Zusammenfassung
Im zweiten Teil von Die Ordnung der Dinge hat M. Foucault eine Diagnose der Moderne als Epoche des »Menschen« vorgetragen, die die beiden großen geschichtsphilosophischen Konstruktionen, die die Selbstverständigung der Moderne bestimmt haben (und bestimmen), miteinander verbindet: die Hegels und die Heideggers. Der geschichtsphilosophische Rahmen von Fou-caults Bestimmung der Moderne ist der Heideggers: Die Moderne, oder wie Heidegger zu sagen vorzieht: die »Neuzeit«, ist die Epoche der »Herrschaft der Subjektivität«. Sie hat zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit begonnen — »[v]or dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts existierte der Mensch nicht«1 —, und in der Gegenwart hat sie sich aufzulösen begonnen: »In unserer heutigen Zeit kann man nur noch in der Leere des verschwundenen Menschen denken.« (412) Über beides, die Datierung des Anfangs und die Logik der Überwindung der Moderne, stimmen Foucault und Heidegger nicht überein. Aber wie Heidegger, so versteht auch Foucault die Moderne als ein homogenes Feld, das in all seinen Elementen von einem Grundprinzip — Heidegger schrieb: von einem »Wesensgrund« — bestimmt ist, dem Konzept des »Menschen«. In dessen struktureller Bestimmung hingegen folgt Foucault Hegel: Foucaults »Mensch« ist Hegels »absolutes Subjekt« (in der von Hyp-polite und Kojéve vorgestellten anthropologischen Lektüre).2 Nicht schon das cartesianische Cogito (das als Grundlage nicht taugt, sondern an Gott appelliert) und kaum erst das Kantische Transzendentalsubjekt (das ebenfalls als Grundlage nicht taugt, sondern hinter den Erscheinungen verhängt und unzugänglich verharrt) erfüllt Foucaults Begriff des »Menschen«.
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Notizen
Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, Frankfurt a.M. 1971, 373.
Roland Barthes, »La mort de l’auteur«, in: Le Bruissement de la langue. Essais critiques IV, Paris 1984, 61–67, hier: 61.
Vgl. Michel Foucault, »Was ist ein Autor?«, in: Schriften zur Literatur, München 1974, 7–31, hier: 14.
Joachim Ritter, »Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft«, in: Subjektivität, Frankfurt a.M. 1974, 141–163, hier 155ff.;
ders., »Ästhetik, ästhetisch«, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, Basel 1971, Sp. 555–580.
Vgl. F. Schümmer, »Die Entwicklung des Geschmacksbegriffs in der Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts«, in: Archiv für Begriffsgeschichte, Bd. 1 (1955), 120–141.
Ernst Cassirer, Freiheit und Form. Studien zur deutschen Geistesgeschichte (1916), 6. Aufl., Darmstadt 1994, 76.
Johann Gottfried Herder, Kritische Wälder. Oder Betrachtungen über die Wissenschaft und Kunst des Schönen: »Viertes Wäldchen: Über Riedels Theorie der schönen Künste«, in: Sämmtliche Werke, hrsg. B. Suphan, Bd. 4, Berlin 1878, 3–43
Johann Gottfried Herder, Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele, in: Sämmtliche Werke, hrsg. B. Suphan, Bd. 8, Berlin 1892, 169–253, hier 198
Gottfried Wilhelm Leibniz, »Über die Vervollkommnung der ersten Philosophie und über den Begriff der Substanz«, in: Kleinere philosophische Schriften, hrsg. Robert Habs, Leipzig 1883, 176.
Moses Mendelssohn, »Rhapsodie oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen«, in: Ästhetische Schriften in Auswahl, hrsg. Otto Best, Darmstadt 1974
Vgl. René Descartes, Die Leidenschaften der Seele, hrsg. Klaus Hammacher, Hamburg 1984, Art. 93.
Edmund Burke, A Philosophical Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful, hrsg. Adam Phillips, Oxford, New York 1990, 42.
In Gadamers Sinn: Wahrheit und Methode, 4. Aufl., Tübingen 1975, 84ff.
Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, in: Werke, hrsg. Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1983, Bd. V, § 9 (B 27, 30).
Manfred Frank, Einführung in die frühromantische Ästhetik, Frankfurt a.M. 1989
Winfried Menninghaus, Unendliche Verdoppelung. Die frühromantische Grundlegung der Kunsttheorie im Begriff absoluter Selbstreflexion, Frankfurt a.M. 1987
Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, in: Kritische Studienausgabe, hrsg. Giorgio Colli, Mazzino Montinari, 2. Aufl., München, Berlin, New York 1988, Bd. 1, 44.
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Menke, C. (1999). Ästhetische Subjektivität. Zu einem Grundbegriff moderner Ästhetik. In: von Graevenitz, G. (eds) Konzepte der Moderne. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05565-1_29
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05565-1_29
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Online ISBN: 978-3-476-05565-1
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