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Paradigmatische Innovationen und interne Differenzierung. Wandel durch Interdisziplinarität? Am Beispiel von Tendenzen der deutschen Literaturwissenschaft 1910–1930

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Literaturwissenschaft und Wissenschaftsforschung

Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

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Zusammenfassung

Die Frage, wie in den Wissenschaften neues, das heißt dem bisherigen Erkenntnisstand unbekanntes und möglicherweise inkommensurables Wissen entsteht, gehört zu den klassischen Fragen der Wissenschaftsforschung und -Soziologie. Dabei ist klar, daß die Herausbildung des Neuen unter rein ideen- und mentalitätsgeschichtlichen Gesichtspunkten nicht zureichend beschrieben werden kann; die alte Vorstellung von Wissensgeschichte als einer kumulativen Serie von ingeniösen Einfällen und großen Entdeckungen darf wohl spätestens seit den Arbeiten Thomas S. Kuhns als überholt beziehungsweise revisionsbedürftig gelten. Grundlegend in diesem Zusammenhang ist vor allem die Einsicht, daß wissenschaftliche Ideen nicht in einem abgehobenen Raum gleichsam ungebundener Erkenntnisproduktion entstehen, sondern in Relation zu einem durch vorhergehende Selektionen strukturierten Feld hervorgebracht und entwickelt werden. Wissenschaftliche Innovation ist, mit anderen Worten, unabdingbar an spezifische Kontexte gebunden, die durch fachgeschichtliche Traditionen und etablierte Forschungskonventionen ebenso bestimmt werden wie durch institutionelle Bedingungen und Strukturen. Als ein möglicher Weg, den damit angesprochenen unhintergehbaren Kontextbezug wissenschaftlicher Erkenntnis zu konzeptualisieren, wird hier ein Modell wissenschaftlichen Wandels vorgeschlagen, das auf folgende Theorieelemente zurückgreift:

(1) Vorausgesetzt sei zunächst das Kuhnsche Konzept der paradigmageleiteten Form wissenschaftlichen Arbeitens: Das Paradigma — als zumeist unentwirrbares Ensemble von Theorieannahmen, Methodik, anerkannten Standards und klassischen Fallbeispielen — bestimmt die wissenschaftliche Praxis der ›scientific community‹.1

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Literaturverzeichnis

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Simonis, A. (2000). Paradigmatische Innovationen und interne Differenzierung. Wandel durch Interdisziplinarität? Am Beispiel von Tendenzen der deutschen Literaturwissenschaft 1910–1930. In: Schönert, J. (eds) Literaturwissenschaft und Wissenschaftsforschung. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05573-6_12

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