Zusammenfassung
Die Beurteilung von Überlieferungsvarianten mittelalterlicher deutscher Texte als Korruptele, Versehen oder Missverständnisse von Schreibern, als bewusst vorgenommene Änderungen, die vom Autor selbst oder von späteren Rezipienten stammen, als Ausdruck eines an sich instabilen Textes in einer Zeit, der die Kategorie Autor fremd gewesen sei, das sind Positionen, die in der ›alten‹ und ›neuen‹ Philologie mit unterschiedlichen Akzenten vertreten werden,1 und zwar überwiegend auf nicht pragmatische Literatur bezogen.2 Meist soll die Diskussion klären, welcher Wert den Veränderungen in Relation zu einem vorangehenden Ausgangstext zukommt und welche Bedeutungsverschiebungen sie bewirken. Kaum bedacht wird, worin die Voraussetzungen für die Beweglichkeit der Texte bestehen und wie sich die Varianz in die mittelalterlichen Wertmaßstäbe einordnen lässt. Diesen Fragen gelten die folgenden Überlegungen. Dabei soll die Betrachtung von Texten aus dem rechtssprachlichen Bereich zeigen, dass die angesprochenen Überlieferungs-probleme pragmatische wie nicht pragmatische Literatur gleichermaßen betreffen.
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Literatur
Ruth Schmidt-Wiegand, »Rechtssprache«, in: HRG 4, 1990, Sp. 344–360, bes. Sp. 344.
Eberhard von Künßberg, »Die deutsche Rechtssprache«, Zs. f. Deutschkunde 44, 1930, S. 379–389.
Wolfgang Raible, »Rechtssprache. Von den Tugenden und Untugenden einer Fachsprache«, in: Die Sprache des Rechts und der Verwaltung, hg. v. I. Radtke, Stuttgart 1981, S. 20–43 passim.
Jacob Grimm, »Von der Poesie im Recht«, Zs. f. geschichtl. Rechtswiss. 2, 1815, S. 25–99, Nachdr. Darmstadt 1972.
Dorothea Heller, »Idiomatik«, in: Lexikon der Germanistischen Linguistik, hg. v. H. E. Wiegand, 2. Aufl., Tübingen 1980, S. 180–186, bes. S. 184f.
Stefan Sonderegger, »Die Sprache des Rechts im Germanischen«, Schweizer Monatshefte 42, 1962, S. 259–271.
Z. B. Hans Fehr, Kunst und Recht III. Die Dichtung im Recht, Bern 1936.
Karl Siegfried Bader, »Recht–Geschichte–Sprache. Rechtshistorische Betrachtungen über Zusammenhänge zwischen drei Lebens- und Wissensgebieten«, Hist. Jb. 93, 1973, S. 1–20, bes. S. 17.
Otto Ludwig, »Synonymabildung in Formeln der Rechtssprache«, Zeitschrift für Mundartforschung 13 1937, S. 215–222, bes. S. 221.
Vgl. Dennis Green, »Hören und Lesen. Zur Geschichte einer mittelalterlichen Formel«, in: Erscheinungsformen kultureller Prozesse, hg. v. W. Raible, Tübingen 1990 (ScriptOralia 13 ), S. 23–44.
S. z. B. Ahasver von Brandt, Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften, Stuttgart/Berlin/Köln, 15. Aufl. 1998, S.97– 143.
Z.B. Leo Santifaller, Urkundenforschung. Methoden. Ziele. Ergebnisse, 4. Aufl. Köln/Wien 1986.
Jan-Dirk Müller, Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes, Tübingen 1998, S. 27.
Peter Csendes, »Studien zum Urkundenwesen Kaiser Friedrichs II.«, MIÖG 88, 1980, S. 113–130, bringt S. 117ff. eine vergleichende Artikelanordnung.
Einen Forschungsüberblick bietet Arno Buschmann, »Landfriede und Verfassung. Zur Bedeutung des Mainzer Reichslandfriedens von 1235 als Verfassungsgesetz«, in: Österreichs Rechtsleben in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Ernst C. Hellbling zum 80. Geburtstag, hg. v. der Rechtswiss. Fak. d. Univ. Salzburg, Berlin 1981, S. 449–472, bes. S. 450ff.
Vgl. Peter Johanek, »Rechtsschrifttum«, in: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter 1250–1370. 2. Teil. Reimpaargedichte, Drama, Prosa, hg. v. I. Glier, München 1987, S. 396–431, bes. S. 399.
Elmar Wadle, »Frühe deutsche Landfrieden«, in: Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, hg. v. H. Mordek, Sigmaringen 1986, S. 71–93, bes. S. 80 f.
Vgl. Ursula Schulze, Lateinisch-deutsche Parallelurkunden des 13. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Syntax der mittelhochdeutschen Urkundensprache, München 1975 (Medium aevum: Philologische Studien 30 ), S. 33–103.
Z.B. Ruth Schmidt-Wiegand, »Die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels als Zeugen pragmatischer Schriftlichkeit«, FMSt 90, 1988, S. 357–387.
Michael Curschmann, »Pictura laicorum litteratura? Überlegungen zum Verhältnis von Bild und volkssprachlicher Schriftlichkeit im Hoch- und Spätmittelalter bis zum Codex Manesse«, in: Pragmatische Schriftlichkeit (Anm. 2), S. 211–229, bes. S.227.
Vgl. dazu auch Horst Wenzel, Hören und Sehen. Schrift und Bild. Kultur und Gedächtnis im Mittelalter, München 1995, bes. S. 465.
Anders urteilt Konrad Ehlich, »Text und sprachliches Handeln. Die Entstehung von Texten aus dem Bedürfnis nach Überlieferung«, in: Schrift und Gedächtnis, hg. v. A. u. J. Assmann/Chr. Hardmeier, München 1983, S. 24–43, bes. S. 38, der nach der Materialisierung mit der Schrift den Verlust der personalen Vermittlung hervorhebt.
Christian Stetter, »Orthographie als Normierung des Schriftsystems«, in: Schrift und Schriftlichkeit, hg. v. H. Günther/O. Ludwig, Berlin/New York 1994, 1. Halbbd., S. 687–697, bes. S. 690.
Konrad Lorenz, Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte menschlichen Erkennens, München/Zürich 1997.
Vgl. Mary Carruthers, The Book of Memory. A Study of Memory in Medieval Culture, Cambridge 1990, bes. S. 189 f.
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Schulze, U. (2001). Varianz und Identität in rechtssprachlichen und dichterischen Texten. In: Peters, U. (eds) Text und Kultur. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05567-5_4
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