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Venedig, Wien, Paris, Leipzig: Komödienästhetik als Kulturtopographie

Internationale Referenzen und innerdramatische Raumbildung im Streit zwischen norddeutschem Reform- und Wiener Spaßtheater

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Topographien der Literatur

Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

  • 655 Accesses

Zusammenfassung

Auf Räume sind literarische Texte in vielfältiger Weise bezogen, und sie eröffnen, modellieren und modulieren ihrerseits Räume, im Imaginationsspiel begehbare ebenso wie abstrakte oder metaphorische sowie jene realen Räume, die sich aus der Perspektive des jeweiligen Textes in spezifi scher Weise darstellen. Charakteristisch für literarische Räumlichkeit scheint ihre außerordentliche Spannweite zu sein: Indem sie die Grenze zwischen Realität und Fiktion überbrückt, übertrifft sie noch die generelle Spannung zwischen ›Orten‹ und ›Worten‹, die jeder Topographie innewohnt. Referentialität und poietische Konstruktivität literarischer Topographien schließen sich daher nicht aus.1 So sind die Schauplätze einer Handlung weit seltener fi ktiv als die Figuren oder das Handlungsgeschehen, doch erfahren sie im literarischen Text eine (zusätzliche) Semantisierung, die sie der Lebenswelt entreißt und zur Funktion einer Spielwelt macht, nach Lotman zum Modell »anderer, nichträumlicher Relationen des Textes«2 (mehr dazu in Abschnitt III.). Einen Kartierungseffekt können literarische Texte aber auch ganz unabhängig von dargestellten Orten haben, wenn sie interkulturelle Transferenzen erkennen lassen, also die Abkunft beispielsweise ihrer Ästhetik von andernorts lokalisierbaren Schreibweisen oder Praktiken.

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Anmerkungen

  1. Theaterjournale z.B. waren quasi per se Anwälte des ›gereinigten Geschmacks‹ und maßen das Theaterleben bis in die 1790er Jahre an den Gottschedschen Normen, vgl. Heßelmann, Peter: Gereinigtes Theater? Dramaturgie und Schaubühne im Spiegel deutschsprachiger Theaterperiodika des 18. Jahrhunderts (1750–1800). Frankfurt a.M. 2002, S. 76–81, 102, 121f.

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  2. Vgl. Meyer, Reinhart (Hg.): Theater, Repräsentation und konfessionelle Polemik im Zeitalter der Aufklärung. Regensburger Schauspiele im 18. Jahrhundert. Regensburg 1998, S. 88f., das Zitat S. 86; vgl. ders.: Bibliographia Dramatica et Dramaticorum. Kommentierte Bibliographie der im ehemaligen deutschen Reichsgebiet gedruckten und gespielten Dramen des 18. Jahrhunderts nebst deren Bearbeitungen und Übersetzungen und ihrer Rezeption bis in die Gegenwart. Teil 1: 3 Bde. Teil 2: [bisher:] 22 Bde. Tübingen 1986–2004, T. 2, Bd. 12, S. XXXII–XXXV. Auf der Grundlage einer umfassenden Registratur von Dramendrucken und Aufführungsbelegen stellt Meyer fest, daß in den frühen 1740er Jahren »rund zwei Drittel aller Erstaufführungen im Reich« in katholischen Gymnasien stattfanden (S. XXXII). Aufgeführt wurden in der Regel lateinische Stücke. »Trotzdem fi nden an den katholischen Schulen mehr deutschsprachige Aktionen statt, als den protestantischen Bürgern insgesamt vor Augen kommen.« (S. XXXV)

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  3. In der Forschung werden die divergenten Entwicklungen in Nord- und Süddeutschland selten aufeinander bezogen, vgl. v.a. Münz, Rudolf: Das »andere« Theater. Studien über ein deutschsprachiges teatro dell’arte der Lessingzeit. Berlin 1979. Zur kirchlichen Kritik am Theater vgl. Haider-Pregler, Hilde: Des sittlichen Bürgers Abendschule. Bildungsanspruch und Bildungsauftrag des Berufstheaters im 18. Jahrhundert. Wien/ München 1980, S. 69–134, bes. S. 103.

