Skip to main content

Nach Chomsky. Überlegungen zu einer symboltheoretisch fundierten Linguistik

  • Chapter
Rhetorik

Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

  • 353 Accesses

Zusammenfassung

Die theoretische Gestalt, die die Sprachwissenschaft im 20. Jahrhundert gewonnen hat, ist Resultat einer Entwicklung, die man durchaus zurecht unter dem Titel einer Entrhetorisierung der Geisteswissenschaften subsumieren kann. Schon bei F. de Saussure und im frühen Strukturalismus, dezidiert dann bei Noam Chomsky ist eine Vernachlässigung der Performanz als theoretischen Gegenstandes der Disziplin zu konstatieren.1 Wie immer dies begründet sein mochte — diese Entwicklung hat die Linguistik nicht nur von der Philologie emanzipiert, sie hat sie jedem rhetorischen Verständnis von Sprache entfremdet. Denn die Performanz steht im Zentrum, ist Gegenstand einer jeden Rhetorik. Darstellung, so die Quintessenz der Symboltheorie Nelson Goodmans, ist an Performanz gebunden.2 Von dieser Ebene — in Saussures Terminologie der parole — hat sich die Linguistik mit der von Chomsky eingeleiteten Wende der Disziplin hin zu einer Kognitionswissenschaft so weit entfernt, daß die sprachliche Performanz aus dem Kreis möglicher Gegenstände der Sprachtheorie gänzlich ausgeschlossen scheint. Die Metaphysik dieses Paradigmas folgt gänzlich dem von Ryle beschriebenen Mythos vom Geist in der Maschine.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 99.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Hardcover Book
USD 109.00
Price excludes VAT (USA)
  • Durable hardcover edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Notizen

  1. Vgl. Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie. Übersetzt von Bernd Philippi. Frankfurt/M. 1997, S. 140: »Prinzipiell ist Erfüllung [eines gegebenen Symbolschemas, Ch. St.] mit einer Inskription verbunden«, d. h. mit der performativen Instantiierung eines Charakters. Goodmans Symboltheorie setze ich im folgenden voraus, ohne sie hier explizit einzuführen. Als knappe Orientierung sei verwiesen auf Goodmans Beitrag »Rerepräsentierte Repräsentation« in

    Google Scholar 

  2. Goodman, Nelson/Elgin, Catherine Z.: Revisionen: Philosophie und andere Künste und Wissenschaften. Frankfurt/M. 1989. Zu den Begriffen Symbolschema und Symbolsystem vgl. N. Goodman: Sprachen der Kunst, S. 128 ff.; N. Goodman/C. Elgin: Revisionen, S. 165 ff.

    Google Scholar 

  3. Vgl. hierzu Stetter, Christian: »Am Ende des Chomsky-Paradigmas — zurück zu Saussure?« In: Cahiers Ferdinand de Saussure 54 (2001), S. 219–267.

    Google Scholar 

  4. Vgl. hierzu Stetter, Christian: »Der Käfer in der Schachtel: Das Privatsprachen-problem und die Universalgrammatik«. In: Lili 29 (1999), Heft 115, S. 37–66.

    Google Scholar 

  5. Vgl. hierzu grundlegend schon Simon, Josef: Philosophie und linguistische Theorie. Berlin, New York 1971; darauf aufbauend

