Zusammenfassung
DIE LITERATURGESCHICHTE IST ALLMÄHLICH DAVON ABGEKOMMEN, Grill parzer als Klassiker-Epigonen einzuschätzen, aber noch sieht man zu wenig seine Klassiker-Kritik, die, gerade weil sie aus ehrfürchtiger Dankbarkeit stammt, die Richtung seines eigenständigen Kunstwollens vielleicht am schärfsten ausdrückt. Über die Beziehung der deutschen Klassik zum Drama ist selten etwas Besseres gesagt worden als in seinen einfachen Worten über den Dramatiker Goethe: „Das Wunder, immer über dem Stoffe zu stehen, vermindert sich doch etwas, wenn er sich weigert, in demselben unterzutauchen. Shakespeare tut es und beherrscht ihn doch“.1) Selbst in der Klassik, die er himmelhoch über die zeitgenossischen Dichter stellt, wittert er etwas von moderner Künstlichkeit, von Nachahmung vergangener Muster, von Unanschaulichkeit, von Reflexion, wodurch alle „Natur“ verdorben wird. Er erkennt, dass Goethes vielbesprochene „Objektivität“ sich bei der Darstellung auf der Bühne nicht bewährt.2) Er studiert an erster Stelle die Griechen, Shakespeare, Calderon, Lope de Vega, nicht um sie nachzuahmen, sondern um das Wesen höchster dramatischer Objektivität zu ergründen. Und der so heftige Gegner der Goethekritiker vom Schlage eines Menzel steht nicht an zu sagen, er sei „kein Freund der neuern Bildungsdichter, selbst Schiller und Goethe mitgerechnet“3). Ganz selbstverständlich, dass bei einem Mann mit solchen Masstäben das Drama eines Fouqué oder Tieck einfach deshalb scharfer Ablehnung verfällt, weil es ihm erschreckend talentlos und formlos erscheint — noch ganz zu schweigen von der speziellen Frage des historischen Dramas, über die „Ludwig Tieck und seine Nachbeter …. ihre Albernheiten ausgekramt haben“4).
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Literatur
M. Enzinger: Franz Grillparzer und das Wiener Volkstheater, Grillparzerstudien hg. v. O. Katann, Wien 1924, S. 9–38.
Franz Grillparzer, Sein Leben und seine Werke, deutsche Ausgabe v. M. Necker, München 1910, 2. Aufl. S.350.
Vgl. J. Petersen, Die Sehnsucht nach dem dritten Reich in deutscher Sage und Dichtung, Dichtung und Volkstum Band 35 (1934), S. 18ff.; S. 145 ff.
J. Müller, Grillparzers Menschenauffassung, Literatur und Leben Bd. 4, 1934, S.7.
Zitiert bei O. Redlich, Grillparzer und die Wissenschaft, Wien und Leipzig 1925, S. 26.
Vgl. A.E. Schaefer, Grillparzers Verhältnis zur preussisch-deutschen Politik, Genn. Stud. H. 69, Bln. 1929.
Karl Kaderschafka, Ein Bruderzwist in Habsburg auf der Bühne. In: Grillparzer-Studien, hrg.v. O. Katann, Wien 1923, S. 240.
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Sengle, F. (1952). Grillparzer. In: Das Deutsche Geschichtsdrama. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-98830-0_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-98830-0_8
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