Zusammenfassung
In Goethes nachitalienischer Zeit zeichnet sich in seinem Verhältnis zu Jacobi eine Epoche ab, die durch zwei Ereignisse von starker innerer Tragweite deutlich begrenzt wird: Goethes mehrwöchigen Aufenthalt im Hause Jacobis in Pempelfort im Spätherbst 1792 und Jacobis Besuch in Weimar im Sommer 1805. Ersterer bringt eine Bestätigung und Erneuerung ihres alten Bundes, die von beiden als beglückend empfunden wird, er gibt ihrer Freundschaft einen mächtigen neuen Auftrieb, der lange nachwirkt; letzterer bedeutet den Schlußpunkt unter eine Entwicklung, in der Tatsache wird, was Goethe in Italien vorausgeahnt hat: „leise, lose Trennung“. Auf Jahre des Bemühens um wechselseitiges Verstehen, um wahrhaftige Anteilnahme an den jeweiligen geistigen Interessen, Zielen und Produktionen, folgt ein Prozeß allmählichen inneren Entgleitens und wachsender Entfremdung, der am Ende zu Entsagung führt. Goethe leistet sie seiner Natur gemäß, der Klarheit und Aufrichtigkeit gegen sich selbst ein unabweisbares Bedürfnis ist; er zieht ein endgültiges Fazit aus den Erfahrungen dieser Epoche. Es besteht in der resignierten Erkenntnis, daß in seinem Verhältnis zu Jacobi noch die alte Zuneigung lebendig, aber keine geistige Gemeinschaft mehr vorhanden ist. Jacobi vermag dies nicht; bis zuletzt bleibt er verzweifelt bemüht, die Fiktion einer unveränderten inneren ‘Obereinstimmung aufrecht zu erhalten, alles Trennende zu bagatellisieren.
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Nicolai, H. (1965). Polaritäten. In: Goethe und Jacobi. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-98758-7_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-98758-7_6
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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