Zusammenfassung
Die ersten zwei Strophen von »Dichters Berufung« beschreiben und vollführen eine Dichterwerdung der besonderen Art, deren Resultat gleichzeitig konventioneller nicht sein könnte: Ein lyrisches Ich sitzt im Wald »unter dunklen Bäumen« und vernimmt sogleich ein »leises Ticken« (Vers 3) unbekannter Herkunft. Die Wahrnehmung dieses Geräusches führt nun in zwei Schritten bzw. Übertragungen zur Verwandlung des Ichs in einen Dichter, wobei das Ich den äußerlich wahrgenommenen Reiz durch Interpretation und Aneignung in eine innerliche Motivation umwandelt. Das nicht weiter definierte Ticken wird also als regelmäßiger Takt wahrgenommen (»wie nach Takt und Maass«, Vers 4). Diese Interpretation führt dann unter nicht weiter erläuterten Umständen dazu, dass sich das Ich gezwungen sieht, in gebundener Rede zu sprechen. Und dies wiederum bedeutet, zumindest nach der Auffassung des lyrischen Ichs und ohne weitere nachvollziehbare Definition, dass es nun »gleich einem Dichter«, also entweder ganz allgemein wie ein Dichter oder wie ein bestimmter Dichter, spreche.
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Literatur
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Baldelli, G. (2017). Von Spechten und Lacerten: Nietzsches Auseinandersetzung mit der Epigrammtradition in ›Dichters Berufung‹. In: Benne, C., Zittel, C. (eds) Nietzsche und die Lyrik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05596-5_11
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