Zusammenfassung
So war aus dem Übergangszustand ein Dauerzustand hervorgegangen, Ruhe trat allmählich ein, und Vischer konnte sich nun mit ganzer Kraft seiner Arbeit widmen, seinem Lehramt; denn dies war und blieb ihm das Höchste. Das Opfer der Universitäts-Professur fiel ihm darum nicht übermäßig schwer, weil er nicht so sehr Schüler für die Wissenschaft bilden, sondern überhaupt bildend und erziehend auf breiteste Kreise einwirken wollte. So hat er immer etwas von einem Prediger behalten. Beim Publikum fand Vischer außerordentlich lebhaftes Echo; es gehörte bald zum guten Ton der Gesellschaft, seine Vorlesungen zu besuchen. Das Polytechnikum, vorher fast ausschließlich technische Fachschule, wurde vor allem durch Vischer zum Bildungszentrum der Hauptstadt. Fast 20 Jahre lang durfte er dort noch wirken. Sein Einfluß war außerordentlich groß1; seine jugendlichen Hörer schwärmten von ihm. »Und wenn Vischer über Bürstenbinderei lesen würde, so würde ich das Kolleg belegen« schrieb bezeichnend einer von ihnen. Die von Vischer geprägten Worte gingen als geistige Münze durchs Land; unzweifelhaft auf ein solches bezog sich der Vater von Theodor Heuß, auch ein Vischer-Schüler, wenn er seinen staunenden Kindern vor einem blumendurchwirkten und einem blumenlosen Kornfeld den Unterschied von katholischer und protestantischer Geistesart demonstrierte. Als Vischer in Stuttgart zum ersten Male seinen Vorlesungszyklus über neuere deutsche Literaturgeschichte abgeschlossen hatte, da schlug der Beifall hohe Wogen, und der Minister Hardegg brachte ein feuriges Hoch auf Vischer aus, in das die ganze Versammlung begeistert dreimal einstimmte2. Vischer gab sich freilich unmäßige Mühe. Von Jahr zu Jahr erfahren wir von neuen Studien, von Verbesserungen, ja vom Umschreiben ganzer Hefte; 1871 legte er das 10. Heft für Ästhetik an. Die Manuskripte bieten einen chaotischen Anblick; Tausende von Notizen, in mehr oder weniger ausführliche Dispositionen eingeschoben, Zusätze und Anmerkungen füllen die Seiten und die breiten Ränder.
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Schlawe, F. (1959). Stuttgart. In: Friedrich Theodor Vischer. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99133-1_11
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99133-1_11
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-99134-8
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