktion bei der Brünhildwerbung bestehen könnte — wie ja der Herkunftsvorwurf der Senna in allen Fassungen deutlich derselbe ist fast bis in die Formulierung hinein: man Nl., thraell Vs., etwas weiter ab die »Spur der Hinde« Ths. (hrsg. v. Bertelsen, II, 260, 2) und der vallari der Ths. (11,262, 17f.) — die Motivierung aber jeweils ganz verschieden in den Vorgeschichten vorweg gegeben: als Fiktion im Nl. und damit am oberflächlichsten, aus dem Waldleben Jung-Sigurds in der Ths., aus der Völsungen-Kompilation in der Vs. — was doch auf den sekundären Charakter all dieser Begründungen und damit auf ihr Fehlen in einer gemeinsamen Vorstufe weisen sollte.

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  8. Daß diese Formulierung (Brünhild mannes kebse: Brünhild als Subjekt) überhaupt erst durch die Zweitstellung des Frauen vergleichs aus der der Ths. (frumver, Siegfried als Subjekt: im Anschluß an den Männervergleich) gewonnen wurde, verbietet sich doch deshalb, weil im Nl. selbst die Pointe man (821) — mannes kebse (839) durch die Umstellung ja gerade zerstört wurde. Es bleibt hier also bei der Quellendoppelheit im Sinne Schneiders (Die deutschen Lieder von Siegfrieds Tod, 1947, S. 30 ff.), aber in der Verteilung: A Brünhild mannes kebse (Nl. 839) — B Siegfried frumver (Ths. und N1. A 800). Wenn wir freilich den Frauenvergleich des Nl. (Vortritt ins Münster) auf das Konto des ‘Regisseurs’ setzen, so wird uns hierfür die Quellendoppelung fraglich.

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  9. Ältere Strophen mit Hilfe der Heuslerschen Kriterien nachzuweisen, fällt in der Senna schwer — abgesehen von einem Teil der Eingangsstrophen (814–821), die im Ton (814) und weiter auch gerade durch ihre sehr verschiedenartigen Begründungen für Siegfrieds Rang beim Männervergleich herausfallen. 815: daz elliu disiu rîche ze sînen banden so/den stân (Herrschaftsmotiv. In der Ths. erst in der Hvöt und da wahrscheinlich eingeschoben). — 817: wie rehte hêrliche er vor den recken gât (Bühnenschau des ‘Regisseurs’). Oder im Zusammenhang mit dem Norden (Schneider, a.a.O., S. 31)? — 819: an vil manegen dingen so ist sîn êre grôz (was durch den im Prolog vorausgenommenen Satz der Ths.: Sigurdr svaeinn var ok firir thaeim of alla luti [259, 4], eine wörtliche Entsprechung findet) — man (821; Herkunftsmotiv: als Fiktion hier) und als Antwort Kriemhilds im Sinn der Nl.-Herkunftsgeschichte: er ist tiwerr danne sî Gunther… der vil edel man (824) — dann der Frauenvergleich.

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  10. Siehe Naumann, a.a.O. Diese Symbolik erscheint mit dem Gürtel voll ausgebildet gerade nur im Nl. — nicht ohne mit der Raumregie des Münsterauszugs in etwas bedenkliche Konkurrenz zu geraten: Warum sieht und erkennt Brünhild den Gürtel erst jetzt?

