Zusammenfassung
1892 hat der Germanist Konrad Burdach, gerade zum Ordinarius in Halle ernannt, öffentlich alle Philologen und Historiker zum Zusammenschluß gegen zwei Privatdozenten und einen Nicht-Habilitierten aufgerufen.
Man kann diese ›überflüssigen Gedanken der grünenden Jugend‹, wie sie in den Schriften von Wolff, Wetz, Jacobowski zu Tage treten, sich gefallen lassen als Symptome für das Streben nach Vertiefung der Methode der Litteraturgeschichte und in der Hoffnung, dass daraus dereinst vielleicht auch noch ›nothwendige Gedanken‹ hervorwachsen werden. Aber sie haben doch ihre sehr ernste Seite: sie zeigen alle die gleiche Geringschätzung und Unkenntniss der eigentlich philologischen, der echten historischen Arbeit. Da ists denn wahrlich Zeit, dass die Vertreter der klassischen Alterthumswissenschaft, dass Germanisten und Romanisten, dass auch die Historiker über alle trennenden Schranken ihrer Fächer hinaus eingedenk werden der Einheit der Philologie, gemeinsam an der tieferen Grundlegung und Festigung ihrer Theorie arbeiten, jede Hilfe, die von wahrer philosophischer Forschung kommt, dankbar verwerthen, aber jeden Eingriff schönrednerischer Phantasten, konstruktionslüsterner Pseudophilosophen und Pseudoreformatoren kräftig abwehren, damit nicht das dem Verfall der historisch-philologischen Wissenschaft nothwendig folgende Sinken der nationalen Bildung, damit nicht Amerikanismus und der Götzendienst der Phrase, diese beiden Grundübel unserer Zeit, noch weiter um sich fressen.1
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Literaturverzeichnis
Wie man aus gleichem Anlaß (Wetz) zuerst den Ärger über das Sozialverhalten abladen und danach differenziert auf die Sache eingehen kann, demonstriert Gustav Körting: »Encyklopädie und Methodologie der romanischen Philologie«. In: Kritischer Jahresbericht über die Fortschritte der Romanischen Philologie 1 (1890), S. 147–156, hier S. 154f.
Friedrich Braitmaier: Göthekult und Göthephilologie. (Beilage zum Programm des königl. Gymnasiums zu Tübingen). Tübingen 1892, S. 69.
Franz Sandvoß (Xanthippus): »Vergleichende Literaturgeschichte und beschreibende Ästhetik«. In: Preußische Jahrbücher 92 (1898), S. 361–373, hier S. 370.
Als bei weitem wichtigste Ausnahme ist zu erwähnen Holger Dainat: »Von der Neueren deutschen Literaturgeschichte zur Literaturwissenschaft. Die Fachentwicklung von 1890 bis 1913/14«. In: Jürgen Fohrmann/Wilhelm Voßkamp (Hrsg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert. Stuttgart/Weimar 1994, S. 494–537. Einig bin ich mit ihm darin, daß in der wissenschaftsgeschichtlichen Phase ab 1890 Entscheidendes passiert, uneinig darin, wann es passiert. Er setzt die ›Wende‹ an das Ende, ich an den Anfang;
damit präzisiere und revidiere ich meine eigene frühere Darstellung — Klaus Weimar: Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. München 1989, S. 476–484.
Ernst Grosse: Die Literatur-Wissenschaft. Ihr Ziel und ihr Weg. Diss. Halle-Wittenberg 1887, S. 2 (allerdings ohne Erwähnung der Tatsachenfeststellung).
Die radikalste Kritik vorwiegend an einem zentralen Einzelbeispiel stammt von Reinhold Merbot: Forschungsweisen der Literatur-Wissenschaft insbesondere dargelegt an den Grundlagen der Liedertheorie. Frankfurt a. M. 1889.
