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Der Flug in die Fremde — der Flug in die Dichtung

Zu einer poetischen und hermeneutischen Denkbewegung um 1800

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Topographien der Literatur

Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

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Zusammenfassung

Es ist ein bemerkenswerter Vierzeiler, den August Graf von Platen-Haller-münde seiner 1821 erschienenen ersten Sammlung von Ghaselen als Motto vorangestellt hat, einer Sammlung, in welcher der junge Poet die arabo-persische Gedichtform des ġazai (sprich: rasai) samt ihres Motivinventars adaptierte und für seine Lyrik produktiv machte.2 Denn so eingängig die Bildlichkeit des Mottogedichts auf den ersten Blick auch scheinen mag, so eigenwillig ist letztlich die Gedankenfigur, die es enthält. Schließlich postiert der Dichter mit diesen Versen auf der Schwelle zu seiner Dichtung gleich zwei Cherubim, einen poetischen und einen hermeneutischen, um den potentiellen Leser vier Dinge wissen zu lassen: Dass das Verständnis der nachfolgenden Gedichte eine Reise des Lesers in den Orient zur Vorbedingung hat (1), die durch die Lüfte führt (2) und ein Wagnis darstellt (3), das der Autor der Gedichte selbst bereits auf sich genommen hat (4). Wer also, dem Dichter auf seiner Route folgend, das Abenteuer eines Fluges in den Orient nicht eingegangen ist — so will es Platens cherubinischer Paratext —, dem bleiben auch die Pforten zum poetischen Text verschlossen.

Du, der nie gewagt zu fliegen

Nach dem Orient, wie wir,

Laß dies Büchlein, laß es liegen,

Denn Geheimnis ist es dir.1

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Anmerkungen

  1. Zur Geschichte und Gestalt des Ghasel vgl. Bausani, A.: »Ghazal«. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Lewis, B./Pellat, Ch./Schacht, J. (Hg.). Bd. 2. Leiden/ London 1965, S. 1028–1036;

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  2. Bürgel, Johann Christoph: »Ghasel«. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 1. Flicke, Harald/Grubmüller, Klaus/Müller, Jan-Dirk/Weimar, Klaus (Hg.). Berlin/New York 1997, S. 722–724.

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  3. Debatin, Bernhard: Die Rationalität der Metapher. Eine sprachphilosophische und kommunikationstheoretische Untersuchung. Berlin/New York 1995.

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  4. Vgl. Weigel, Sigrid: »Zum ›topographical turn‹. Karthographie, Topographie und Raumkonzepte in den Kulturwissenschaften«. In: KulturPoetik 2 (2002), S. 151 – 165.

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  5. Mit diesem Begriff seien jene utopischen und heterotopischen Räume bezeichnet, die Foucault in seinem gleichnamigen Aufsatz diskutiert, der im Zuge des topographical turn der Literatur- und Kulturwissenschaft erneut zu großer Prominenz gelangt ist. Vgl. Foucault, Michel: »Andere Räume«. In: Barck, Karlheinz/Gente, Peter/Paris, Heidi/Richter, Stefan (Hg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Leipzig 1990, S. 34–46.

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  6. Damit orientieren sie sich letztlich an der Grenzlinie, die Michel de Certeau zwischen dem Aspekt des Ortes (gedacht als fixe Ordnung von Elementen in Kontiguitätsbezie-hungen) und dem des Raumes (gedacht als in Zeit und durch Bewegung entstehendes, émergentes Geflecht beweglicher Elemente) zieht. Vgl. Certeau, Michel de: Die Kunst des Handelns. Berlin 1988, S. 215–226.

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  11. Eine explizite Gleichsetzung unternimmt Marlene Lohner, indem sie — ohne Rückhalt in Goethes Text — die Karawane als »das Transportmittel ins ›Land der Dichtung‹, in den ›reinen Osten‹« ausmacht. Vgl. Lohner, Marlene: Goethes Caravanen. Verkörperungen der Phantasie im Spätwerk Goethes. Frankfurt a.M. u.a. 2001, S. 25–10, i.b. S. 30.

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  12. Link, Jürgen: »›Einfluß des Fliegens! -Auf den Stil selbstU. Diskursanalyse des Bal-lonsymbols«. In: ders./Wulf Wülfing (Hg.): Bewegung und Stillstand in Metaphern und Mythen. Fallstudien zum Verhältnis von elementarem Wissen und Literatur im 19. Jahrhundert. Stuttgart 1984, S. 149–163. Vgl. dazu auch ders.: »Literaturanalyse als Interdiskursanalyse. Am Beispiel literarischer Symbolik in der Kollektivsymbolik«. In: Fohrmann, Jürgen/Harro Müller (Hg.): Diskurstheorien und Literaturwissenschaft. Frankfurt a.M. 1988, S. 284–307.

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  13. Zu diesem diskursiven Transformationsprozeß genauer: Link, Jürgen: Elementare Literatur und generative Diskursanalyse. München 1983, S. 48–72.

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  14. Vgl. Jürgen Link: »Literaturanalyse als Interdiskursanalyse. Am Beispiel literarischer Symbolik in der Kollektivsymbolik«. In: Fohrmann, Jürgen/Harro Müller: Diskurstheorien und Literaturwissenschaft. Frankfurt a.M. 1988, S. 284–307, hier: S. 293.

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  17. Claudia Breger liest den Zigeuner an dieser Stelle als konstitutives Element für Arnims Konzept von Naturpoesie. Vgl. Breger, Claudia: Ortlosigkeit des Fremden. »Zigeunerinnen« und »Zigeuner« in der deutschsprachigen Literatur um 1800. Köln/Weimar/ Wien 1998, S. 265ff.

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  22. Die ausführlichste literarische Verarbeitung des Roc findet sich in einem apokryphen Text aus der Feder des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen aus den Jahren 1816/17, der 1997 als »Roman« ediert und publiziert worden ist. Vgl. Friedrich Wilhelm IV: Die Königin von Borneo. Ein Roman. Hg. v. Frank-Lothar Kroll. Berlin 1997.

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  26. Vgl. dazu: Weidner, Daniel: »›Menschliche, heilige Sprachen Das Hebräische bei Michaelis und Herder«. In: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur 95 (2003), H. 2, S. 171–206; sowie den Beitrag Daniel Weidners im vorhegenden Band.

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  27. Eine zusammenfassende Darstellung der Genese der deutschen Orientalistik existiert bislang nicht. Schlaglichter werfen: Bourel, Dominique: »Die deutsche Orientalistik im 18. Jahrhundert. Von der Mission zur Wissenschaft«. In: H. Reventlow/W Span/J. Woodbridge (Hg.): Historische Kritik und biblischer Kanon in der deutschen Aufklä-rung. Wiesbaden 1988, S. 113–126;

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  29. Preißler, Holger: »Die Anfänge der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 145 (1995), S. 241–327.

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  30. Auch zu diesem Feld existiert keine umfassende wissenschaftsgeschichtliche Darstellung. Zu August Wilhelm Schlegel vgl. Bhatti, Anil: »August Wilhelm Schlegels Indienrezeption und der Kolonialismus«. In: Lehmann, Jürgen (Hg.): Konflikt — Grenze — Dialog. Kulturkontrastive und interdisziplinäre Textzugänge. Festschrift für Horst Turk zum 60. Geburtstag. Frankfurt a.M. 1997, S. 185–205;

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  31. zu Kanne vgl. Willer, Stefan: ›»übersetzt: ohne Ende‹. Zur Rhetorik der Etymologie bei Johann Arnold Kanne«. In: Jäger, Stephan/ ders. (Hg.): Das Denken der Sprache und die Performanz des Literarischen um 1800. Würzburg 2000, S. 113–129; zu Creuzer nach wie vor:

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  32. Howald, Ernst (Hg.): Der Kampf um Creuzers Symbolik. Eine Auswahl von Dokumenten. Tübingen 1926.

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  33. Vgl. dazu die Beiträge in: Gessinger, Joachim/ Rahden, Wolfert von (Hg.): Theorien vom Ursprung der Sprache. Bd. 2. Berlin/New York 1989.

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  34. Noch in den Jahren 1781–85 verfaßte Johann Heinrich Voß eine deutsche Übersetzung der Tausendundeinen Nacht aus der Gallandschen Übertragung. Vgl. Wieckenberg, Ernst-Peter: Johann Heinrich Voß und »Tausend und eine Nacht«. Würzburg 2002

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  36. Gadamer, Hans-Georg: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. 6., durchges. Ausgabe. Tübingen 1990, S. 302.

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  37. Eine differenzierte philosophische Kritik von Gadamers Nivellierungsversuchen der Fremdheits-Problematik findet sich in: Kogge, Werner: Verstehen und Fremdheit in der philosophischen Hermeneutik. Heidegger und Gadamer. Hildesheim/Zürich/New York 2001, S. 126–141.

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Polaschegg, A. (2005). Der Flug in die Fremde — der Flug in die Dichtung. In: Böhme, H. (eds) Topographien der Literatur. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05571-2_32

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