Krise

Zusammenfassung

Im Frühjahr 1775 war über Goethes »Stella« zum ersten Male eine Spannung zwischen den Freunden entstanden. Ihr vertrautes Einvernehmen hatte sich jedoch sogleich wiederhergestellt. Ein halbes Jahr später wird ihre Freundschaft einer härteren Belastungsprobe ausgesetzt. Sie läßt eine latente Problematik ihres Verhältnisses offenbar werden. Jacobis Erstling — »Eduard Allwills Papiere« — wird zum Anlaß einer tiefgehenden und wachsenden Verstimmung, in deren Folge die Verbindung der Freunde für Jahre abbricht. Seit Goethes Übersiedlung nach Weimar werden keine Briefe mehr gewechselt.¹ Eine Zeitlang noch erhält Johanna Fahlmer den Auftrag, Grüße an Fritz Jacobi zu bestellen; als sie 1778 nach ihrer Heirat mit Goethes Schwager Schlosser Frankfurt verläßt, verstummt auch die Stimme der freundschaftlichen Vermittlung.² Erst im Herbst 1779 — im Augenblick einer noch schwereren Gefährdung der Freundschaft, die endgültigen Bruch herbeizuführen droht, — wird die Briefverbindung noch einmal von Jacobi hergestellt, nur um sofort danach für weitere drei Jahre auszusetzen. In ihrem krassen Gegensatz zum Bild der ersten Zeit deuten diese Tatsachen auf eine frühe Krise in der Entwicklung dieser so enthusiastisch begonnenen, erst knapp 1 1/4 Jahr alten Freundschaft. Was die eigentlichen Ursachen dieser Krise waren, in welchem Umfang und in welcher Weise sie den Freunden bewußt wurde, darüber fehlen jegliche direkten Zeugnisse, sowohl aus diesen Jahren als auch aus späterer Zeit. Wohl aber existieren Quellen, aus denen sich ihr tiefer Ernst wie ihr entwicklungsgeschichtlicher Sinn mittelbar erkennen lassen. Die bedeutendste von diesen ist Jacobis »Allwill«, nach diesem sein »Woldemar«. Insbesondere der erste der beiden Romane stellt das Problem, wieweit er als Spiegelung biographischer Zusammenhänge aufgefaßt werden dürfe.