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  11. Brünhild beklagt sich bei Gunther über Siegfrieds Ausschwatzen des Geheimnisses. Darauf antwortet merkwürdigerweise Hagen mit dem Rat, so zu tun als ob nichts gewesen sei — doch wohl um damit die folgende Intrige einzuleiten. Dann aber spricht nochmals Brünhild, mit einer neuen Reizung zum Mord: Er, der Landstreicher, wird bald über Euch herrschen; darauf antwortet Gunther ! Zeile 263, 1 aber schließt an die Hagen-Antwott oben mit den Worten an: Brünhild tat, was der König (also doch Gunther) verlangte!? Hier ist — soviel scheint deutlich — zum Brautnachtbetrug hinzu das zweite Motiv gegen Siegfried erst nachträglich eingefügt, das Herrschaftsmotiv, das ja auch noch im Nl. neben der man-Fiktion und dem Brautnachtsbetrugsmotiv herläuft. Siegfrieds Herkunft, seine Herrschaft und sein Hort gehören an sich zusammen in diesen Umkreis, und vielleicht zeigt wieder die Vielzahl der Motivierungen ihren sekundären Charakter an? Das Nebeneinander aber von Brautnachtbetrug und Herrschaftsmotiv hat seinen Platz nur in der Senna: Brünhildens Pointe gegen Kriemhild muß dem Kreis des Herrschaftsmotivs angehören (dort wahrscheinlich in der besonderen Form des Herkunftsmotivs) — Kriemhild muß mit dem Brautnachtbetrugsmotiv antworten. In der Hvöt der Ths. steht, wie die schlechte Einfügung des Herrschaftsmotivs zeigt, wohl nur das Brautnachtbetrugsmotiv ursprünglich am Platze. Das Herrschaftsmotiv im Munde Brünhilds hat die Saga womöglich ihrer Kenntnis nordischer Quellen verdankt (aus der ja auch viele Namensformen stammen); es begegnet so am betontesten im »Brot«. Oder sie müßte es von anderer Stelle und von einer andern Person der Vorlage genommen haben: Im Nl. trägt Hagen die Andeutungen des Herrschafts- und Hortmotivs, die da noch stehengeblieben sind, so auch in der Fortsetzung des Mordrats (870). Das wird, bei der Verkümmerung des ganzen Motivs im Nl., kaum erst durch den Nibelungendichter auf Hagen übertragen sein, sondern einer Vorlage gehören. Hat sie also folgendermaßen verteilt: Senna mit Herkunftsvorwurf durch Brünhild und Brautnachtvorwurf durch Kriemhild — Hvöt mit Brautnachtbetrugsanklage durch Brünhild — Mordrat mit Herrschaftsvorwurf durch Hagen (oder Hortgier)? Worauf dann noch der Herrschaftstriumph Hagens nach dem Mord antwortete: Nl. 939? Auch Schneider gibt diese Strophe, obwohl sie in der Ths. keine Bestätigung findet, seinem B-Lied (Die Lieder von Siegfrieds Tod, 1947, S. 42 f.).

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  12. Nur Brünhild ist freudlos, was kaum in das Täuschungsprogramm paßt. Darin steckt wohl ein Rest einer anderen Darstellung.

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  13. Daß Kriemhild sich nach Siegfrieds Aufbruch ins Bett legt, um nichts mit Brünhild zu tun zu haben, dürfte allerdings nur rationalistische Vorbereitung des Sagamannes für die spätere Situation sein, wo man ihr Siegfrieds Leiche ins Bett wirft; s. dazu unten.

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  14. c) = 1012, d) = 1045/46, und auch a) sehen wir im Nl. 1100 noch angedeutet: Prünhilt diu schæne swaz geweinte Kriemhilt, mit übermüete saz. unmære was ir daz.

