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Spielräume der Interpretation. Sündenbockrituale und Inszenierungen der Gewaltvermeidung in Literatur und Kultur des Mittelalters

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Grenzen der Germanistik

Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

  • 283 Accesses

Zusammenfassung

Die kulturwissenschaftliche Erweiterung der Germanistik meint nicht die Etablierung eines neuen Fachs. Zwar ist dies immer wieder unterstellt und gefürchtet worden.1 Gleichwohl liegt die Neuartigkeit und Besonderheit der aktuellen kulturwissenschaftlichen Modelle, wie z.B. der Mentalitäten-Geschichte, der New cultural poetics (New Historicism) oder der historischen Anthropologie, nicht oder jedenfalls nicht primär in der Ausweitung des Forschungsinteresses auf neue Gegenstände und Fächer, sondern in der Art und Weise ihrer Vernetzung. Während schon Jacques Le Goff das Erkenntnisinteresse der Mentalitäten-Geschichte an dem — von ihm so genannten — »concept carrefoure« (= Kreuzung) aus Soziologie und Psychologie, Anthropologie und Geschichtswissenschaft, Ethnologie und Literaturwissenschaft verdeutlichte,2 wobei in den Methodendebatten der Mentalitätshistoriker gerade der Literatur und Literaturwissenschaft inzwischen ein immer größeres Gewicht eingeräumt wird,3 geht Stephen Greenblatt — nach wie vor wohl der produktivste Vertreter der amerikanischen New cultural poetics — von einer Logik der »Verhandlungen« (»negotiations«) zwischen den verschiedenen politischen, rechtlichen, religiösen, künstlerischen und literarischen Diskursen einer Epoche aus.4 Fraglich ist dabei nur, wie diese »Verhandlungen« zu denken sind, und darüber hinaus, welche Möglichkeiten und Leistungen jenen verschiedenen Diskursen, insbesondere dem literarischen Diskurs, zukommen.

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Notizen

  1. So zuletzt Haug, Walter: »Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft?« In: DVjs 73 (1999), S. 69–93.

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  2. Le Goff, Jacques: »Les mentalités. Une histoire ambigue. »In: Le Goff, Jacques/Nora, Pierre (Hg.): Faire de l’histoire. 3. Aufl. Paris 1974, S. 106–114:

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  3. Vgl. dazu vor allem Chartier, Roger: »Intellektuelle Geschichte und Geschichte der Mentalitäten«. In: Raulff, Ulrich (Hg.): Mentalitäten-Geschichte. Zur historischen Rekonstruktion geistiger Prozesse. Berlin 1987, S. 69–96, hier S. 91.

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  4. Vgl. dazu Greenblatt, Stephen: Verhandlungen mit Shakespeare. Innenansichten der englischen Renaissance. Frankfurt a. M. 1993,

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  5. sowie den Sammelband mit verschiedenen thematischen Aufsätzen Greenblatts: Schmutzige Riten. Betrachtungen zwischen Weltbildern. Berlin 1991 (insbes. der Aufsatz: »Grundzüge einer Poetik der Kultur«, S. 107–122).

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  6. Zur Kritik vgl. auch Röcke, Werner: »Mentalitätsge-schichte — ›New Historicism‹. Perspektiven einer kulturwissenschaftlichen Mediävistik.« In: Mittellateinisches Jahrbuch 31 (1996), S. 21–37.

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  7. Haug: Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft? (s. Anm. 1), S. 69. Vgl. dazu aber auch schon von Graevenitz, Gerhart: »Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaften. Eine Erwiderung.« In: DVjs 73 (1999), S. 94–115.

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  8. Barner, Wilfried: »Kommt der Literaturwissenschaft ihr Gegenstand abhanden? Vorüberlegungen zu einer Diskussion.« In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft XU (1997), S. 1–8.

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  9. Zur theoretischen Begründung des Begriffs »transdisziplinär« vgl. Mittelstraß, Jürgen: »Interdisziplinarität oder Transdisziplinarität?« In: ders.: Die Häuser des Wissens. Wissenschaftstheoretische Studien. Frankfurt a. M. 1998, S. 29–48;

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  10. Zur Kritik vgl. Röcke, Werner: »Vom ›Streit der Fakultäten‹ zur Einheitswissenschaft? Was meint das Gebot der ›Ex-zellenz‹ in den Geisteswissenschaften?« In: Rechtshistorisches Journal 20 (2001), S. 325–342.

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  11. Böhme, Hartmut/Scherpe, Klaus R. (Hg.): Literatur und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle. Reinbek 1996, S. 12.

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  12. Bourdieu, Pierre/Wacquant, Loie J.D.: Reflexive Anthropologie. Frankfurt a. M. 1996, S. 54.

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  13. Vgl. dazu die prinzipiellen Überlegungen von: von Moos, Peter: »Persönliche Identität und Identifikation vor der Moderne. Zum Wechselspiel von sozialer Zu-schreibung und Selbstbeschreibung.« In: ders. (Hg.): Unverwechselbarkeit. Persönliche Identität und Identifikation in der vormodernen Gesellschaft. Köln/Weimar/Wien 2004, S. 1–42.

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  14. Geertz, Clifford: »Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur.« In: ders.: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt a.M. 1986, S. 7–43, hier S. 9.

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  15. Gebauer, Gunter/Wulf, Christoph: Spiel — Ritual — Geste. Mimetisches Handeln in der sozialen Welt. Reinbek 1998, S. 130.

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  16. Vgl. dazu Röcke, Werner: »Text und Ritual. Spielformen des Performativen in der Fastnachtkultur des späten Mittelalters.« In: Das Mittelalter. Zeitschrift des Mediävistenverbandes 5 (2000), H. 1, S. 83–100.

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  17. Vgl. dazu Der Neue Pauly 11, 1081 f. (Sündenbockrituale); RGG3 Bd. 6, 506 f.; DW 14, 1143 f.; Röhrich, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Bd. 5. Freiburg/Basel/Wien 1999, S. 1586–1587.

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  18. Zu den Charivari des Mittelalters vgl. das grundlegende Buch von Davis, Natalie Zemon: Humanismus, Narrenherrschaft und die Riten der Gewalt. Gesellschaft und Kultur im frühneuzeitlichen Frankreich. Frankfurt a.M. 1987, S. 106–135.

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  19. Vgl. dazu die gründliche Untersuchung von Andreas Kotte, die mich auf die Halberstädter Adamsaustreibung aufmerksam gemacht hat: Kotte, Andreas: The-atralität im Mittelalter. Das Halberstädter Adamsspiel. Tübingen/Basel 1994.

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  20. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Ästhetik. Nach der zweiten Ausgabe Heinrich Gustav Hothos (1842), red. von F. Bassenge. Bd.I. Berlin/Weimar 1965, S. 538.

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  21. Salomon et Marcolfus. Kritischer Text mit Einleitung und Anmerkungen. Hrsg. von W. Benary. Heidelberg 1914. Zu Markolfs Gewaltinszenierungen ausführlicher vgl. Röcke, Werner: »Die Gewalt des Narren. Rituale von Gewalt und Gewaltvermeidung in der Narrenkultur des späten Mittelalters.« In: Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. Festschrift für Johannes Janota. Hrsg. von H. Brunner und W. Williams-Krapp. Tübingen 2003, S. 51–71.

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  22. Vgl. dazu meinen Aufsatz über Auftreten und Funktion des Truchsessen Keie im Artusroman, den ich hier weiterzuführen versuche: Röcke, Werner: »Provokation und Ritual. Das Spiel mit der Gewalt und die Funktion des Seneschall Keie im arthurischen Roman.« In: von Moos, Peter (Hg.): Der Fehltritt. Vergehen und Versehen in der Vormoderne. Köln/Weimar 2001, S. 343–361.

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  23. Zu Freuds Konzept der Verschiebung vgl. Laplanche, J./Pontalis, J.-B.: Das Vokabular der Psychoanalyse. Bd. 2. Frankfurt a.M. 1973, S. 603–606.

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  24. Haupt, Jürgen: Der Truchseß Keie im Artusroman. Untersuchung zur Gesellschaftsstruktur im höfischen Roman. Berlin 1971, S. 87 f.

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  25. Im Anschluss an Clastres, Pierre: »Zur Frage der Macht in den primitiven Gesellschaften.« In: Vogel, Joseph (Hg.): Gemeinschaften. Positionen zu einer Philosophie des Politischen. Frankfurt a.M. 1971, S. 94.

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  26. Im Anschluss an Bourdieu, Pierre: Soziologie der symbolischen Formen. Frankfurt a. M. 1970, S. 125–148 (= IV. Kapitel: Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis).

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  27. Ich zitiere (und verweise) mit Versangaben im laufenden Text nach der Ausgabe: Hartmann von Aue: Iwein. Text der 7. Ausgabe von G. F. Benecke, K. Lachmann und L. Wolf. Übersetzung und Anmerkung von Thomas Cramer. 3. Aufl. Berlin/ New York 1981.

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  28. Zur Aggressivität des Witzes und des Gelächters ist grundlegend noch immer Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Studienausgabe. Hrsg. von A. Mitscherlich, A. Richards und J. Strachey. Bd. IV. Frankfurt 1970.

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  29. Bertau, Karl: Deutsche Literatur im europäischen Mittelalter. Bd. I. München 1971, S. 561.

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  30. Ich zitiere in Klammern im laufenden Text nach der Ausgabe: Eilhart von Oberge: Tristrant, hrsg. von Franz Lichtenstein (= Quellen und Forschungen zur Sprach-und Culturgeschichte, XIX). Strassburg 1877, V. 5031 f.: »Tristrant in dem hofe gebôt swaz her selbe wolde«.

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  31. So zuletzt Johnson, L. Peter: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit. Bd. II, 1. Königstein/Ts. 1999, S. 274.

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  32. Zur rituellen Funktion der nächtlichen Randale junger Männer im Spätmittelalter vgl. Schindler, Norbert: Nächtliche Ruhestörung. Zur Sozialgeschichte der Nacht in der frühen Neuzeit. Frankfurt a.M. 1992, S. 215–257;

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  33. und Röcke, Werner: »Ehekrieg und Affentanz. Rituale der Gewalt und Gewaltvermeidung in der komischen Literatur des späten Mittelalters.« In: Historische Anthropologie. Kultur — Gesellschaft — Alltag 3 (2002), S. 354–373 (vor allem: S. 371–373).

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  34. Vgl. dazu den Überblick von Mertens, Volker: Der deutsche Artusroman. Stuttgart 1998, S. 145 ff.

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Röcke, W. (2004). Spielräume der Interpretation. Sündenbockrituale und Inszenierungen der Gewaltvermeidung in Literatur und Kultur des Mittelalters. In: Erhart, W. (eds) Grenzen der Germanistik. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05570-5_18

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