Wilhelm Wetz: »Literaturwissenschaft«. In: Kritischer Jahresbericht über die Fortschritte der Romanischen Philologie 1 (1890), S. 157–192, hier S. 169.
Ernst Groth: »Die Aufgabe der Litteraturgeschichte«. In: Die Grenzboten 50/III (1891), S. 260–276, hier S. 264.
Louis Paul Betz: »Kritische Betrachtungen über Wesen, Aufgabe und Bedeutung der vergleichenden Litteraturgeschichte«. In: Zeitschrift für neufranzösische Sprache und Litteratur 18 (1896), S. 141–156, hier S. 143.
Hubert Roetteken: Rez. von Ernst Elster, Die Aufgaben der Litteraturgeschichte. In: Zeitschrift für Vergleichende Litteraturgeschichte NF 9 (1896), S. 414–417, hier S. 415.
Wetz bezieht sich auf Emile Hennequin: La critique scientifique (1888). Deuzième édition. Paris 1890. Reprint hrsg. von Dirk Hoeges. (Reihe Siegen, Editionen 2). Heidelberg 1982;
vgl. dazu Dirk Hoeges: Literatur und Evolution. Studien zur französischen Literaturkritik im 19. Jahrhundert. Taine — Brunetière — Hennequin — Guyau. (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte III 49). Heidelberg 1980, S. 95–142.
Eugen Wolff: Das Wesen wissenschaftlicher Literaturbetrachtung. Kiel 1890.
Wilhelm Wetz: Shakespeare vom Standpunkt der vergleichenden Literaturgeschichte. Worms 1890, S. 1–43.
Oskar Froehde: »Der begriff und die aufgabe der litteraturwissenschaft«. In: Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 147 (1893), S. 433–445.
Ernst Elster: Die Aufgaben der Literaturgeschichte. Akademische Antrittsrede. Halle 1894.
Eugen Wolff: Poetik. Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg, Leipzig 1899.
Eugen Wolff: Prolegomena der litterar-evolutionistischen Poetik. Kiel 1890.
Eugen Wolff: »Vorstudien zur Poetik I–IV«. In: Zeitschrift für Vergleichende Litteraturgeschichte NF 6 (1893), S. 423–447.
Ernst Elster: Prinzipien der Litteraturwissenschaft. Erster Band. Halle 1897.
Hubert Roetteken: Poetik. Erster Teil. München 1902.
Richard Maria Werner: Lyrik und Lyriker. Eine Untersuchung. (Beiträge zur Ästhetik 1). Hamburg/Leipzig 1890.
Wilhelm Wetz: Ueber Litteraturgeschichte. Eine Kritik von ten Brink’s Rede ›Ueber die Aufgabe der Litteraturgeschichte‹. Worms 1891.
Oskar Froehde: ??Litteratur-, kunst- und Sprachwissenschaft«. In: Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 149 (1894), S. 1–13.
Ernst Elster: Prinzipien der Literaturwissenschaft. Zweiter Band: Stilistik. Halle 1911.
A. R. March: »The comparative study of literature«. In: PMLA 11 (1895), S. 151–170, hier S. 165.
Roetteken (Anm. 46), S. 2. So schon Eduard Eckhardt: »Typus und Individuum in der Litteratur«. In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 10 (1896), S. 169–185, hier S. 170.
Elster (Anm. 45), S. VI. So noch Rudolf Unger: Gesammelte Studien. Erster Band: Aufsätze zur Prinzipienlehre der Literaturgeschichte. (Neue Forschung 1). Berlin 1929.
Vgl. Klaus Weimar: »Germanistik«. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Gemeinsam mit Harald Fricke, Klaus Grubmüller und Jan-Dirk Müller hrsg. von Klaus Weimar. Bd. 1. Berlin/New York 1997, S. 707.
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Weimar, K. (2000). Die Begründung der Literaturwissenschaft. In: Schönert, J. (eds) Literaturwissenschaft und Wissenschaftsforschung. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05573-6_10
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