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  15. Nur b) (fehlt Nl.), das man als Gipfel brutaler Kraft preist, verträgt diese Bewertung doch nicht recht. Es ist in der Ths., genau besehen, doch eine fragwürdige Szene: Die Leiche wird hinaufgetragen, Kriemhilds Kammer erbrochen, man wirft ihr den Toten in die Arme — und nun erst erwacht sie und sieht, daß Jung-Sigurd bei ihr im Bett liegt und tot ist? Sie schaut zuerst nach seinen Wunden, um festzustellen, daß er ermordet sei — ohne sich zu wundern, wie der zur Jagd gerittene Mann wiederkam? Hagen aber hat trotz der unmißverständlichen Brutalität gleich darauf die Stirn, seine Schuld auf den Eber abzuwälzen? Auch Heusler sieht hier eine »handgreifliche Mischung von Waldtod und Bettod« (Nl.3 270). In der Tat wird kein Dichter Siegfried im Wald ermorden lassen, damit ihn dann Kriemhild tot im Bett findet. Heusler schreibt aber die Mischform schon seiner deutschen »Urstufe« zu. Doch sie ist so peinlich unwahrscheinlich (-auch Mohr lehnt ab: ZfdA. 75, S. 276 Anm. 1. Die »glänzende Motivierung«, die Schneider a. a. O. S. 47 erneut betont, scheint mir aus dem oben dargelegten Bericht der Ths. doch nicht zu rechtfertigen-), und die Naht (beim Erwachen Kriemhilds) so deutlich, daß man niemand sonst dafür verantwortlich machen sollte, als den Sagamann der Ths. Er erst hat den deutschen Waldtod und die nordische Bettodsituation, auf deren Doppelheit man nach Ausweis der Eddaprosa im Norden ja aufmerkte, vereinigt. Wie sah dann die Heimkehr in der Nl. und Ths. gemeinsamen Vorlage aus? Für diese Waldtodfassung spielte Kriemhilds Klage sicher nicht im Walde (wie in Gdkv. II, 12). Siegfried, der tot auf dem Schild heimkehrt — das symbolhafte Bild ließ sich ein Dichter, wie er sonst in der Heimkehr sich zeigt, nicht nehmen. Aber auch die zur Todesnachricht erst erweckte Kriemhild ist zu fest verbürgt. Zu ihrem Schluß aus Siegfrieds Wunden auf den Mord und zu Hagens Entschuldigung paßt doch nur eine Form, in der man ihr Siegfrieds Leiche brachte und sie zu diesem Zweck weckte — also ähnlich dem, was der räumlichen Umgestaltung des ‘Regisseurs’ im Nl. zugrunde gelegen haben muß.

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  16. Siehe Heusler, Schneider, Polak zur Stelle.

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  17. Den doch in dieser Form schon der Hagenkonflikt des Waltharius bezeugt. Naumann möchte alles, was er (a.a.O. S. 399f.) an »Symbolismus« im Nl. zusammenstellt, der Zeit um 1200 und dem Nl.-Dichter geben — mir scheint aber umgekehrt Gebärden- und Gegenstands-Symbolik gerade für die »ältere Not« bezeichnend, während Naumanns »höfische Symbolik« in Wirklichkeit nicht mehr eigentlich ‘symbolische’, sondern realer deutliche Darstellungskunst bedeutet.

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  18. s. dazu Schneider, Germanische Heldensage, 1928, I, 106ff.

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  19. Kriemhild als Lohn für die Werbungshilfe um Brünhild: Das müßte fast schon der Vorlage gehört haben. Die Regie der jüngsten Stufe beschränkt sich hier auf die Kleideranfertigungsszenen.

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  20. Die Tarnkappe spielt nur hier und in der Brautnachtepisode eine Rolle; sie wird außerdem eingeführt durch die Jugendtatenerzählung, die auch nur im weiteren Umkreis der Brünhildwerbung, im Nibelungenabenteuer der 8. Aventiure nochmals aufgegriffen ist.

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  21. Die Szenenbildung ausschließlich durch die Gebärde betont hier Hans Jantzen, Ottonische Kunst, 1947, S. 80 f. besonders.

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  22. Der Schritt vom Lied zum Epos relativierte sich damit, gegenüber der scharfen Absetzung durch Heusler, im Zuge einer längeren Entwicklung.

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  23. Hier sei nur vorläufig auf Formeln wie oster over se (65), der waldindiger got (1010) und auf die Stellung einer Gebärdenszene wie der Schuhprobe im Höhepunkt der Handlung verwiesen.

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  24. s. dazu Th. Frings, Die Entstehung der deutschen Spielmannsepen, Zs. f. dt. Geisteswiss. 2 (1939/40), S. 306f. und Th. Frings und Max Braun, Brautwerbung, 1947 (Ak. Abh. Leipzig 96, 2).

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  25. W. Mohr, DuV 42 (1942), H. 4, S. 106.

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  26. Wie auch Mohr, a.a.O. S. 105, bestätigt.

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  27. Es klingt auch in Gudruns Mund 6, 7–8 an, aber wie wir sehen werden, unter anderen Voraussetzungen.

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  28. Auch Mohr (a. a. O. S. 107) verneint die Zugehörigkeit der »losen Strophen« der Vs. und bezweifelt Waberlohe und Flammentritt.

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  29. s. zuletzt de Vries, Altnordische Literaturgeschichte, 1942, II, 139.

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  30. s. zur genau so stilisierten Hvöt der Ths. oben S. 202 ff.

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  31. Mohr, a.a.O. S. 106, Wieselgren, a.a.O. S. 364ff.; de Vries, a.a.O. S. 139.

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  32. Vgl. allgemein die klärenden Ausführungen von Georg Weise, Das ‘gotische’ oder ‘barocke’ Stilprinzip der deutschen und der nordischen Kunst, DVjs. 10 (1932), S. 2o6ff.

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  33. Aber was für Neckel (S. 146) nur die »zweite Hälfte« des Liedes, hinter der »Stilgrenze« 27 kennzeichnet: die »mehr undramatischen Schilderungen« ein »Vorwärtsschieben, kein Springen«, ohne Lücken, mit »genrehaften« Zügen, das trifft doch nicht minder seinen ersten Teil. Auch er enthält nicht einfach »zwei äußerst dialogreiche Szenen«, sondern zeigt fast noch stärker die gleiche Form. Vor allem die kleinen Zwischenszenen: Botenankunft 1; Botschaftsszene 2; die Beratung 6–11 ist wieder als neue Szene zu denken, bei der der Bote nicht anwesend ist (bei der Warnung Gudruns), ähnlich wie in Nl. und Ths. und auch innerhalb ihrer gibt das ‘Stimmungsbild’ 9 und der Aufruf an den Schenken 10 »genrehafte« Einzelschritte an, so daß gerade die Beratung fast am weitesten zur kontinuierlichen Erzählung gestaltet scheint; Abschied 12 und Fahrt 13 (und Ankunft 14?) schließen sich ebenso an. In diesem Betracht wirkt die Akv., und besonders ihre erste Hälfte, vorgeschrittener als selbst die deutsche »Ältere Not« !

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  34. Über die Angebote Knefröds (3–5) und Gunnars Gegenrede (6–7) hat Neckel Wesentliches gesagt (wenngleich seine zeilenweise Aufteilung in Schichten hier so wenig wie sonst im Lied überzeugen kann). Es mischen sich darin verschiedenartige Elemente, von den Anklängen der Hunnenschlachtlied-thula bis zu mittelalterlich ‘Diplomatischem’ (Landangebot 5, Waffenhäuser 7). Dazu kommt die Unlogik, daß Atli die Burgunden durch Geschenke lockt, obwohl er doch gerade deren besonders reichen Schatz begehrt — dafür fehlt die in Deutschland bezeugte Einladungstäuschung durch das Verwandtschaftsmotiv. Die Vorliebe für Aufzählung von Schätzen mag zur Typik der Gesamtstilisierung gehören. Gunnars Hinweis auf seine Schätze (6–7) ließe sich unmittelbarer als Antwort an Knefröd, noch vor der Beratung, verstehen, wenn nicht die Frage an Högni im ersten Helming von 6 — mit der (anschaulichen, aber formelhaften) Gebärde der Hauptwendung — die erst in 8 weitergeführte Beratung vorwegnähme. So muß man doch daran denken, daß die Schatzaufzählung Gunnars 6–7 und damit auch die Angebote Knefröds 3–5 in dieser Form erst durch die Überarbeitung hereinkamen, als typische Stilmittel, vielleicht an die Stelle älterer Verwandtschaftsstrophen? Diese Einfügung hätte dann als Redeeinleitung für Gunnars Antwort den alten Anfang der Beratung (6, 1–4) mitbenutzt?

