Zusammenfassung
Über den Begriff des Alltags und den Sinn der „Alltagsgeschichte“ ist in den letzten Jahren viel geschrieben und gestritten worden [1]. Ist es berechtigt — so wird man fragen — neben dem historischen Alltag auch von einem „Kriegsalltag“ [2] zu sprechen? Schließen sich Krieg und Alltag nicht aus? Sind Kriege und Revolutionen nicht eigentlich Oppositionserscheinungen zum Alltag, also das Nicht-Alltägliche in der Geschichte? [3] Bei dieser begrifflichen Oppositionsbildung Alltag — Krieg, die auf den ersten Blick plausibel erscheint, ist jedoch eine gewichtige Tatsache übersehen worden, nämlich die lange Dauer der beiden Weltkriege unseres Jahrhunderts. Die Menschen haben sich sozusagen im Krieg „eingerichtet“; sie konnten nicht vier bis fünf Jahre aus ihrem Alltag aussteigen oder — akademisch ausgedrückt: das menschliche Subjekt existiert auch im Krieg in einer immerwährenden Veräußerlichung und einer ständigen Reproduktion seiner selbst [4]. Der Sonderfall „Kriegsalltag“ muß nicht von der Geschichtswissenschaft erfunden werden, nach Auskunft der Quellen gab es ihn; die Quellen selber nötigen den Historiker geradezu, den Begriff zu verwenden. Wie war aber dann dieser Kriegsalltag, was war in der Lebenswelt der Menschen alle Tage gleich, was war das Sich-Immer-Wiederholende und was war das Nicht-Alltägliche im Krieg?
(…) in unserem deutschen Vaterland ist die Not da, die häßliche, kalte Not nach Hunger, Kohlen, Krankheit und Seuchen im Gefolge und dann der Jammer und all das Weh, das entsetzliche Elend! (Schwester Lilli, Reserve-Lazarett Hildburghausen/Thüringen an Gefr. H. Maier in Freiburg am 19.3.1917, Sammlung Ambold)
(…) ich kenne vom Leben nichts anderes als die Verzweiflung, den Tod, die Angst und die Verkettung sinnlosester Oberflächlichkeit mit einem Abgrund des Leidens.
(KM. Remarque, Im Westen nichts Neues, 1987, S. 184)
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Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen
Nollenberger, Fritz: Herbert Harsch, Kriegserfahrung in persönlichen Dokumenten — Briefe vom Arbeitsdienst 1938 und Feldpostbriefe 1936–1944. Hausarbeit zur Zweiten Prüfung für das Lehramt an Realschulen an der Päd. Hochschule Ludwigsburg, Frühjahr 1986.
Gedruckte Quellen und Literatur (Auswahlbibliografie)
Alltag im 2. Weltkrieg (Courage Sonderheft 3), Berlin 1980
Boog, Horst u.a., Der Angriff auf die Sowjetunion (Das Deutsche Reich und der 2. Weltkrieg, hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt Bd. 4), Stuttgart 1983
Borscheid, Peter, Plädoyer für eine Geschichte des Alltäglichen, in: Borscheid, Peter, Alltagsgeschichte — Modetorheit oder neues Tor zur Vergangenheit?, in: W. Schieder/V. Sellin (Hrsg.), Sozialgeschichte in Deutschland Bd. 3, Göttingen 1987, S. 78–99
Breloer, Heinrich (Hrsg.), Mein Tagebuch. Geschichte vom Überleben 1939–1947, Köln 1984
Briefe aus dem Felde 1914/15. Für das deutsche Volk im Auftrag der Zentralstelle zur Sammlung von Feldpostbriefen im Märkischen Museum zu Berlin hrsg., Heft 1–19, Oldenburg 1915
Buchbender, Ortwin/Sterz, Reinhold (Hrsg.), Das andere Gesicht des Krieges. Deutsche Feldpostbriefe 1939–1945, München 1982
Elias, Norbert, Was ist Soziologie? 4. Aufl. München 1981
Elias, Norbert, Zum Begriff des Alltags, in: K. Hammerich/M. Klein (Hrsg.), Materialien zur Soziologie des Alltags (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 20/1978, S. 22–29
Erdmann, Karl Dietrich, Die Zeit der Weltkriege (B. Gebhardt, Handbuch der Deutschen Geschichte Bd. 4), Stuttgart 1960
Hagener, Edith, „Es lief sich so sicher an Deinem Arm“. Briefe einer Soldatenfrau 1914, Weinheim und Basel 1986
Hagener, Edith, Die unsichtbaren Verletzungen des Krieges. Wie ich dazu kam, Feldpostbriefe zu sammeln, in: H. Heer/V. Ullrich (Hrsg.), Geschichte entdecken. Erfahrungen und Projekte der neuen Geschichtsbewegung, rororo-sachbuch, Reinbek 1985, S. 287–295
Heller, Agnes, Das Alltagsleben. Versuch einer Erklärung der individuellen Reproduktion, hrsg. und eingeleitet von Hans Joas, Frankfurt/M. 1978
Hirschfeld, Magnus/Gaspar, Andreas (Hrsg.), Sittengeschichte des Ersten Weltkrieges (1929), Nachdruck der 2. neubearbeiteten Aufl. Hanau o.J.
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Kiersch, Gerhard u.a., Berliner Alltag im 3. Reich, Düsseldorf 1981
Knoch, Peter, Feldpost — eine unentdeckte historische Quellengattung, in: Geschichtsdidaktik 11 (1986), Heft 2, S. 154–171
Knoch, Peter (1987) (Hrsg.), Menschen im Krieg 1914–18. Ein Lese- und Bilderbuch zur Ausstellung in Ludwigsburg (Ludwigsburger Hochschulschriften Bd. 8), Ludwigsburg 1987
Knoch, Peter (1988a), Gewalt wird zur Routine. Zwei Weltkriege in der Erfahrung einfacher Soldaten, in: Geschichtswerkstatt 16 (1988), S. 17–23
Knoch, Peter (1988b), Kriegserlebnis als biografische Krise, in: Andreas Gestrich/Peter Knoch/Helga Merkel (Hrsg.), Biographie — sozialgeschichtlich, Göttingen 1988, S. 86–108
Knoch, Peter (1989), Zeiterfahrung und Geschichtsbewußtsein im Ersten Weltkrieg, in: G. Schneider (Hrsg.), Geschichtsbewußtsein und historisch-politisches Lernen (Jahrbuch zur Geschichtsdidaktik Bd. 1), Pfaffenweiler 1989
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Kuczynsky, Jürgen, Geschichte des Alltags des Deutschen Volkes Bd. 4, Berlin 1983, Bd. 5, Berlin 1982
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Meyer, Fritz, Ewig Dein. Feldpostkarten des Fritz Meyer 1915–1917, hrsg. von Adolf Gerd Probst und Gerhard Kaldewei, Bielefeld 1985
Mohrmann, Wolf-Dieter, Der Krieg ist hart und grausam! Feldpostbriefe an den Osnabrücker Regierungspräsidenten 1941–1944, Osnabrück 1984
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Pöhland, Robert: Kachulle, Doris (Hrsg.), Die Pöhlands im Krieg. Briefe einer sozialdemokratischen Bremer Arbeiterfamilie aus dem 1. Weltkrieg, Köln 1982
Remarque, Erich Maria, Im Westen nichts Neues (1929), Frankfurt/M. 1987
Schütz, Alfred/Luckmann, Thomas, Strukturen der Lebenswelt Bd. 2, Frankfurt/M. 1984
Ullrich, Volker, Kriegsalltag. Hamburg im 1. Weltkrieg, 1982
Wagner, Georg, Der rationale Wahn. Nuklearaggresion und Abwehrsystem, Frankfurt/M., 1987
Wiesel, Elie, Die Nacht, Gütersloh 1980
Zech, Paul, Von der Maas bis an die Marne. Ein Kriegstagebuch, Frankfurt/M. 1988
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Knoch, P. (1989). Kriegsalltag. In: Knoch, P. (eds) Kriegsalltag. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-98799-0_11
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