    Book  Google Scholar 

  6. Stetter, Christian: Schrift und Sprache. Frankfurt/M. 1997, Kap. 5.

    Google Scholar 

  7. Diesen Anspruch der generativen Theorie hat sehr klar Grewendorf in einer Arbeit verdeutlicht, die zu der hier diskutierten Käfer-in-der-Schachtel-Aporie in engem thematischem Bezug steht. Vgl. Grewendorf, Günther: Sprache als Organ — Sprache als Lebensform. Anhang: Interview mit Noam Chomsky: Über Linguistik und Politik. Frankfurt/M. 1995, S. 60 ff., dazu meine Diskussion der Interpretation, die Grewendorf dort dem Privatsprachenproblem gibt, in C. Stetter: »Der Käfer in der Schachtel« (s. Anm. 4). Ich kann hier die logische Problematik dieser Methodologie nicht weiter diskutieren. Im Kern läuft sie darauf hinaus, daß sie aus verschiedenen Gründen die Falsifikation einer hypothetisch angenommenen UG-Eigenschaft so gut wie ausschließt: Je komplexer die theoretischen Vorannahmen eines »Experiments« werden, desto schwieriger wird zu entscheiden, worauf ein negativer Ausgang zurückzuführen ist. Belegen läßt sich eine theoretische Annahme durch Beispielsätze ohnehin nicht. Daß dies ein Trugschluß ist, hat schon Aristoteles gezeigt, vgl. Aristoteles: Rhetorik. II, 20, 1394a.

    Google Scholar 

  8. Zurecht hat daher Saussure den Satz als Element der parole begriffen. Vgl. de Saussure, Ferdinand: Cours de linguistique générale. Édition critique préparée par Tullio de Mauro. Paris 1974, S. 172, im folgenden: CLG.

    Google Scholar 

  9. Vgl. Ryle, Gilbert: The Concept of Mind. London 1963. (Dt.: Der Begriff des Geistes. Stuttgart 1969), Kap. 1.

    Google Scholar 

  10. Vgl. Popper, Karl R./Eccles, John C.: Das Ich und sein Gehirn. München, Zürich 81989, S. 64 ff.

    Google Scholar 

  11. Den klassische Beleg liefert Platons Theaitetos mit dem sokratischen Mythos von den einfachen, nichts mehr bedeutenden Urelementen. Vgl. Platon: Theaitetos. In: ders.: Werke in 8 Bänden. Griechisch und Deutsch. Hg. von Gunther Eigler. Darmstadt 1990, 201e ff.

    Google Scholar 

  12. Vgl. hierzu Jakobson, Roman: Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze. Frankfurt/M. 1969.

    Google Scholar 

  13. Vgl. hierzu Stetter, Christian: »Linguistische Ästhetik: Zum mimetischen und logischen Gebrauch der Schrift«. In: Borsò, Vittoria et al. (Hg): Schriftgedächtnis — Schriftkulturen. Stuttgart, Weimar 2002, S. 219–237. Im Sinne der Goodmanschen Notationstheorie ist die parole als Lautereignis syntaktisch ›dicht‹. Vgl. N. Goodman: Sprachen der Kunst (s. Anm. 2), S. 128 ff.

    Chapter  Google Scholar 

  14. In der Sprachphilosophie Herders und W. von Humboldts finden sich dagegen durchaus schon Reflexionen, wo dieser Tatbestand berührt wird. Vgl. Humboldt, Wilhelm von: »Ueber die Buchstabenschrift«. In: ders.: We rke in fünf Bänden. Hg. von Andreas Flitner und Klaus Giel. Bd. III. Darmstadt 1960 ff., S. 89 ff. (im folgenden: WW III)

    Google Scholar 

  15. Geleistet ist diese Protologik im Kratylos. Vgl. hierzu Lorenz, Kuno/Mittelstraß, Jürgen: »On Rational Philosophy of Language: The Programme in Plato’s Cratylus Reconsidered«. In: Mind 76, No. 301 (1967), S. 1–20 und C. Stetter: Schrift und Sprache (s. Anm. 6), S. 322 ff.

    Article  Google Scholar 

  16. Die Eingangsdefinition von Perì hermeneías 16a hat also den schlichten logischen Zweck, den allgemeinen Begriff von Extension zu formulieren, den Aristoteles für seine logische Semantik braucht, die eine Klassenlogik ist. Das páthema tes psychés, das in der christlichen Tradition dann zum conceptus mutiert (vgl. Ockham, Wilhelm von: Summa Logica, In: ders.: Texte zur Theorie der Erkenntnis und der Wissenschaft. Lateinisch/Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Ruedi Imbach. Stuttgart 1984, I, 1, 2 f.), ist bei Aristoteles nichts als die Extension des sprachlichen Namens. In den Kategorien, Kap. III, ist dies bereits vorausgesetzt. Ohne diese Voraussetzung wäre die im I V. Kapitel der Kategorien getroffene Auszeichnung der ersten ousía als eines Seienden, das niemals selbst ausgesagt werden kann, sondern von dem nur etwas ausgesagt werden kann, undenkbar.