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  35. Denn in Deutschland folgt die Warnung nur aus der Situation (Hagen kennt die Gesinnung Kriemhilds) — in Akv. aus einem eigenen Akt von der Gegenseite, dem Hunnenhof her (Sendung des Rings durch die Schwester). Darin liegt eine stärker symbolische Sinnlichkeit der Warnung; dafür aber geringere Eigenräumlichkeit der Beratungsszene. Gehört erst dem Bearbeiter, was man hier ‘springenden Stil’ nennen kann: das Verschweigen der direkten Reaktionen (Schweigen der Ratgeber, Aufruf an den Schenken)? Wenn man genau den gleichen Darstellungsstil noch etwa bei Hamsun wirksam sieht, so könnte man von einer nordischen Stilkontinuität zu sprechen versucht sein.

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  36. ‘Selbstverfluchung’ trotz Bugges und Neckels Einwänden z. St.? Gunnar erscheint dann als ‘Durchgänger’ — das ist aber wieder ein bezeichnend nordischer Typ.

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  37. Schon in den Str. 18–20 möchte man notwendige szenische Glieder der Handlung finden (Gefangennahme Gunnars, Högnis, Hortfrage), und sogar Neckel sieht in einem Teil von ihnen ältestes Gut. Aber sie fallen nicht nur metrisch auf (was wenig durchsichtig ist), sondern noch mehr stilistisch. Sie erzählen nur wie in eiligster Zusammenraffung; subjektlos: »Man fing…«, »man fragte…« (so außerdem nur noch bei der Herzenepisode 22 und 24); mit moralisierender Bewertung (19, 5ff.); die Hortfrage vor allem (deren ‘urtümliche’ Bildlichkeit im Nl. freilich keine altersmäßige Gewähr hat, sogar wesentlich an das Gegenspiel Kriemhilds gebunden ist) wird hier (Akv. 20) mit empörender Gleichgültigkeit abgehandelt. So entsteht doch der Eindruck eiliger Lückenfüllung durch 18–20. Auch die Herzenepisode 21–25 bleibt bedenklich: Die heroische Gebärde Högnis, durch Hjalli kontrastiert, steht auf schwachen Füßen! Daß der eine Hortbesitzer allein übrig bleiben will, ist ältester Bestandteil der folgenden Trutzantwort (26). Sich über den Tod des anderen zu vergewissern, ist aber das herausgeschnittene Herz hervorragend ungeeignet, der Kopf wie im Nl. tut es besser! Und weiter: auch wenn Högni eine Aristie haben sollte, wie man sagt, ist die Forderung dieser Grausamkeit durch Gunnar doch unsinnig. So mag die Episode, an der auch sonst Zweifel bestehen (Mohr, a.a.O. 101), eher das Märchenmotiv vom unterschobenen Tierherzen in nordischer Heroisierung enthalten. Auch das kann zum Konto der deckenden Stilschicht gehören. Eine bis in die Formulierung hinein noch durch Nl. 2173 bestätigte Szene wird erst in Gunnars Hortantwort 26 greifbar. (Neckels Einwände gegen das Rheingold von Str. 27 sind nicht unberechtigt, sie hat in der Tat viel weniger Gewähr als 26.)

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  38. Schon in 28, 1–2 ist merkwürdig, daß Gunnar erst hier »in Banden« sein soll: Die Horterfragung setzt doch einen kampfunfähigen Gunnar notwendig voraus. Die Langzeile wird als Rede Atlis aufgefaßt — aber es wäre seine einzige im ganzen Lied? Die Zusammenhänge in 29–30 sind erst recht unklar: vielleicht liegt der vielgesuchte Ausweg darin, daß Gudruns ‘Fluch’ in 30 gar nicht eigentlich Fluch ist (den man sich dann in der Tat in Abwesenheit Atlis gesprochen denken müßte, wobei doch alles ziemlich pointelos würde: Gudruns Eintritt in die Halle wie der Fluch selbst), sondern vielleicht ein letzter Versuch Gudruns, den Bruder dadurch zu retten, daß sie Atli an seine Eide erinnert (allerdings: welche Eide? Vielleicht im Zusammenhang mit dem oben fehlenden Verwandtschaftsmotiv?). Das läge dann wieder unter dem, hier stark skaldischen, Stil der dekkenden Schicht begraben.

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  39. Gudruns Wortspiel in 33 ist mehr technisch als im Sinne der Handlung pointiert. Auch die anschaulichen Details von 34 (gumar gransíðir) schließen sich nicht szenisch, sondern stimmungsmäßig zusammen. Die gleiche Schicht deckt auch 35–37, Gudruns Enthüllung des ‘Atreusmahls’. Ein Atreusmahl: muß gerade das darin stecken — kann es nicht auch das »Herzmäre« sein, d. h. der verbreitete mittelalterliche Novellenstoff vom gegessenen Herzen, der hier wieder in nordischer Heroisierung erschiene? Die Opferung des eigenen Sohnes hält allerdings auch noch die deutsche »Not« in neuem Motivzusammenhang ebenso fest wie die brenna.

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  40. 38 ist zwar ‘sentimentales’ Stimmungsbild im Sinne des Bearbeiters. Aber Gudruns Tränenlosigkeit selbst wird durch Zweifel an der Fassung (ob ursprünglich über Bruder und Söhne oder nur über diese: so Neckel und Gering z. St.) als älteste Schicht gesichert. Die Schätze verteilung 39 liegt allerdings stofflich der deckenden Schicht vielleicht näher. Besonders gut aber sitzen in 40–42 die Akzente des Stils, ganz anders als bisher. Die Details entstammen nicht mehr einer ziemlich abstrakten, typischen Variationstechnik, sondern steigern zielstrebig den Sinn der Szene. So etwa das Lösen der Hunde und Wecken der Knechte 41, besonders aber in 42: forn timbr fello, fiarghús ruko… hnigo í eld heitan — nur Einzelheiten weisen hier auf Überarbeitung: die Schildmädchen? (42, 8 könnte noch spätere Interpolation sein). Sogar die sprachliche Technik scheint hier weit mehr ins Schwarze zu treffen als vorher (z. B. Hon beð broddi gaf blóð at drekka 41,1 f.). Ist es vielleicht etwas Typisches, daß ältere nordische Erzählungsgedichte und die deutsche Überlieferung gerade die alten Schlußszenen bewahren: Heimkehr vom Siegfriedmord und Triumph Brünhilds in Nl.-Ths. (die im »Brot« gerade noch sichtbar werden) — Horterfragung (dazu auch Sohnestötung und brenna) in Nl.-Ths. wie hier in Akv.? Während die jüngeren nordischen Lieder gerade am Schluß zusammenfassende psychologische Situationen mit Rück- und Ausblick anfügen: schon »Brot«, dem dann die Situationslieder folgen, und ebenso Am. mit den langen Gesprächen zwischen dem todwunden Atli und Gudrun.

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  41. Vielleicht rührt gerade daher die Lücke zwischen Gudrunwarnung und Gunnars Trotzantwort, die die Str. 18–20 schlecht genug und auch nur mit dem unpersönlichen »man« als Subjekt ausfüllen.

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  42. 29–3 2: Atli reitet hier nur hinaus und zurück; 28 aber ist als Atlirede fragwürdig: s. oben S. 282 Anm. 28.

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  43. Gerade weil der tragische Konflkt ziemlich unorganisch in der überhaupt reichlich zusammengesetzten Waltherhandlung steht, sollte er mit Hagen und Gunther aus dem Nibelungenkreis, und zwar auch eher aus der Siegfriedfabel, übernommen sein. Sie hätte dann die Konstellation gezeigt: Ein goldgieriger Gunther muß den im Mordrat warnenden Hagen zum Treukonflikt und Treubruch an Siegfried zwingen? So erhielten dann die Eide und die schwierige Gewinnung des Mörders im »Brot« doch eine Stütze? Doch führt das weit in Kombinationen. Jedenfalls stammt sachlich auch der Rüdigerkonflikt daher.

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  44. s. dazu Hans Kuhn, Die Ethik des alten Atliliedes, ZfDkde. 55 (1941), S. 402 bis 408.

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Kuhn, H. (1959). Über nordische und deutsche Szenenregie in der Nibelungendichtung. In: Dichtung und Welt im Mittelalter. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99164-5_13

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