Zusammenfassung
Die Entdeckung der streng bezogenen doppelläufigen Komposition des »Erec« verhalf zu einer klareren Einsicht in seine Sinnstruktur:1 Ein Held bestimmt sich aus anfangs „neutraler Situation”2 durch seine Leistung in das gesellschaftliche Dasein. Nach einer Krise, die die innere Unbeständigkeit dieses ersten Erfolges bloßlegt, wird durch bewußt geleistete Bewährung ein idealer Zustand der Selbstbestimmung und des Glücks, nun auf innerer, subjektiver Notwendigkeit beruhend, erreicht. Die Struktur des in zwei Phasen ansteigenden Wegs zu einem idealen Ziel ist durch Chrétiens Vorbild das wichtigste Baumuster für die höfischen Romane, »Iwein« und »Parzival« zeigen die gleiche Weg-Ziel-Struktur.3 Sie zielt thematisch immer auf eine Selbstreflexion des höfischen Helden, auf eine Ortsbestimmung in seiner Welt. Alle drei Epen enden mit einer Daseinserhöhung, „in einer neuen, gewissen und dauernden Möglichkeit von Selbst- und Liebeseinheit”4, die als beispielhaftes Ideal der Gesellschaft ein Leitbild geben will. Im Experiment einer Lebensreise wird der Held auf eine Stufe geführt, die statisch das voll erfüllte Ritterleben repräsentiert und — ist einmal die höchste Bewährung erreicht — keiner personal-geschichtlichen Veränderung oder Fraglichkeit unterliegt.
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Notizen
Hugo Kuhn, Erec. In: Dichtung und Welt im Mittelalter (Stuttgart 1959), S. 153–150, bes. 147–150; Reto Bezzola, Le sens de l’aventure et de l’amour (Paris 1947). Vgl. neuerdings Kurt Ruh, Höfische Epik des deutschen Mittelalters, Bd. 1 : Von den Anfängen bis zu Hartmann von Aue (Berlin 1967. Grundlagen der Germanistik 7).
Dazu Hugo Kuhn, Hartmann von Aue als Dichter. In: DU 5 Heft 2 (1953), S. 11–27;
Christoph Cormeau, Hartmanns von Aue Armer Heinrich und Gregorius. Studien zur Interpretation mit dem Blick auf die Theologie zur Zeit Hartmanns (München 1966. MTU 15); Wolf gang Dittmann, Hartmanns Gregorius. Untersuchungen zur Überlieferung, zum Aufbau und Gehalt (Berlin 1966. Philol. Studien u. Quellen 32). — Walter Ohly, Die heilsgeschichtliche Struktur der Epen Hartmanns von Aue (Diss. Berlin 1958), wertet die Krise in allen Epen Hartmanns jeweils als schwere Schuld. Das bedingt eine andere Deutung der Struktur als die hier vorausgesetzte Interpretation.
Hugo Kuhn, Minnesangs Wende (Tübingen 21967), S. 149f.; de Boor, Höfische Literatur, S. 178 ff. — Xenja von Ertzdorff (Rudolf von Ems. Untersuchungen zum höfischen Roman im 13. Jahrhundert [München 1967]) vertritt widersprüchliche Thesen (S. 334 ff.), einerseits betont sie den Anschluß „an die großen Romane Hartmanns vor allem den Armen Heinrich und den Gregorius, die den Läuterungsweg des Helden zur menschlichen Reife und Vollkommenheit darstellen” (S. 336), andrerseits behauptet sie, wohl vom Rahmen ausgehend, daß die Thematik nicht zum höfischen Roman gehört (S. 334, als Resümee der Analyse S. 168–192).
Friedrich Sengle, Die Patrizierdichtung Der gute Gerhard. In: DVjs. 24 (1950), S. 53–82;
Helmut Brackert, Rudolf von Ems. Dichtung und Geschichte (Heidelberg 1968), vor allem S. 40 ff. Für das Folgende vgl. auch Kuhn, Minnesangs Wende, S. 149 f.
ate nach der Ausgabe: Der guote Gerhart von Rudolf von Ems, hrsg. John A. Asher (Tübingen 1962. ATB 56).
Auf die Vermischung zweier Motivbereiche hat zuerst Hendricus Sparnaay, Verschmelzung legendarischer und weltlicher Motive in der Poesie des Mittelalters (Groningen 1922), aufmerksam gemacht.
Vgl. die Zusammenfassung bei Joachim Bumke, Wolfram von Eschenbach (2. Aufl. Stuttgart 1966. Slg. Metzler 36), S. 67 ff.
Reinhold Köhler, Zum guten Gerhard. In: Kleinere Schriften, hrsg. Johannes Bolte, Bd. 1 (Weimar 1898), S. 32–39;
M. Gaster, Zur Quellenkunde deutscher Sagen und Märchen. In: Germania 25 (1880), S. 274–285; jetzt von Ertzdorff, Rudolf von Ems, S. 160 ff.
Auf die intendierte Wegstruktur weist hin, daß aus dem Märchentyp der dankbaren Toten (vgl. Karl Simrock, Der gute Gerhard und die dankbaren Toten [Bonn 1856]; Reinhold Köhler, Die dankbaren Toten und der gute Gerhard. In: Kleinere Schriften Bd. 1, S. 5–20; ders., Zu dem Märchen von den dankbaren Toten, ebd., S. 21–31) die reale irdische Belohnung für die Guttat (z. B. die Hand einer Prinzessin), die im ursprünglichen Vollkommenheitsvergleich keinen Platz hat, in die Gerhartgeschichte montiert ist, offenbar doch nur um Gelegenheit für einen letzten größten Verzicht zu schaffen.
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Cormeau, C. (1969). Rudolf von Ems: »Der guote Gerhart« Die Veränderung eines Bauelements in einer gewandelten literarischen Situation. In: Glier, I., Hahn, G., Haug, W., Wachinger, B. (eds) Werk - Typ - Situation. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-98869-0_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-98869-0_5
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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