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  4. Stephan, Inge: »Aufklärung«. In: Beutin, Wolfgang [u.a.]: Deutsche Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar 62001, S. 148–181, hier S. 160.

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  5. Diesem Schema folgen sowohl die Überblicksdarstellungen von Horst Steinmetz (Die Komödie der Aufklärung. Stuttgart 21971) und Helmut Koopmann (Drama der Aufklärung. Kommentar zu einer Epoche. München 1979) als auch die Monographie von Christan Neuhuber (Das Lustspiel macht Ernst. Das Ernste in der deutschen Komödie auf dem Weg in die Moderne: von Gottsched bis Lenz. Berlin 2003). In historisch weiter ausgreifenden Darstellungen wird die »Tradition des Wiener Volkstheaters« häufi g in einen Vorspann zum Kapitel über (Raimund und) Nestroy zusammengedrängt, vgl. Greiner, Bernhard: Die Komödie. Eine theatralische Sendung: Grundlagen und Interpretationen. Tübingen 1992, S. 299f.

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  6. In den gängigen Literaturgeschichten wird das Wiener Theater lediglich in der von Horst Albert Glaser bei Rowohlt herausgegebenen berücksichtigt, vgl. Zeman, Herbert: »Alt-Wiener Volkskomödie«. In: Wuthenow, Ralph-Rainer (Hg.): Zwischen Absolutismus und Aufklärung: Rationalismus, Empfi ndsamkeit, Sturm und Drang. 1740–1786. Reinbek 1980, S. 323–329.

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  7. Fohrmann, Jürgen: Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Entstehung und Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen Humanismus und Deutschem Kaiserreich. Stuttgart 1989, S. 145.

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  8. Vgl. Hinck, Walter: Das deutsche Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts und die italienische Komödie. Commedia dell’arte und Théâtre italien. Stuttgart 1965.

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  9. Vgl. Grimberg, Michel: Die Rezeption der französischen Komödie. Ein Korpus von Übersetzervorreden (1694–1802). Bern [u.a.] 1998; ders.: La Réception de la comédie française dans les pays de langue allemande (1694–1799). Bern [u.a.] 1995.

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  10. Vgl. Pfister, Manfred: Das Drama. Theorie und Analyse. München 51988, S. 345–347.

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  11. Vgl. Schleier, Inge: »Die Vollendung des Schauspielers zum Emblem. Zu den ästhetischen Grundlagen der Theatersemiotik in der Gryphius-Zeit«. In: Daphnis 28 (1999), S. 529–561, hier S. 539–543.

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  12. Repräsentativ für die traditionelle Komödie ist die Bestimmung Gottscheds: »Die Verzierungen der Schaubühne stellen den Ort vor, wo die ganze Fabel gespielet wird; gemeiniglich ein Bürgerhaus oder eine Gasse der Stadt, da man an beiden Seiten verschiedene Häuser sieht.« Gottsched, Johann Christoph: »Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen« [1730, Auszüge]. In: ders.: Schriften zur Literatur. Hg. von Horst Steinmetz. Stuttgart 1972, S. 12–196, hier S. 195f.

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  13. Warning, Rainer: »Elemente einer Pragmasemiotik der Komödie«. In: Preisendanz, Wolfgang, u. R. W. (Hg.): Das Komische. München 1976, S. 279–333, hier S. 326.

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  14. Vgl. Foucault, Michel: »Andere Räume« [1967]. In: Barck, Karlheinz [u.a.] (Hg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essais. Leipzig 1991, S. 34–46.