    Google Scholar 

  17. Grundlegend der Dualis und die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaus. Vgl. hierzu Borsche, Tilman: Sprachansichten. Der Begriff der menschlichen Rede in der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts. Stuttgart 1981, S. 277 ff.; Di

    Google Scholar 

  18. Cesare, Donatella: »Wilhelm von Humboldt«. In: Borsche, Tilman (Hg.): Klassiker der Sprachphilosophie. Von Platon bis Noam Chomsky. München 1996. S. 275–289 und C. Stetter: Schrift und Sprache (s. Anm. 6), S. 491 ff.

    Google Scholar 

  19. Dies ist zweifellos schon bei Herder der Fall. Man vgl. etwa Teil I, 3 seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache (Herder, Johann G.: Frühe Schriften 1764–1772. Hg. von Ulrich Gaier. Frankfurt/M 1985 (= Werke in zehn Bänden, hg. von Martin Bollacher et al., Bd. 1), S. 733 ff.

    Google Scholar 

  20. Vgl. Humboldt, Wilhelm von: »Grammatischer Bau«. In: ders.: Gesammelte Schriften. 17 Bde. Hg. von Albert Leitzmann et al. Berlin 1903 ff. Photomech. Nachdr. Berlin 1968, Bd. VI, S. 346 ff.; dazu C. Stetter: Schrift und Sprache (s. Anm. 6), S. 491 ff.

    Google Scholar 

  21. Vgl. hierzu Stetter, Christian: »Ferdinand de Saussure«. In: Dascal, Marcelo/Gerhardus, Dietfried/Lorenz, Kuno/Meggle, Georg (Hg.): Sprachphilosophie. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 1. Halbbd. Berlin, New York 1992, S. 510–523 (hier: S. 511 ff.).

    Google Scholar 

  22. Das Morphem ist für Saussure Zeichen: »Le vrai nom de morphologie serait: La theorie des signes — et non des formes …« (de Saussure, Ferdinand: Cours de linguistique générale. Édition critique par Rudolf Engler. Wiesbaden 1967 ff., N 7, fasc. 4, S. 17).

    Google Scholar 

  23. Vgl. zur wissenschaftstheoretischen Charakterisierung dieses Modells i. e. Schneider, Hans J.: Phantasie und Kalkül. Über die Polarität von Handlung und Struktur in der Sprache. Frankfurt/M. 1992, S. 41 ff.

    Google Scholar 

  24. Vgl. hierzu die in Krämer und König (Krämer, Sybille/König, Ekkehard (Hg.): Gibt es eine Sprache hinter dem Sprechen? Frankfurt/M. 2002) versammelten Beiträge.

    Google Scholar 

  25. Vgl. hierzu auch Putnam, Hilary: Repräsentation und Realität. Übersetzt von Joachim Schulte. Frankfurt/M. 1991.

    Google Scholar 

  26. Vgl. hierzu etwa Spitzer, Manfred: Geist im Netz. Modelle für Lernen, Denken und Handeln. Darmstadt 1996.

    Google Scholar 

  27. Vgl. Leroi-Gourhan, André: Hand und Wort. Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst. Frankfurt/M. 21984.

    Google Scholar 

  28. Vgl. Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. In: ders.: Werkausgabe in acht Bänden. Bd.I, Frankfurt/M. 1984, 243 ff., C. Stetter: Schrift und Sprache (s. Anm. 6), S. 571 ff.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Editor information

Jürgen Fohrmann

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2004 Springer-Verlag GmbH Deutschland

About this chapter

Cite this chapter

Stetter, C. (2004). Nach Chomsky. Überlegungen zu einer symboltheoretisch fundierten Linguistik. In: Fohrmann, J. (eds) Rhetorik. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05569-9_10

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05569-9_10

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-02009-3

  • Online ISBN: 978-3-476-05569-9

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics