Zusammenfassung
Versteht man Autorschaft im modernen Sinn — mit Signatur,1 Copyright,2 Individualitäts- und Originalitätsanspruch3 — als »Effekt« der Druckgeschichte4 sowie eines Buchmarktes und eines Subjektbegriffs, die sich im 18. Jahrhundert in spezifischer Weise formieren, so mag dieser Effekt ins Wanken geraten: in dem Moment, in dem das vermeintliche Ende der »Gutenberg-Galaxis« droht, die Ökonomie des Buchmarktes durch die vorgeblich anarchischen Strategien des Internets ausgehebelt scheint und das ›Ende des Subjekts‹ im Web nun endgültig erreicht sein könnte.5
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Notizen
Foucault, Michel: »Was ist ein Autor?« In ders: Schriften zur Literatur. Frankfurt/M. 1991, S. 7–31, S. 14.
Barthes, Roland: »La mort de l’auteur.« In ders.: Le bruissement de la langue. Essais critiques IV. Paris 1984, S. 63–69, S. 64f.
Man mag sich darüber streiten, ob die Autorinnen, die im Zuge des »Fräuleinwunders« der neunziger Jahre von den Verlagen marktstrategisch gesucht und entdeckt wurden, eine Ausnahmeerscheinung bilden oder eine neue, bevorzugte Positionierung von (jungen) Schriftstellerinnen im Literaturbetrieb markieren. Vgl. hierzu etwa Mora, Terézia: »Das sind unsere 15 Sekunden! Goldene Zeiten für Literatur (II).« In: taz (6./.7. 05. 2000), S. 13;
Tuschick, Jamal: »Die Trickser des Sekundären. Goldene Zeiten für Literatur (VII).« In: taz (10. 06. 2000), S. 13/14.
Hix, H. L.: Morte d’Author. An Autopsy. Philadelphia 1990;
Lamarque, Peter: »The Death of the Author. An Analytical Autopsy.« In: British Journal of Aesthetics 30 (1990), S. 319–331.
Burke, Sean: The Death and Return of the Author. Criticism and Subjectivity in Barthes, Foucault and Derrida. Edinburgh 1992;
Vgl. Biriotti, Maurice: »Introduction: authorship, authority, authorisation.« In: Biriotti, Maurice/Miller, Nicola (Hg.): What is an author? Manchester/New York 1993, S. 1–18, S. 2.
Müller, Jan-Dirk: »Auctor — actor — author. Einige Anmerkungen zum Verständnis von Autor in lateinischen Schriften des frühen und hohen Mittelalters.« In Ingold, Felix Philipp/Wunderlich, Werner (Hg.): Der Autor im Dialog. Beiträge zu Autorität und Autorschaft. St. Gallen 1995, S. 17–32, S. 20.
Schlegel, Friedrich: »Fragmente zur Poesie und Literatur. Erster Teil.« In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hg. von Ernst Behler u. a., Bd. 16, hg. von Hans Eichner. Paderborn u.a. 1981, Nr. 643, S. 139.
Die aus Lesern selbst wieder neue Autoren macht, wie auch Schlegel bemerkt. S. Kittler, Friedrich A.: Aufschreibesysteme. 1800/1900. 2., erw. u. korr. Aufl. München 1987, S. 115 u. S. 124.
Schlegel, Friedrich: »Kritische Fragmente [Lyceums-Fragmente].« In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe (s. Anm. 13). Bd. 2: Charakteristiken und Kritiken I. Hg. von Hans Eichner. München u. a. 1967, Nr. 68, S. 155.
Higonnet, Margaret: »Verräterischer Diebstahl. Authentizität, Autorität und männliche Angst in der englischen Romantik.« In Schabert, Ina/Schaff, Barbara (Hg.): Autorschaft. Genus und Genie in der Zeit um 1800. Berlin 1994, S. 157–174, S. 162.
Darin besteht spätestens seit Edward Young der feine Unterschied zwischen den ›originals‹ und den ›imitators‹: Young, Edward: »Conjectures on Original Composition [1759].« In Burke, Sean: Authorship: From Plato to the Postmodern. A Reader. Edinburgh 1995, S. 37–42, S. 37 und S. 38f.
Wolf, Gerhard: »Autopoiesis und Autorpoesie. Zur Funktion des Autor in frühneuzeitlichen Hauschroniken.« In: Ingold, Felix Philipp/Wunderlich, Werner (Hg.): Fragen nach dem Autor. Positionen und Perspektiven. Konstanz 1992, S. 61–72, S. 64.