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  15. Mehrere Studien zum internationalen Repertoire deutschsprachiger Bühnen, u.a. des späteren 18. Jahrhunderts, sind im Göttinger SFB »Die Literarische Übersetzung« entstanden, vgl. Keck, Thomas A.: »›Molière und kein Ende‹? — Die französische Klassik am Wiener Burgtheater«. In: Fritz, Bärbel/Schultze, Brigitte/Turk, Horst (Hg.): Theaterinstitution und Kulturtransfer I. Fremdsprachiges Repertoire am Burgtheater und auf anderen europäischen Bühnen. Tübingen 1997, S. 97–126, sowie die in den Anm. 45 und 46 angeführten Bände.

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  16. Vgl. Hinck (s. Anm. 17), S. 65 sowie Steltz, Michael: Geschichte und Spielplan der französischen Theater an deutschen Fürstenhöfen im 17. und 18. Jahrhundert. Phil. Diss. München 1965;

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  17. einen Überblick gibt Meyer, Reinhart: »Das französische Theater in Deutschland«. In: Sauder, Gerhard/Schlobach, Jochen (Hg.): Aufklärungen — Frankreich und Deutschland im 18. Jahrhundert. Heidelberg 1985, S. 145–166.

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  18. Vgl. Gustav Zechmeister: Die Wiener Theater nächst der Burg und nächst dem Kärntnerthor von 1747 bis 1776 (Theatergeschichte Österreichs. Bd. 3: Wien. H. 2). Wien 1971.

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  19. Vgl. Neuber, Wolfgang: »Poetica confessionis cognitio. Erkenntnisfunktionale Ansätze zu einer induktiven Poetik der Altwiener Volkskomödie.« In: Valentin, Jean-Marie (Hg.): Das österreichische Volkstheater im europäischen Zusammenhang 1830–1880. Akten des vom Centre de Recherches Germaniques veranstalteten Kolloquiums Dezember 1984. Bern [u.a.] 1988, S. 13–31.

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  20. Als Fallstudie vgl. Rudin, Bärbel: Venedig im Norden oder: Harlekin und die Buffoni-sten. »Die Hochfürstl. Braunschw. Lüneb. Wolffenbüttelschen Teutschen Hof-Acteurs« (1727–1732). Reichenbach i. V. 1997; als Überblick Hinck (s. Anm. 17), S. 76–78.

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  21. Vgl. Maurer, Arnold E.: Carlo Goldoni. Seine Komödien und ihre Verbreitung im deutschen Sprachraum des 18. Jahrhunderts. Bonn 1982, S. 92f. Für die Jahre 1751–54 hat man elf verschiedene Goldonipremieren gezählt.

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  22. Hansen, Günther: Formen der Commedia dell’Arte in Deutschland. Hg. von Helmut Asper. Emsdetten 1984, S. 5.

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  23. Vgl. Hillmann, Thomas: »Elemente der Commedia dell’arte in Goldonis Komödien und ihre Rezeption in deutschen Übersetzungen«. In: Unger, Thorsten/Schultze, Brigitte/Turk, Horst (Hg.): Differente Lachkulturen? Fremde Komik und ihre Übersetzung. Tübingen 1995, S. 101–125, hier S. 115.

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  24. Vgl. Hillmann (s. Anm. 45), S. 115–125 (über Hamburg); Hillmann, Thomas: »Übersetzerische Rezeption italienischer Dramatik am Gothaer Hoftheater«. In: Detken, Anke u.a. (Hg.): Theaterinstitution und Kulturtransfer II. Fremdkulturelles Repertoire am Gothaer Hoftheater und an anderen Bühnen. Tübingen 1998, S. 43–67.

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  25. Vgl. Hinck (s. Anm. 17), S. 86–89. Weitere Stücke aus dem Nouveau Théâtre italien, die im Sinne der Commedia dell’arte bearbeitet und dann »als Burleske[n] aus dem Italienischen« ausgegeben wurden, führt Schindler, Otto G. (Hg.): Stegreifburlesken der Wanderbühne. Szenare der Schulz-Menningerschen Schauspielertruppe. Nach Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek. St. Ingbert 1990, S. 13–15, an.

