Einführung

Zusammenfassung

Wer einen Blick auf die Architektur dieses Symposions wirft, mag sich fragen, warum wir die Fragen der Wissenschaftsgeschichte an den Anfang gestellt haben. Kommt die Geschichte nicht immer zuletzt, in der Abenddämmerung, wenn die Eule der Minerva ihre Schwingen breitet? Walter Erhalt hat eine Antwort auf diesen Einwurf schon gegeben: Die Geschichte seiner selbst ist für unser Fach der »institutionalisierte Ort der Selbstreflexion«. Das bedeutet, dass sie nicht nur resümiert, was gewesen ist, nicht nur die Ernte des Geleisteten in die Scheuer fährt, sondern auch an der Entwicklung von Perspektiven für die Zukunft arbeitet. So jedenfalls war es gemeint, als Eberhard Lämmert, vor nunmehr 32 Jahren, die Institutionalisierung der Fachgeschichte zu begründen hatte.¹ Im April 1972 wurde die »Arbeitsstelle zur Erforschung der Geschichte der Germanistik«, angesiedelt im »Deutschen Literaturarchiv« zu Marbach am Neckar, eröffnet, mit einer Rede unter dem Titel »Wissenschaftsgeschichte und Forschungsplanung«. Der Durchgang durch die Rekonstruktion der Geschichte sollte der Disziplin die Kriterien für die rationale Planung ihrer Zukunft an die Hand geben. Daran ist zweierlei bemerkenswert: zum einen die Zuversicht, mit der Lämmert davon ausging, dass Forschung sich überhaupt planen lasse. Lehrt uns die Geschichte der Germanistik nicht viel eher, dass sich entscheidende Weichenstellungen dem Zusammenspiel durchaus kontingenter Faktoren verdanken?