Vgl. Howard, Rebecca Moore: Standing in the Shadows of Giants. Plagiarists, Authors, Collaborators. Stanford, Conn. 1999, S. 58.
Die zudem meist untergründig bleiben oder jedenfalls nicht problematisiert werden. Vgl. etwa Japp, Uwe: »Der Ort des Autors in der Ordnung des Diskurses.« In Fohrmann, Jürgen/Müller, Harro (Hg.): Diskurstheorien und Literaturwissenschaft. Frankfurt/M. 1988, S. 223–234, der die verschiedenen Autorschaftskonzepte ebenfalls dichotomisch ordnet: »Im Grunde handelt es sich um zwei rivalisierende Poetiken oder Theorien des Schreibens, die den Autor einerseits im Schatten seiner institutionellen Bedingtheit, andererseits im Licht seiner individuellen Unbedingtheit zeigen.« (S. 225) Was aber Licht, und was Schatten sei, das bestimmt sich nicht nur kulturgeschichtlich, sondern auch gesellschaftspolitisch stets neu.
Bloom, Harold: The Anxiety of Influence. A Theory of Poetry. London/Oxford/New York 1973.
Christensen, Jerome: Lord Byron ’s Strength. Romantic Writing and Commercial Society. Baltimore/London 1993, S. xxii: »Bloom’s strong poet is a marvelously articulate, fully paranoid construction.«
Novalis: »Das Allgemeine Brouillon.« In Novalis: Schriften. Hg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel. 2., nach den Handschriften erg. u. verb. Aufl. Bd. 3: Das philosophische Werk II. Hg. von Richard Samuel. Darmstadt 1968, Nr. 571, S. 365.
Novalis: »Vermischte Bemerkungen.« In: Novalis: Schriften (s. Anm. 28). Bd. 2: Das philosophische Werk I. Hg. von Richard Samuel. Darmstadt 1965, Nr. 125, S .470.
Novalis: »Monolog« (s. Anm. 30), S. 672f. Hinter dem Vergleich von sprachlichen und mathematischen Zeichen verbirgt sich auch ein Modell der Kombinatorik, auf das später noch eingegangen wird. Vgl. dazu: Neubauer, John: Symbolismus und smbolische Logik. Die Idee der ars combinatoria in der Entwicklung der modernen Dichtung. München 1978.
Goethe, Johann Wolfgang von: »Plato als Mitgenosse einer christlichen Offenbarung.« In ders.: Werke. (Hamburger Ausgabe) Bd. 12. München 1988, S. 244–249, Zitate: S. 245, S. 247, S. 246.
Zur rhetorischen Komplexität des »Monologs« s. die akribische Analyse von Drügh, Heinz J.: Anders-Rede. Zur Struktur und historischen Systematik des Allegorischen. Freiburg i.Br. 2000, S. 162–181.
Riffaterre, Michael: Text Production. Translated by Terese Lyons. New York 1983, S. 2.
Wimsatt, William K./Beardseley, Monroe C.: »The Intentional Fallacy (1946).« In: Wimsatt, William K.: The Verbal Icon. Studies in the Meaning of Poetry. Lexington 1954, S. 3–18.
Etwa der berühmten Hyperfiction »Afternoon« von Michael Joyce. Zwar sind die verschiedenen Lektüren systembedingt und vom Autor vorgegeben, dennoch realisieren sie durch ihre Navigation jeweils Texte, die sich von denen anderer User unterscheiden. Dies ist jedoch nicht allein ein Akt des Lesens, sondern auch ein Akt der Bewegung innerhalb des digitalen Mediums. Vgl. dazu. Aarseth, Espen J: Cybertext. Perspectives on Ergodic Literature. Baltimore/London 1997, S. 77 (»Afternoon«), S. 173 (User vs. Leser) und S. 78f. (Barthes’ Konzept des tmetischen Lesens vs. hyperlineares Lesen). Vgl. außerdem Winko, Simone: »Lost in hypertext? Autorkonzepte und neue Medien.« In: Rückkehr des Autors (s. Anm. 3), S. 511–533.
Vgl. auch Bosse, Heinrich: »Der Autor als abwesender Redner.« In: Goetsch, Paul (Hg.): Lesen und Schreiben im 17. und 18. Jahrhundert. Tübingen 1994, S. 277–290, S. 288f.
Beide Zitate nach Goethe, Johann Wolfgang von: Dichtung und Wahrheit. Teil IV. In ders.: Werke (Hamburger Ausgabe). Bd. 10. München 1988, S. 78.
Vgl. Kleinschmidt, Erich: Autorschaft. Konzepte einer Theorie. Tübingen/Basel 1998, S. 43.
Valéry, Paul: »Au sujet de Cimetière marin.« In ders.: Œuvres. Hg. von Jean Hytier. Bd. 1. Paris 1992, S. 1496–1507, S. 1507.
Vgl. dazu auch Moritz, Karl Philipp: »Von der bildenden Nachahmung des Schönen.« In ders.: Werke, Bd. 2. Frankfurt/M. 1997, S. 961.
Schiller, Friedrich: »Über Bürgers Gedichte.« In ders.: Werke und Briefe in zwölf Bänden. Bd. 8: Theoretische Schriften. Hg. von Rolf-Peter Janz. Frankfurt/M. 1992, S. 972–988, S. 974.
Chartier, Roger: »Figures of the Author.« In: Sherman, Brad/Strowel, Alain (Hg.): Of Authors and Origins. Essays on Copyright Law. Oxford 1994, S. 7–22, S. 21.
Kimmelman, Alain: The Poetics of Authorship in the Later Middle Ages. The Emergence of the Modern Literary Persona. New York u.a. 1996, S. 3–6.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: »Vorlesungen über die Ästhetik III.« In ders.: Werke, Bd. 15. Frankfurt/M. 1986, S. 338.
Damit impliziert Hegel eben jene Kulturnation, die Goethe 1795 noch negiert: Goethe, Johann Wolfgang von: »Literarischer Sansculottismus.« In ders.: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespäche. Abt. I, Bd. 18: Ästhetische Schriften 1771–1805. Hg. von Friedmar Apel. Frankfur a.M. 1998, S. 319–324, S. 320f.
Damit widerspricht Hegel letztlich der Auffassung von Moritz, daß der Stil eine Repräsentationsform des Genies ist (s. Anm. 59): Der »Geist« ist gerade deshalb ausschlaggebend, weil der Stil kopiert werden kann und auf diese Weise »hundert und aber hundert Gedichte in Goethescher Weise« entstehen. Hegel, »Vorlesungen zur Ästhetik« (s. Anm. 71), S. 337. Im digitalen Zeitalter übernehmen dies Programme: Müller, Ulrich: »Poetik-Maschine SARA.« In: Söring, Jürgen/Sorg, Reto (Hg.): Androiden. Zur Poetologie der Automaten. 6. Internationales Nürnberger Kolloquium 1994. Frankfurt/M. u.a. 1997, S. 223–229.
Vgl. hierzu Plumpe, Gerhard: Ästhetische Kommunikation der Moderne. Bd. 1: Von Kant bis Hegel. Opladen 1993, S. 45.
Gervinus, Georg Gottfried: Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen. 5 Bde. Leipzig 1835–1842. Bd. 1, S. 7 und Bd. 5, S. 398.
Hierzu und zur Installation Goethes als Nationalauator im 19. Jahrhundert s. Gille, Klaus F.: Zwischen Kulturrevolution und Nationalliteratur. Gesammelte Aufsätze zu Goethe und seiner Zeit. Hg. von Hannelore Scholz. Berlin 1998, S. 279–303.
Vgl. außerdem: Nutz, Maximilian: »Das Beispiel Goethe. Zur Konstituierung eines nationalen Klassikers.« In: Fohrmann, Jürgen/Voßkamp, Wilhelm (Hg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert. Stuttgart/Weimar 1994, S. 605ff.
Brinker-Gabler, Gisela: »Vom nationalen Kanon zur postnationalen Konstellation.« In: Heydebrand, Renate von (Hg.): Kanon Macht Kultur. Theoretische, historische und soziale Aspekte ästhetischer Kanonbildungen. DFG-Symposion 1996. Stuttgart/Weimar 1998, S. 78–96, S. 83.
Benjamin, Walter: »Der Autor als Produzent.« In ders.: Aufsätze, Essays, Vorträge. Gesammelte Schriften. Bd.II,2. Hg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser.Frankfurt/M. 1991, S. 683–701, Zitate: S. 689, S. 695.