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  26. Als kürzlich erschienenes Kompendium vgl. Müller-Kampel, Beatrix: Hanswurst, Bernardon, Kasperl. Spaßtheater im 18. Jahrhundert. Paderborn [u.a.] 2003.

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  27. Vgl. Eybl, Frank M.: »Hanswurststreit und Broschürenfl ut. Die Struktur der Kontroversen in der österreichischen Literatur des 18. Jahrhunderts«. In: Schmidt-Dengler, Wendelin/Sonnleitner, Johann/Zeyringer, Klaus (Hg.): Konfl ikte — Skandale — Dichterfehden in der österreichischen Literatur. Berlin 1995, S. 24–35, hier S. 28f.

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  28. Kurz, Joseph Felix von: »Der aufs neue begeisterte und belebte Bernardon.« In: Rommel, Otto (Hrsg.): Die Maschinenkomödie. Leipzig 1935, S. 71–84, hier S. 74.

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  29. Sonnenfels, J. v.: Briefe über die Wienerische Schaubühne. 1768. Wien 1884, S. 57, 59 u. 62 (I,8).

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  30. Vgl. Brenner, Peter J.: Gotthold Ephraim Lessing. Stuttgart 2000, S. 181–183. Die Wendung gegen das französische Vorbild zugunsten englischer Stücke ist häufi g patriotisch motiviert, vgl. Heßelmann (s. Anm. 3), S. 122, über einen Aufsatz von Christian Gottlieb Klemm von 1769.

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  31. Vgl. Koberstein (s. Anm. 12), Bd. 3,1, S. 41 Anm. 8. Zur Polarisierung nicht nur der beiden deutschen Mächte Preußen und Österreich, sondern auch ihrer literarischen Kulturen in den 1770er und 1780er Jahren vgl. Franz M. Eybl: »Patriotismusdebatte und Gelehrtenrepublik. Kulturwissenschaftliche Forschungsfelder im Problembereich nationaler Identitätsbildung.« In: Klueting, Harm/Schmale, Wolfgang (Hg.): Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander. Münster 2004, S. 149–162.

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  32. Müller-Kampel, Beatrix: »Hanswurst, Bernardon, Kasperl. Österreichische Gegenentwürfe zum norddeutsch-protestantischen Aufklärungsparadigma«. In: Schmidt-Dengler, Wendelin/Sonnleitner, Johann/Zeyringer, Klaus (Hg.): Komik in der österreichischen Literatur. Berlin 1996, S. 33–55, hier S. 48.

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  33. Die Abgrenzung von Josef Nadlers biologistischer Regionalisierung der Literaturgeschichte kann aufgrund dieser konstruktivistischen Prämisse sehr knapp gehalten werden: Während Nadler nicht nur eine räumliche, sondern eine ›Stammes‹-Gliederung voraussetzt, rekonstruiere ich kulturtopographische Ordnungsmuster im ästhetisch-literarischen Diskurs. Als ausführlichere Nadler-Kritik — die den Verfasser aber »beinahe schon ritualistisch anmute[t]« — vgl. Böhler, Michael: »Eindimensionale Literatur. Zur Raumlosigkeit der Sozialgeschichte«. In: Huber, Martin/Lauer, Gerhard: Nach der Sozialgeschichte. Konzepte für eine Literaturwissenschaft zwischen Historischer Anthropologie, Kulturgeschichte und Medientheorie. Tübingen 2000, S. 129–153, hier S. 139.

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  34. Lampart, Fabian: Zeit und Geschichte. Die mehrfachen Anfänge des historischen Romans bei Scott, Arnim, Vigny und Manzoni. Würzburg 2002.

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Fulda, D. (2005). Venedig, Wien, Paris, Leipzig: Komödienästhetik als Kulturtopographie. In: Böhme, H. (eds) Topographien der Literatur. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05571-2_13

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