Bildergeschichten Amerikas

Zusammenfassung

Hugh Honours Bildergeschichten Amerikas, entstanden aus Anlaß der Zweihundertjahresfeier der Vereinigten Staaten, gehören sicherlich zu den interessantesten Dokumentationen, die uns das Jubiläum beschert hat. Nicht die Entwicklung Amerikas wird aber dokumentiert, sondern die Vorstellung der Europäer von der Neuen Welt. Daß diese Vorstellung vom 16. bis zum 20. Jahrhundert eine Art Kontinuum des Irrtums ist, also häufig weniger über Amerika als über den Geist Europas aussagt, wird für den Kenner der Materie keine Überraschung sein. Europäische Tradition ist es denn auch, sowohl die der Kunst wie die der Geschmacklosigkeit, auf die der aufmerksame Beschauer der Abbildungen immer wieder stößt. Nach Meinung Honours (European Vision, S. 1) — und es fällt schwer, ihm zu widersprechen — waren europäische Künstler seit jeher offenbar unfähig, die amerikanische Realität festzuhalten. Diese Unfähigkeit zeigt sich bereits in den frühesten Abbildungen aus Amerigo Vespuccis Mundus Novus und setzt sich fort bis zu den merkwürdigen Vorstellungen des amerikanischen Westens, die dem Zuschauer im deutschen oder italienischen Western vermittelt werden. Ja, Honour hat sicherlich nicht ganz Unrecht, wenn er das irdische Paradies und die noble savages aus den Bildern des 16. Jahrhunderts in den Filmen des 20. Jahrhunderts wiederzuerkennen meint (New Golden Land, S. 265). Die Menschen in den Abbildungen aus dem 16. Jahrhundert erinnern fatal an Europäer der Renaissance, und man fragt sich, ob nicht auch die dargestellte Zerstückelung menschlicher Glieder sowie andere Brutalitäten primär Ausdruck weißer europäischer Mentalität sind.