Zaimoglu, Feridun: »Knabenwindelprosa. Überall wird von der deutschen Popliteratur geschwärmt. Aber sie ist nur reaktionäres Kunsthandwerk. Eine Abrechnung.« In: Die Zeit 47 (18. 11. 1999), S. 56;
Hörner, Wolfgang: »Das faszinierende Stimmengewirr. Goldene Zeiten für Literatur (VI).« In: taz 6159 (5. 6. 2000), S. 13. Zur Entwicklung der Popliteratur s. auch: Ernst, Thomas: Popliteratur. Reinbek 2001.
Breton, André: »Erstes Manifest des Surrealismus.« In: Surrealismus in Paris 1919–1939. Hg. von Karlheinz Barck. Leipzig 1990, S. 82–120, S. 105.
Truffaut, François: »Une certaine tendance du cinéma française.« In: Cahiers du Cinema 31 (1954), S. 15–28;
vgl. dazu auch: Kamp, Werner: Autorenkonzepte und Filminterpretation. Frankfurt/M. 1996.
Porschardt, Ulf: DJ-Culture. Diskjockeys und Popkultur. Reinbek 1997, etwa S. 33–37.
«Warum denn nicht? Warum die Arbeit eines DJ so gering schätzen, warum die eigene Autorität derjenigen des Komponisten unterordnen: […] der DJ wird zum Komponisten, sogar im Sinne des Autorenrechts.« Westbam: Mix, Cuts & Scratches. Mit Rainald Goetz. Berlin 1997, S. 56f.
Böhm, Andrea: »Zwischen die Fronten geraten. Derek Walcott, Michael Ondaatje, Rafik Schami: Die Literatur verarbeitet die Entwurzelungen von Menschen multiethnischer Herkunft.« In: Die Zeit 8 (18. Feb. 1999), S. 16.
Knipphals, Dirk: »Der Erfolg und sein Schrecken. Goldene Zeiten für Literatur (I): Der Hype um die jungen Schriftsteller will verarbeitet sein. Was dem Betrieb nicht gelingt.« In: taz (29./30. April, 1. Mai 2000), S. 13.
Siems, Christof: »Schwäne im goldenen Nebel. Was verbindet die neuen deutschen Literaten? Ein Autorentreffen in Tutzing.« In: Die Zeit (6. April 2000), S. 48.
Im Gegensatz dazu sah Harald Weinrich neben der Sprache noch die Geschichte als Bestandteile eines solchen Konzeptes: Weinrich, Harald: »Um eine deutsche Literatur von außen bittend.« In: Merkur 37 (1983), S. 911–920.
Biller, Maxim: »Feige das Land, schlapp die Literatur. Über die Schwierigkeiten beim Sagen der Wahrheit.« In: Die Zeit 16 (13. 04. 2000), S. 47–49, S. 49.
Stuckrad-Barre, Benjamin von: Soloalbum. Köln 1998.
Ausdrücklich beruft sich Biller auf Bertolt Brecht, während er Literatur zum Ort »metaphysischer Wut« und »Gegnerschaft« auf dem Feld der Moral deklariert. Biller: »Feige das Land …« (s. Anm. 109), S. 48. Doch scheint Biller sich ebenso an der Selbstbeschreibung und an den Autoren der Neuen Sachlichkeit zu orientieren. Vgl. dazu Baureithel, Ulrike: »Masken der Virilität. Kulturtheoretische Strategien zur Überwindung des männlichen Identitätsverlustes im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.« In: Die Philosophin 4 (1993), H.8, S. 24–35, S. 30.
Die aber nichtsdestotrotz stets neu gezogen werden müssen: William Wordsworths Poems, in Two Volumes etwa können als »namby-pamby«, »babyish«, »theme of an unpracticed schoolboy« und sogar als »trash« erscheinen, weil sich Wordworth in den Augen des Kritikers als »bad imitator« erweist. The Edinburgh Review or Critical Journal 11 (1908), S. 214–231. Den Hinweis verdanke ich Tobias Fabricius (München). Im deutschsprachigen Raum gibt es eine durchaus vergleichbare Rhetorik der Infantilisierung. So wertet z. B. Gervinus die Romantik im Rückblick als »Kinderspiele seiner [Goethes] Knabenjahre«. In: Gervinus, Geschichte der poetischen Nationalliteratur … (s. Anm. 83), Bd. 5. Leipzig 1842, S. 699.
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Herrmann, B. (2002). »So könnte dies ja am Ende ohne mein Wissen und Glauben Poesie sein?« — Über ›schwache‹ und ›starke‹ Autorschaften. In: Detering, H. (eds) Autorschaft: Positionen und Revisionen. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05568-2_26
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