Zusammenfassung
Wenn der Chefarzt im Großstadtkrankenhaus die Schwester fragt: »Wie geht es dem Blinddarm?« oder »Auf welchem Zimmer liegt der Ulcus?«, dann besteht für den Kranken kein Anlaß zur Beunruhigung. Er kann sicher sein, mit vollkommener Sorgfalt behandelt zu werden. Unter Umständen geht sogar eine gewisse Beruhigung von der Vorstellung aus, daß der operierende Arzt gar nicht weiß, an wem er seine verantwortungsvolle Hantierung vornimmt. Aber es gibt freilich Augenblicke, wo uns die Erkenntnis mit Entsetzen erfüllt, daß hier der Kranke nicht mehr eigentlich als Person zählt, nicht mehr mit den spezifisch menschlichen Qualitäten, die ihn bisher aus der Ebene der sonstigen Lebewesen herauszuheben schienen, sondern daß er zum »Fall« versachlicht ist. Was uns beunruhigt ist nicht eigentlich der »Massenbetrieb«, der verständlicherweise zu eiserner Ökonomie der Gemütskräfte nötigt; niemand erwartet bei Hunderten von Kranken, die am Tage bewältigt werden müssen, daß sich Arzt und Schwester in persönlicher Teilnahme an den einzelnen Kranken verausgaben.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Copyright information
© 1955 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Oetinger, F. (1955). Der Vormarsch der Versachlichung. In: Sachlichkeit und Menschlichkeit. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-99107-2_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-99107-2_2
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-99108-9
Online ISBN: 978-3-476-99107-2
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)