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Wirklichkeiten zwischen Literatur, Malerei und Sozialforschung

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Konzepte der Moderne

Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

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Zusammenfassung

Wirklichkeit, bemerkte Hans Blumenberg, sei »das, was einer Epoche als das Selbstverständlichste und Trivialste von der Welt erscheint und was auszusprechen ihr nicht der Mühe wert wird, was also gerade deshalb die Stufe der überlegten Formulierung kaum je erreicht«.1 Aber spätestens im 20. Jahrhundert wurde Wirklichkeit zum problematischen Objekt der Reflexion. Denn Wirklichkeit, so könnte man mit Blumenbergs historischer Typologie der Wirklichkeitsbegriffe sagen, war jetzt alles andere als jene selbsteigene, authentische und gerade darin unwidersprechliche »Realität der momentanen Evidenz« wie in der Antike. Aber Wirklichkeit war auch nicht mehr jene »garantierte Realität« des Mittelalters, deren transzendente Garantieinstanz via Säkularisierung philosophisch im Konzept der universellen Vernunft und politisch im Konzept der Souveränität noch weit in die Neuzeit hineinreicht und nicht nur die primäre Selbstkonstitution moderner Gesellschaft, sondern auch ihre späteren kritischen Verwerfungen angeleitet hat. Wirklichkeit ging jetzt vielmehr weitgehend in jener spezifisch neuzeitlichen, immanent generierten und immanent verbleibenden Realität als »Realisierung eines in sich einstimmigen Kontextes« auf, die mit dem konstruktiven Vermögen autonomer Subjektivität korrespondiert und von hier aus nicht zuletzt das produktivistische Selbstverständnis europäischer Modernität grundiert, das sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts in der fortschreitenden Etablierung artifizieller Wirklichkeiten manifestiert, die schließlich im frühen 20. Jahrhundert nach dem katastrophischen Ende der bürgerlichen Welt im ersten Weltkrieg und mit dem technologischen Innovationsschub seit der Jahrhundertwende bis dahin ungekannte Entfaltungsmöglichkeiten finden und fortan das moderne Wirklichkeitsverständnis bestimmen sollten.2

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Notizen

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Makropoulos, M. (1999). Wirklichkeiten zwischen Literatur, Malerei und Sozialforschung. In: von Graevenitz, G. (eds) Konzepte der Moderne. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05565-1_4

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